Asahi Kasei wird in Deutschland offensiv
Die Zeit der Kooperationen – etwa mit Siemens – ist vorbei. Der japanische Chemiekonzern Asahi Kasei will den Umsatz in Europa deutlich steigern, besonders im Autobereich. Dies soll auch durch Übernahmen erreicht werden. Ziel ist es, Platzhirschen wie BASF, Lanxess und Infineon Marktanteile abzunehmen.Von Martin Fritz, TokioAsahi Kasei ist in Japan als Hersteller von Baustoffen und Häusern bekannt. Aber damit erzielte der Chemiekonzern, in Japan die Nummer 3 hinter Mitsubishi Chemical und Sumitomo Chemical, zuletzt nur ein Drittel seines Jahresumsatzes von 1,9 Bill. Yen (17 Mrd. Euro). Wichtiger ist die im Frühjahr geschmiedete Sparte für Materialien und Werkstoffe mit mehr als der Hälfte der Einnahmen sowie das Pharmageschäft mit Blutfiltern und Defibrillatoren.Auf beiden Feldern will Asahi Kasei jetzt in Deutschland und Europa expandieren. Der aktuelle Fokus liegt auf der Automobilindustrie: Dort brauchen autonome und elektrische Fahrzeuge bessere Batterien, leichtere Materialien, energiesparende Reifen und verlässliche Elektronik. Das sind genau die Domänen von Asahi Kasei. Daher sehen die Japaner mit 33 000 Beschäftigten große Chancen, deutschen Platzhirschen wie BASF, Lanxess und Infineon Marktanteile abzunehmen.Im April gründete Asahi Kasei eine europäische Tochtergesellschaft. Im Juni wurde die neue Europa-Zentrale in Düsseldorf eingeweiht, im Oktober nimmt man ein Technikzentrum in Dormagen in Betrieb. In der Vergangenheit belieferten die Japaner vor allem Komponentenhersteller auf Tier-1- und Tier-2-Ebene der Automobilindustrie. Doch die technologischen Veränderungen zwingen die Fahrzeugbauer dazu, sich neuerdings mit den Herstellern von Batterien und Werkstoffen direkt auszutauschen.Diese Kontakte will Asahi Kasei – was auf Deutsch “Morgendämmerung der chemischen Transformation” bedeutet – dazu nutzen, ihre Automobilprodukte im Paket anzubieten. In der Folge sollen die Einnahmen im Autobereich in Europa von heute 300 Mill. Euro bis 2025 auf 1 Mrd. Euro klettern. Der Chemieriese will dieses Ziel nach eigenen Angaben auch durch Übernahmen erreichen. Die Zeit der Kooperationen etwa mit Siemens (1988 bis 2010 bei MR-Tomografen) und mit Wacker Chemie (seit 1999 in Japan bei Silikon) ist nach Angaben der Japaner vorbei.Das größte Angriffsziel in Deutschland und Europa ist BASF. Es geht um technische Kunststoffe, so hart, hitze- und schockbeständig wie Metall, aber zwei- bis dreimal leichter. Das spart Kraftstoff und senkt den Ausstoß von Kohlendioxid. Bisher liegen die Ludwigshafener, die auch in Japan vertreten sind, vorn. Das soll sich durch ein eigenes Computerzentrum von Asahi Kasei in Vietnam ändern, das im Juni in Betrieb genommen wurde. Damit lässt sich der Einsatz von neuen Materialien in Chassis und Motoren simulieren. Nur Asahi und BASF bieten nun die zeitsparende Dienstleistung. Über ihr neues Technikzentrum in Dormagen bringen die Japaner diesen Service nach Deutschland und Europa. Man spricht mit ContinentalDie zweite Marktchance für Asahi Kasei ergibt sich bei Kunstgummi für die Lauffläche von kraftstoffsparenden Reifen. Nach Einschätzung der Japaner verschiebt Lanxess derzeit den eigenen Fokus vom Spezialkautschuk für die Laufflächen zum Volumengeschäft mit dem Gummi für die Seitenwände der Reifen. Nach Einschätzung von Branchenkennern dient dies der Auslastung einer Lanxess-Fabrik in Singapur. Dadurch kommen die Japaner beim Laufflächen-Gummi leichter zum Zug. Pirelli beliefert man schon, gerade spricht man mit Continental.Selbst vor der Konkurrenz mit Infineon, dem Weltmarktführer für Prozessoren in Automobilen, scheut Asahi Kasei nicht zurück. Hier wollen die Japaner mit Sensoren für Kohlendioxid, Radaraugen auf Infrarot- und UV-Basis sowie Prozessoren für die Sprachverarbeitung bei der Kommunikation zwischen Fahrer und Automobil punkten.Als Beispiel nennen Asahi-Kasei-Manager die Beobachtung und Alarmierung des Fahrers, damit dieser während der Benutzung des Autopiloten nicht einschläft, weil die Assistenzsysteme noch nicht fehlerfrei arbeiten.Eine große Hoffnung der Japaner ruht auf Volkswagen. Asahi beherrscht 40 % des Weltmarktes für Separatoren bzw. Membranen für Blei- und Lithium-Akkumulatoren für Automobile und mobile Verbraucherelektronik. Ein Werk in Norderstedt bei Hamburg produziert diese Teile für reguläre Autobatterien. Hier erwarten die Japaner ein jährliches Wachstum von 5 bis 6 %, da die Blei-Akkus wegen der zunehmenden Verbreitung der Start-Stopp-Automatik leistungsfähiger werden müssen. Zugleich soll der Trend zum Elektroauto das Geschäft mit Lithium-Akku-Membranen ankurbeln, die für den Ionen-Austausch sorgen.Nach den Informationen von Asahi laufen nächstes Jahr die Lieferverträge zwischen koreanischen Zulieferern und Volkswagen aus. Dann bräuchten die Wolfsburger bessere Batterien. Als Weltmarktführer für Separatoren hofft Asahi Kasei auf den Zuschlag für Batterien mit japanischem Inhalt. Dabei trifft man wieder auf BASF. Der Chemieriese hat nämlich gerade sein Bündnis mit der japanischen Toda Kogyo bei Kathoden-Materialien für Lithium-Akkus gestärkt.