Appel an der Bottom Line
Von Walther Becker, FrankfurtGebetsmühlenartig hat Frank Appel quartalsweise – und wenn es sein musste auch häufiger – sein Glaubensbekenntnis wiederholt: erste Wahl als Anbieter für Kunden zu sein, die Mitarbeiter bei Laune und so Investoren bei der Stange zu halten. Oder als die “three bottom lines” des früheren McKinsey-Beraters: Kunden-, Mitarbeiter- und Anlegerzufriedenheit. Mit seiner Vergütung von 9,9 Mill. Euro für 2017 kann er jedenfalls zufrieden sein.Doch in allen drei Punkten seines Mantra steht der seit gut zehn Jahren als CEO amtierende Appel, der in Kürze 57 wird, momentan nicht gerade gut da. Schon vor der Gewinnwarnung, die noch einmal kräftig belastete, stand der Aktienkurs unter Druck. Gestern gab es noch einmal einen Abschlag von 2,2 % auf 28,28 Euro, verglichen mit dem 52-Wochen-Hoch von 41,36 Euro. Nur die Titel von Deutscher und Commerzbank laufen dieses Jahr im Dax noch schwächer als die Aktie Gelb. Mit dem Festhalten an den ambitionierten Ergebniszielen für 2020 punktet Appel, dessen Vertrag bis Oktober 2022 läuft, bisher jedenfalls nicht. Rund 5 Mrd. Euro Ergebnis sollen dann konzernweit herausspringen. Die Sparte PeP (Post, E-Commerce, Paket) soll dazu stolze 1,7 Mrd. Euro nach voraussichtlich 600 Mill. 2018 abliefern. Und die Kunden? Die Zahl der Beschwerden im inländischen Paketgeschäft nimmt deutlich zu – wenn man die Zahlen nimmt, die von der Bundesnetzagentur veröffentlicht werden. Im ersten Halbjahr gingen über alle Postdienstleister mit etwa 6 000 so viele ein wie 2017 insgesamt. Das ist zwar eine deutliche Steigerung, aber zu sehen im Vergleich mit 1,3 Milliarden Paketen per annum in einem kräftig wachsenden Markt, in dem DHL klar die Nase vorne hat.Und wie sieht’s mit der dritten Bottom Line aus, den Beschäftigten? Mit knapp 520 000 Namen auf den Lohn- und Gehaltslisten ist der Konzern der nach der VW-Gruppe größte hierzulande. Die Zufriedenheit hatte schon so manchen Dämpfer erhalten, etwa durch Pläne mit Billigtöchtern, wo nicht der Haustarif gelten, sondern nach den Bedingungen des Logistikgewerbes gezahlt werden soll. In der Gewinnwarnung vom Juni hatte Appel zudem auf davonlaufende Kosten im Brief- und Paketgeschäft verwiesen. Derzeit tourt Appel zu einzelnen Niederlassungen, um vor hunderten Mitarbeitern jeweils zu erläutern, was er darunter versteht. In einem Interview mit der internen “Premium Post” hat der Manager Tacheles geredet. Er geht darin zwar nicht, wie der Boulevard interpretiert, “auf die eigenen Mitarbeiter los”, aber auch nicht recht auf sie zu. “Unser Plan war nicht extrem aggressiv, sondern wir wollten bei real steigenden Umsätzen die Ergebnisse konstant halten – ohne die Qualität in der Zustellung zu verlieren. Das haben wir aber nicht mehr hinbekommen. Hier haben wir eine Lücke.” So lautet die Bestandsaufnahme des Hanseaten, zu der auch zählt, dass die Organisation teils zu kompliziert und die Verwaltung zu rasch gewachsen sei. “Wir haben teilweise auch zu viele Ebenen” – Sache des Managements. Kein Team “Wir arbeiten nicht wirklich als ein Team – und das beziehe ich auf alle Ebenen”, sagt er. Auf der Hauptversammlung am 24. April klang das noch anders. “Die Basis unseres Erfolgs: ein starkes Team und die besten Mitarbeiter der Branche.” Dass es im Vorstand knirschte, ist spätestens mit dem Abgang von Jürgen Gerdes klar, der PeP verantwortete, – die Aufgabe hat Appel zusätzlich übernommen. Die Führung habe zu wenig in die Produktion investiert, um sie zu automatisieren und zu digitalisieren. “Aber wir haben teilweise auch das Training von Mitarbeitern vernachlässigt”, räumt er selbstkritisch ein und gibt Gerdes noch einen mit. “Unsere Arbeit muss zielgerichteter werden.” Das solle aber keine Verdichtung und Mehrarbeit deuten, betont Appel. Doch gerade die Zustellung auf der letzten Meile müsse weiter automatisiert und optimiert werden. “Das alleine reicht aber nicht”, sagt er und nimmt den schon von der Deutschen Bank strapazierten Faden vom “Kulturwandel” auf. Jeder Einzelne im Brief- und Paketgeschäft müsse Verantwortung für seinen Bereich übernehmen, “Dinge in Frage stellen und gegebenenfalls verändern”, fordert er top-down. Dazu gehöre vor allem eine “offene und ehrliche Kommunikation”. Insbesondere Führungskräfte hätten diesen Kulturwandel vorzuleben. Bisher habe die Post nach der Devise “Wachstum ist super, der Rest wird sich finden” agiert. Doch leider seien die Erträge nicht in dem Maße mitgewachsen. “Wir werden jetzt das Tempo drosseln, um nur noch mit dem Markt zu wachsen”, gibt er vor.Sein Resümee: Die Organisation habe “große Stärken, nur haben wir diese in den letzten Monaten nicht mehr richtig genutzt”. Das soll sich ändern. Daran, am Aktienkurs und der Kundenseite wird er gemessen.—–Der Post-CEO geht nicht auf die Beschäftigten los, aber er bereitet sie auf härtere Zeiten vor.—–