ATU droht an die Wand zu fahren

Finanzinvestoren und Deutsche Bank pokern um Miethöhe - 10 000 Arbeitsplätze bedroht - Verkauf nach Frankreich vor dem Scheitern

ATU droht an die Wand zu fahren

Der angeschlagenen Werkstattkette ATU droht die Pleite. Morgen läuft die Frist ab, innerhalb der sich das Unternehmen aus der Oberpfalz mit 10 000 Beschäftigten mit dem Vermieter von fast der Hälfte der Standorte einigen muss. Dabei geht es um eine Gesellschaft, die von der Deutschen Bank finanziert wird und 100 Mill. Euro fordert.wb Frankfurt – Der finanziell angeschlagenen Werkstattkette ATU mit ihren 10 000 Arbeitsplätzen droht das Aus und das Scheitern des Verkaufs nach Frankreich. Der Grund: Die als Bedingung für die Veräußerung an Mobivia geltende drastische Senkung der hohen Mieten für die Immobilien droht an Kreditgebern der Vermieter – maßgeblich Deutsche Bank und der Hedgefonds Davidson Kempner – zu scheitern. Wird keine Einigung erreicht, wollen die ATU-Gesellschafter, eine Gruppe um den Finanzinvestor Centerbridge, am Donnerstag Insolvenz anmelden lassen. Inzwischen soll sich die bayrische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner an Paul Achleitner, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, gewendet haben.Und darum geht es: Seit längerem wird intensiv zwischen ATU und der niederländischen Zweckgesellschaft Lino, die einen großen Teil der Werkstattimmobilien besitzt, verhandelt. Die Deutsche Bank ist einer der wesentlichen Kreditgeber von Lino und nach Informationen der Börsen-Zeitung direkt an den Verhandlungen beteiligt. Dabei geht es um eine Anpassung der Mietpreishöhe der Werkstätten an das marktübliche Niveau als Voraussetzung für die Übernahme von ATU durch die französische Mobivia. 160 Mill. Euro an GarantienATU hat gegenüber Dritten, also nicht ihren Anteilseignern, Schulden von 225 Mill. Euro als besicherte Forderungen des Kreditgebers. Für diese Schulden hatten die Anteilseigner teilweise Garantien gegeben über 163 Mill. Euro. Ohne diese Garantien hätte ATU schon früher keinen Kredit mehr erhalten und wäre lange insolvent, heißt es. Diese Garantien sind Sicherheiten für den Kreditgeber, das heißt, dass über die Sicherheiten in die Gesellschaft vollstreckt würde und eine Garantie bereitsteht, um die Differenz zwischen den Erlösen aus der Verwertung und dem Kreditbetrag zu decken. Der Kaufpreis, den Mobivia zu zahlen hätte, wurde so bemessen, dass daraus die besicherten Schulden beglichen werden. Die bisherigen Anteilseigner, zu denen auch Goldman Sachs zählt, erhielte aus dieser Transaktion keinen Euro.Gründer Peter Unger hatte 2002 das Unternehmen und separat die Immobilien veräußert. Sie liegen bei Lino. Doch laut den ATU-Gesellschaftern wollen Lino/Deutsche Bank jetzt das Risiko der Anteilseigner aufgrund der Garantien nutzen, “um eine Sonderzahlung zu erpressen”, wie die Börsen-Zeitung erfahren hat. Die ATU-Gesellschafter arbeiten mit Gleiss Lutz und Kirkland & Ellis und hatten den Restrukturierer Jochen Ziems in die Führung geholt.Zuletzt habe man sich über eine Senkung der Mieten von 57 Mill. auf 26 Mill. Euro per annum geeinigt. Doch dann habe Lino mitgeteilt, dem Deal nur zuzustimmen, wenn sie als Gegenleistung 100 Mill. Euro erhalte. Somit sehen sich die Anteilseigner vor die Alternative gestellt, entweder für die Garantien von bis zu 163 Mill. Euro aufzukommen oder die 100 Mill. Euro zu zahlen.Am 17. November habe Lino/Deutsche Bank in einem Brief an ATU angekündigt, dass sie den Verhandlungstisch verlassen werden. Lino steht selbst unter Druck, denn auf den Immobilien lasten nach früheren Angaben 718 Mill. Euro Schulden, die die Deutsche Bank als Kreditgeber möglichst nicht abschreiben will. Im Falle der Insolvenz würde allerdings öffentlichkeitswirksam auf die Deutsche Bank gezeigt; die Dimension ist nicht arg weit weg von der Größenordnung des schlagzeilenträchtigen Falles Tengelmann. Centerbridge, die 2013 über den Tausch von Schulden in Eigenkapital bei ATU eingestiegen war, hatte den Verkauf an Mobivia unter der Maßgabe vereinbart, die Mieten zu drücken. Statt bis zu 12 Euro je Quadratmeter und Monat wollen die Franzosen 4 bis 5 Euro für Werkstätten und Lagerräume zahlen. Wegen ÜberschuldungIn einem der Börsen-Zeitung vorliegenden Schreiben an den ATU-Aufsichtsrat erklärte Ziems am 17. November, wegen der stockenden Verhandlungen sei die “positive Fortführungsprognose” entfallen. Nur sie schützt ATU davor, wegen Überschuldung in Insolvenz zu gehen. Ist binnen drei Wochen keine konkrete Lösung in Sicht, geht es zu Gericht.ATU betreibt 577 Werkstätten in Deutschland und weitere in Österreich und der Schweiz und kam 2015/16 (30. Juni) auf rund 1 Mrd. Euro Umsatz. Mobivia und ATU zusammen stünden mit 2 000 Niederlassungen und mehr als 20 000 Beschäftigten auf Erlösvolumen von rund 2,7 Mrd. Euro. Der Kauf, der die Einigung mit Lino/Deutscher Bank voraussetzt, sollte nach den Vorstellungen von Mobivia bis Jahresende unter Dach und Fach sein.