Ärger um den Crowdinvesting-Star
Von Antje Kullrich, DüsseldorfEs hätte alles so schön sein können: In Rekordzeit sammelte das Start-up Protonet über die Crowdinvesting-Plattform Seedmatch im Juni 2014 stattliche 3 Mill. Euro ein – so viel, wie kein anderes Jungunternehmen zuvor via Schwarmfinanzierung bekommen hatte. “Der einfachste Server der Welt” in seiner grell-orangen Box begeisterte knapp 1 900 Tech-affine Kleinanleger, die jeweils mindestens 250 Euro investierten.Die Erfolgsgeschichte von Protonet ging weiter: Im Frühjahr dieses Jahres wurde das Hamburger Start-up in das Y-Combinator-Programm in den USA aufgenommen. In dieser bestens vernetzten Aufzuchtstation für Jungunternehmer wurden auch schon Airbnb und Dropbox gehätschelt. Protonet-Chef Ali Jelveh jubelte über die Riesenchance. Und dann ging der Ärger los. Trauminvestor Y CombinatorDenn Y Combinator ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung. Unter anderem verlangt er von jedem Start-up im Programm einen Anteil von 7 % und zahlt dafür ganze 120 000 Euro. Den Crowdinvestoren, die noch in einem viel früheren Stadium einstiegen und sich mit einem partiarischen Nachrangdarlehen beteiligten, war eine viel höhere Bewertung vorgerechnet worden.Und es gab noch weitere Bedingungen: Als deutsche GmbH konnte Protonet am Y Combinator nicht teilnehmen, es musste eine US-Rechtsform sein. Die Hamburger gründeten die Protonet Inc. und übertrugen alle Assets in diese Firma. Die Crowdinvestoren hatten plötzlich eine Menge Klärungsbedarf. Denn nach dem Vertragswerk von Seedmatch ist eine Assetübertragung ein Exitereignis, das gewisse Zahlungspflichten auslöst. Viele Protonet-Investoren wollten aber auch gar nicht aussteigen, fragten sich nur, ob sie künftig auch an der amerikanischen Inc. beteiligt sein würden oder lediglich an der leeren deutschen GmbH-Hülle.Im geschlossenen Investorenbereich der Seedmatch-Plattform wurde Protonet mit unbequemen Fragen überhäuft. Antworten gab es dem Vernehmen nach viel zu wenige. Auch Protonet räumt heute ein, dass in der Kommunikation nicht alles optimal gelaufen sei.Einen vorgelegten neuen Beteiligungsvertrag besserte das Unternehmen noch einmal nach. “Wir haben innerhalb der letzten Monate an einer vertraglichen Lösung gearbeitet, um unsere Crowdinvestoren auch in Zukunft am Wertzuwachs von Protonet partizipieren zu lassen, d.h. also wenn es zu einem Exit, Teil-Exit oder zu Dividendenausschüttungen kommen wird, dann werden die Crowdinvestoren im gleichen Umfang wie vorher daran beteiligt”, versicherte eine Sprecherin auf Anfrage. Kritische Protonet-Anleger sehen das nicht so. In der Inc.-Rechtsform sei die Stellung der Schwarminvestoren etwas ungünstiger als bei der ursprünglichen GmbH, sagt einer, der den neuen Beteiligungsvertrag von Protonet zähneknirschend angenommen hat. Am 31. Juli lief die Frist für die vorläufige Zustimmung zum neuen Beteiligungsvertrag aus, rechtsverbindlich müssen sich die Anleger bis zum 31. August erklären. Etwa 75 % der Investoren haben bisher angenommen.Und was sagt Seedmatch zu der ganzen Sache? Auch die Plattform stand wegen ihrer vermeintlich zu passiven Rolle während der Diskussion in der Kritik. Handlungsbedarf, grundsätzlich etwas an den standardisierten Verträgen zwischen Start-ups und Schwarminvestoren zu ändern, sieht Seedmatch nach Angaben eines Sprechers nicht. Dieser spricht auch im Hinblick auf Protonet von einem extremen Einzelfall.Die Plattform macht es sich damit ziemlich leicht. Protonet ist immerhin nicht irgendein Start-up, sondern der Topstar unter den Seedmatch-Projekten. Es ist eines der wenigen Unternehmen, bei denen die Investoren Aussicht auf satten Ertrag haben. Doch offenbar gibt es rechtliche Schlupflöcher, durch die der Schwarm potenziell schlechter gestellt werden kann.Crowdinvesting ist eine hochriskante Angelegenheit. Die bisherige Bilanz von Seedmatch, die ja noch gar nicht so alt ist, zeigt es. Von 76 finanzierten Start-ups sind bis dato bereits 13 pleite. Zweifel, ob die Crowd bei den wenigen Highflyern auch tatsächlich wie ursprünglich verabredet am Erfolg teilhaben wird, kann Seedmatch da eigentlich nicht gebrauchen. Doch genau das ist der Fall. Mariusz Bodek, der als Chef der Comdirect-Start-up-Garage die Gründerszene gut kennt und selbst Investor bei Protonet ist, bringt es auf den Punkt: “Der Fall Protonet beschädigt das Vertrauen in das Geschäftsmodell Crowdinvesting.” ——–Der Fall Protonet legt eine Schwachstelle in der Schwarmfinanzierung offen.——-