ArcelorMittal kürzt Stahlproduktion

Werke in Deutschland und Spanien betroffen - Ursache sind Nachfragerückgang und zunehmende Importe

ArcelorMittal kürzt Stahlproduktion

Europas Stahlindustrie taumelt zurück in die Krise. Die traditionell konjunkturabhängige Branche leidet unter schwacher Nachfrage der Autoindustrie. Steigende Eisenerzpreise treiben die Kosten, der Druck durch Importe aus der Türkei und Russland nimmt zu. ArcelorMittal kürzt deshalb erneut die Produktion.cru Düsseldorf – Der weltgrößte Stahlhersteller ArcelorMittal schraubt seine Produktion herunter. Es seien weitere Schritte notwendig, um die europäischen Stahlproduktionsmengen auf die weiterhin schwache Nachfrage anzupassen, teilte der in Luxemburg ansässige und von London aus geführte Konzern mit. Das Geschäft in Europa sei nach wie vor von einer trägen Nachfrage und umfangreichen Stahlimporten auf dem Kontinent belastet. Auch in Deutschland sind Werke betroffen.Schon im ersten Quartal hatte sich die Nachfrage abgeschwächt. Der europäische Markt ist der wichtigste für ArcelorMittal, entsprechend negativ fiel die Kursreaktion aus. Zudem hat der Rückenwind für ArcelorMittal von den steigenden Stahlpreisen in den USA, wo der Markt durch Einfuhrzölle teilweise abgeschottet wird, nachgelassen.An der Börse belastete die Nachricht Aktien aus der gesamten Branche. Während ArcelorMittal in Amsterdam am Mittwoch mit 13,10 Euro um 7 % auf den tiefsten Stand seit 2016 fielen, gaben am deutschen Markt die Aktien von Thyssenkrupp um 2,6 % nach und Salzgitter um 2,4 %. Aktien des Stahlhändlers Klöckner & Co rutschten um 3,4 % ab. In Wien verloren Voestalpine 2,5 %. In Helsinki büßten die Anteilscheine des Stahlproduzenten Outokumpu 3,5 % ein, und in Stockholm sackten Papiere des Flachstahlerzeugers SSAB um 4 % ab. Thyssenkrupp hatte zuvor schon für die erste Hälfte des Geschäftsjahres 2018/19 in der Stahlsparte einen operativen Verlust (Ebit) von 84 Mill. Euro eingefahren. Allerdings spielten hier Rückstellungen für eine erwartete Kartellstrafe in der Grobblechsparte eine Rolle. Einschnitte reichen nichtErst Anfang Mai, zusammen mit schwachen Quartalszahlen, hatte ArcelorMittal Einschnitte angekündigt. Die reichen offenbar nicht aus. Es seien weitere Schritte notwendig, um die europäische Stahlproduktion an die weiterhin schwache Nachfrage anzupassen, hieß es. Davon betroffen sind den Angaben zufolge in Deutschland die Werke in Eisenhüttenstadt und Bremen. Im restlichen Europa trifft es Dünkirchen in Frankreich und Asturias in Spanien. Genauere Angaben zu den Kürzungen machte der Konzern nicht.Dies sei erneut eine harte Entscheidung, aber angesichts der schwachen Nachfrage ein notwendiger Schritt, sagte der zuständige Europachef Geert van Poelvoorde. Die Maßnahmen seien auch nur vorübergehend und sollen wieder rückgängig gemacht werden, wenn die Marktbedingungen sich verbessern.Bei den Zahlen zum ersten Quartal musste ArcelorMittal schon einen Rückgang des operativen Gewinns um mehr als ein Drittel wegstecken. Überkapazitäten und niedrigere Verkaufspreise sowie steigende Rohstoffkosten belasteten die Ergebnisse. ArcelorMittal hatte im vergangenen Jahr das Stahlwerk Ilva in Italien nach einem Umweltskandal aus staatlicher Kuratel zur Sanierung übernommen.Die Stahlindustrie befindet sich wegen der andauernden Überkapazitäten in China, wegen der Schwäche der Autoindustrie und wegen der US-Einfuhrzölle weltweit in schwierigerem Fahrwasser. J.-P.-Morgan-Analyst Luke Nelson belässt die Einstufung für ArcelorMittal dennoch auf “Overweight”. Die zusätzliche Kürzung der europäischen Produktionsmengen drücke das bereinigte operative Ergebnis bis 2020 nur um bis zu 2 %. Die Standorte, an denen ArcelorMittal die Produktion kürze, lägen am oberen Ende der “internen Kostenkurve” des Konzerns.Unter dem Strich entsprächen die in Aussicht gestellten Kürzungen 2 bis 3 % der gesamten europäischen Stahlproduktion. Grundsätzlich wertete Nelson die Kürzungen als Hinweis darauf, dass die Hersteller angesichts hoher Stahlimporte den Druck auf die EU-Wettbewerbshüter, neue Zölle zu verhängen, verstärken wollen. Auch Salzgitter habe zuletzt eine Produktionskürzung angedeutet. Global steigt ErzeugungDie Rohstahlerzeugung der 64 Länder, die an den Verband Worldsteel berichten, ist im April 2019 gegenüber dem Vorjahresmonat um 6,4 % auf 156,7 Mill. Tonnen gestiegen. Die chinesische Rohstahlproduktion erhöhte sich um 12,7 % auf 85 Mill. Tonnen. Die Preise in China liegen wegen der dort wachsenden Nachfrage inzwischen über denen in Europa, was ungewöhnlich ist. In Deutschland dagegen hat sich der Abwärtstrend in der Stahlkonjunktur verstärkt. Die Rohstahlproduktion in Deutschland ist im April 2019 um 9 % gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken, verglichen mit einem Rückgang von 5 % im bisherigen Jahresverlauf. Bereits im vergangenen Jahr war die Erzeugung um knapp 4 % gesunken.