"Aton bleibt Ankeraktionär der Edag"
Mit dem Ingenieurdienstleister Edag nimmt die erste Beteiligung aus dem Firmenportfolio des Unternehmers Lutz Helmig Kurs auf die Börse. Die Dachgesellschaft Aton will nachhaltig die Fäden bei dem Unternehmen in der Hand halten, erläutert Thomas Eichelmann, CEO der Aton und Verwaltungsratspräsident der Edag, im Interview. Edag, in der Rechtsform einer Schweizer AG, soll als Wachstums- und Dividendentitel positioniert werden.- Herr Eichelmann, die Aton-Holding ist netto nicht verschuldet. Weshalb führen Sie Ihre Beteiligung Edag an die Börse und setzen sie den Volatilitäten des Aktienmarktes aus?Wir sind in der Tat netto nicht verschuldet und fühlen uns in der Situation sehr wohl – Aton hat eine Eigenkapitalquote zwischen 40 und 60 %. Gleichwohl wollen wir uns in der einen oder anderen Säule im Portfolio weiter verstärken, dafür würden wir den Erlös aus dem Börsengang gerne nutzen.- Ist das IPO ein logischer Schritt nach dem Auftakt am Kapitalmarkt 2013 mit einer Anleihe der Aton?So kann man es sehen. Der Aktienmarkt stellt noch mal andere Anforderungen an die Governance der Gesellschaften. Das führt zu einer gewissen Disziplinierung und Verbesserung der Strukturen.- Der Automobilentwickler Edag könnte sich wohl auch langfristig problemlos über Fremdkapital finanzieren, vermutlich sogar günstiger als über Eigenkapital?Normalerweise ist Fremdkapital langfristig immer günstiger als Eigenkapital. Die Edag hat aber derzeit keine größeren Finanzierungsnotwendigkeiten. Das Unternehmen ist Dienstleister der großen Hersteller von Automobilen oder Komponenten. Das Geschäftsmodell funktioniert auf Basis “asset light”, es gibt somit kein größeres Budget für Sachanlageinvestitionen. Die Edag braucht prinzipiell kein Fremdkapital, der laufende Betrieb wird aus einem starken Cash-flow finanziert. Im Geschäft wird laufend abgerechnet, es gibt keine Projekte, die erst in einigen Jahren Return bringen. Die aktuelle Verschuldung der Edag resultiert allein aus den Akquisitionen der vergangenen Jahre.- Deshalb wird der Börsengang nicht mit einer Kapitalerhöhung verbunden, sondern der Emissionserlös fließt dem Gesellschafter Aton zu?Die Emissionserlöse werden dem Holding-Eigentümer Aton zufließen, der allerdings langfristiger Ankeraktionär bleiben wird.- Motivation des Börsengangs ist also zunächst die Kapitalmarktbewertung der Edag und die Chance, im Fall von Akquisitionen irgendwann die Aktionäre anzapfen zu können?Hier muss man die Geschichte des Unternehmens betrachten: Herr Dr. Helmig hat das Unternehmen 2006 als Restrukturierungsfall erworben. Wir haben einiges im Portfolio und am Geschäftsmodell verändert. Edag fokussierte sich auf Automotive und trennte sich vom Aerospace-Bereich. Auch die damals vorhandenen kleineren Aktivitäten in der Produktion hielten wir strategisch für zu riskant, gemessen an der damaligen Größe der Edag. Auch das haben wir herausgenommen. So entstand ein Kern an Automotive-Dienstleistungen, der gesundes Wachstum versprach. Dieses Kerngeschäft haben wir mit dem Erwerb von Rücker und BFFT ergänzt und den Umsatz wieder auf eine ordentliche Größenordnung gebracht.- Was sind die Wachstumsziele der Edag, und wie lange werden Sie das Unternehmen begleiten?Wir haben aus einem Restrukturierungsfall ein florierendes, wachsendes Unternehmen geformt und wollen Edag als Wachstumswert weiterentwickeln. Dazu schreiben wir diese Geschichte des German Engineering mit einem Börsengang fort und reichern die Eigentümerstruktur an. Aber wir bleiben an Bord, ein vollständiger Verkauf ist nicht beabsichtigt. Nach dem Börsengang könnte der Streubesitz sogar rund die Hälfte betragen, langfristig könnten wir uns auch vorstellen, die Kapitalmehrheit abzugeben. Doch wir haben vor, den Wachstumskurs der Edag noch lange zu begleiten.- Stehen Akquisitionen auf der Agenda der Edag als börsennotiertes Unternehmen?Wir wollen zunächst einmal den sehr positiven organischen Wachstumstrend fortsetzen. Es liegen aktuell keine Akquisitionsprojekte auf dem Tisch. Wenn sich aber etwas ergäbe, täte man sich als gelistetes Unternehmen leichter. Hier rede ich nicht von kleineren Zukäufen, sondern von der Möglichkeit, dass mal einer der großen Wettbewerber auf den Markt kommen könnte. Das ist derzeit aber nicht der Fall, die Konkurrenten sind alle in festen Händen.- Edag erwirtschaftet eine höhere Ebit-Marge als ihr Hauptwettbewerber Bertrandt. Was machen Sie besser?Das höre ich gern. Wir reden jedoch ungern über Wettbewerber. Unser Vorteil ist, dass wir im Vergleich mit Wettbewerbern relativ wenig in Anlagen stecken, dadurch haben wir geringere Investitionen und damit Abschreibungen. Edag ist als Dienstleister positioniert, der große, komplexe Projekte abarbeitet. Unser Hauptgeschäft ist die Entwicklung von sogenannten Fahrzeugderivaten, also beispielsweise SUVs, Kombis, Cabrios, aus dem neuen Basismodell eines Herstellers.- Gibt es Alleinstellungsmerkmale der Edag?Edag hat als einziges Unternehmen im Kreis der Wettbewerber eine Einheit “Production Solutions”, die komplette Produktionsanlagen und Fabrikkonzepte für neue Fahrzeugmodelle entwickelt. Wir bauen keine Fabrik, geben dem Kunden aber ein Layout, wie er die Herstellung optimal gestaltet. In dem Geschäft verdienen wir eine ordentliche Marge. Zudem ist Edag einer der größten unabhängigen Ingenieurdienstleister für Fahrzeugentwicklung und erwirtschaftet auch international einen hohen Margenbeitrag.- Wie setzt sich der Kundenkreis der Edag zusammen?Dazu gehören führende europäische und asiatische Automobilkonzerne. In China haben wir eine relativ gute Präsenz, sowohl bei den deutschen Herstellern als auch bei chinesischen. Wir arbeiten auch für Nutzfahrzeuganbieter und für die großen Zulieferer.- Die Edag geht in der Rechtsform der Schweizer AG an den Markt. Was spricht gegen die gute deutsche Aktiengesellschaft?Das Bessere ist der Feind des Guten. Die Schweizer AG ermöglicht eine schlankere Führungsstruktur. Man kann mit einem sehr kleinen Verwaltungsrat arbeiten, der etwas mehr Kompetenzen hat als der deutsche Aufsichtsrat. Wir haben auf Aton-Ebene in den vergangenen Jahren sehr eng mit dem Managementteam der Edag kooperiert, diese Teamstruktur möchten wir fortsetzen. Das funktioniert in einem Verwaltungsrat nach Schweizer Muster besser.- Eine Boardstruktur hätten Sie auch über eine Europäische Aktiengesellschaft etablieren können. War das zu komplex?Bei einer Neugründung hätte man das erwägen können. In der jetzigen Struktur wäre es zu aufwendig.- Ist den Investoren eine Schweizer AG für ein deutsches Unternehmen nicht schwer zu vermitteln?Nein, sonst hätten wir anders entschieden. Im Schweizer Modell kann man die Kompetenzen zwischen Konzernleitung, also Vorstand, und Verwaltungsrat relativ flexibel verteilen. Das dürften die Investoren schätzen. Die Konzernleitung hat die Verantwortung für das operative Geschäft. Strategische Themen wie Akquisitionen oder grundlegende Veränderungen im Portfolio müssen im Verwaltungsrat entschieden werden, unter Einbindung des CEO. So würden wir es gerne weiterführen.- Sie selbst übernehmen die Rolle des Chairman?Ja, nach der Gründung habe ich diese Rolle. Das Mandat läuft immer nur ein Jahr, dann muss die Hauptversammlung darüber befinden.- Wie viele unabhängige Boardmitglieder gibt es?Der Vierer-Verwaltungsrat hat zwei unabhängige und zwei mit der Aton verbundene Mitglieder.- Aton versteht sich als Finanzholding der Familie Helmig als Gesellschafter, der auch strategisch in die operativen Firmen eingreift. Das dürfte mit dem Eintritt außenstehender Aktionäre eingeschränkter möglich sein?Die Aton erfüllt zum Beispiel in einem Cash-Pooling mit allen Beteiligungen eine Bankfunktion für ihr Portfolio. Wenn die Edag an der Börse ist, verlässt sie diesen Cash-Pool. Grundsätzlich bleiben wir bei unserer Aton-Philosophie, die Strategie mit festzulegen, aber das operative Geschäft dem Management der Aktiengesellschaft zu überlassen.- Welche Investoren wollen Sie beim IPO ansprechen?Am liebsten wäre mir eine Mischung aus Long-only-Investoren, größeren Family Offices sowie internationalen Fonds. Die Transaktion dürfte nicht nur in Deutschland Interesse wecken, sondern auch in Großbritannien oder den USA.- Soll Edag als Dividendentitel oder als Wachstumswert positioniert werden?Beides! Wir haben eine sehr hohe Cash-Conversion, worauf wir stolz sind. Es ist ein klassisches serviceorientiertes Geschäft ohne großen Investitionsbedarf. Die Edag zielt auf eine Ausschüttungsquote von 50 % ab. Gleichzeitig erwarten wir kontinuierliches Wachstum. Zudem kann man sich an einem der größten unabhängigen Ingenieurdienstleister für Fahrzeugentwicklung beteiligen.- Volkswagen ist größter Kunde der Edag mit einem Umsatzanteil von mehr als 20 %. Fürchten Sie negative Auswirkungen aus dem Abgasskandal?VW ist einer unserer größten und ältesten Kunden. Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit der VW-Gruppe zusammen und glauben, dass dies in der Zukunft so bleiben wird. Zudem sehen wir derzeit keine direkten negativen Auswirkungen, aber durchaus auch Chancen für uns als unabhängigen Entwicklungsdienstleister.- Medienberichten konnte man entnehmen, dass sich der Wert des Aton-Portfolios in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt hat. Wie hoch ist denn der Wert aktuell, und wie messen Sie ihn?Wir selbst haben das nie behauptet, auch wenn es nicht ganz falsch ist, aber ich möchte mich an dieser Stelle ungern dazu äußern. Das Portfolio ist auf jeden Fall viel wert und Aton erfolgreich positioniert.- Aton hat sich in der Vergangenheit als der “wahre” Private-Equity-Investor bezeichnet. Geben Sie dieses Selbstverständnis mit dem Teil-Exit bei Edag auf?Überhaupt nicht, Aton bleibt privat und in Familienbesitz. Wir geben eine Beteiligung, zugegebenermaßen eine unserer wichtigsten, an die Börse. Doch die Geschicke der Edag wollen wir weiter mitbestimmen.- Wofür wird Aton den Erlös aus dem Edag-Börsengang einsetzen?Wir sind relativ glücklich mit der Struktur der Aton und den drei Schwerpunkten Medizintechnik, Engineering und Mining. Die drei Säulen halten wir für gleichermaßen attraktiv. In allen drei Schwerpunkten können wir uns Zukäufe vorstellen. Ein bis zwei Themen sind in der Überlegung.- Wenn das IPO gut läuft, welche Beteiligung wäre als Nächstes börsenreif?Es gibt zurzeit keine weiteren Pläne.—-Das Interview führte Sabine Wadewitz.