Apple gibt den Massenmarkt auf
Apple senkt weder beim iPhone noch bei den neuen iPad-Rechnern signifikant die Preise. Im Gegenteil: In vielen Märkten werden diese sogar angehoben. Damit macht CEO Tim Cook klar, dass er die Konservierung der Marge für wichtiger hält, als die abrutschenden Marktanteile zu stabilisieren. Auch wenn dies auf den ersten Blick selbstmörderisch aussieht, gibt es gute Gründe für die Strategie.Von Sebastian Schmid, New YorkDie vergangenen Wochen mit zwei Apple-Produktpräsentationen sollten Klarheit über den Kurs des iPhone- und iPad-Anbieters bringen, nachdem zuletzt zunehmend Marktanteile sowohl im Smartphone- als auch im Tablet-Geschäft an die Konkurrenz aus Fernost verloren wurden (siehe Grafik). Die Ansage von CEO Tim Cook hätte nun kaum deutlicher ausfallen können: Apple zieht sich aus dem Kampf um Marktanteile praktisch vollständig zurück.Konkurrenten wie Amazon und Google arbeiten im Tablet-Rechnermarkt nah am Break-even und wollen über den Verkauf von Inhalten bzw. Werbung Geld verdienen. Das neue Amazon-Tablet “Kindle Fire HDX” ist in der kleineren 7-Zoll-Variante für 229 Dollar zu haben. Das Vorjahresmodell kostet noch 139 Dollar. Apple verteuert das Konkurrenzprodukt iPad Mini, das auf 7,9-Zoll-Bildschirmdiagonale kommt, in der neuen Version um 70 auf 399 Dollar. Das Vorjahresmodell bleibt für 299 Dollar im Handel – mit nicht einmal 10 % Preisnachlass. Für die OberschichtDamit ist klar, dass Apple die sich beschleunigende Preisspirale nach unten nicht mehr mitmachen will. Schon Ende September hatte sich das angedeutet, als neben dem neuen iPhone 5s mit dem plastikummantelten iPhone 5c eine zweite Smartphone-Reihe hinzukam, die mit einem Preis von mindestens 549 Dollar ohne Mobilfunkvertrag ebenfalls im Oberklassesegment angesiedelt wurde. In vielen Ländern Europas wurden die Preise zudem angehoben, obwohl der Euro zum Dollar zuletzt sogar fester notierte.Mehrere Faktoren dürften Apple bewogen haben, im Wettstreit um Marktanteile die Segel zu streichen. Wachstum findet in Schwellenländern statt. In den wohlhabenderen Nationen Nordamerikas, Europas sowie in Japan ist der SmartphoneMarkt quasi gesättigt. In Indien, China oder Brasilien kann sich nur eine relativ kleine Oberschicht Geräte zu Apple-Preisen leisten. Diese will der US-Konzern weiter bedienen. Mit dieser Gruppe lassen sich Marktanteilsverluste aber nicht bremsen.Viele Analysten behaupten, Apple hätte im Kampf um den Massenmarkt das neue iPhone 5c für zumindest 400 Dollar ohne Vertrag offerieren müssen, um im Massengeschäft der Schwellenländer eine Chance zu haben. Dafür hätte der iPhone-Anbieter entweder deutlich schlechtere Komponenten einbauen müssen oder auf nahezu 150 Dollar Deckungsbeitrag je Gerät verzichten müssen. Zudem wäre das Image des Luxusartikels, das Apple in diesen Ländern noch hat, schwer gefährdet worden. Letzteres will Apple auf keinen Fall riskieren, denn dann könnte der Konzern in die Lage kommen, dass sich die teuren und margenstärkeren Premiumgeräte erst recht nicht mehr verkaufen. Die Zeiten unvergleichlich hoher Margen wären vorbei. Der verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs hat den PC-Markt einmal mit dem Automarkt verglichen, der von überwiegend Truck- auf Pkw-Verkäufe umgeschwenkt sei. Tim Cook macht bezogen auf diese Analogie nur den nächsten logischen Schritt. General Motors des Smartphone-Markts kann ruhig ein anderes Unternehmen werden. Apple will lieber die Rolle von BMW übernehmen: die des erfolgreichsten Anbieters im Premiumsegment.