Audi stützt chinesische Händler
Wegen der Flaute auf dem chinesischen Automarkt hat Audi vor kurzem das Absatzjahresziel für ihren größten Einzelmarkt kassiert. Nach acht Monaten stagnierte das Neuwagengeschäft der Ingolstädter VW-Tochter in der Volksrepublik bei rund 361 000 Fahrzeugen. Trotz dieses Dämpfers sieht Vorstandschef Rupert Stadler seinen Konzern auf Kurs. Audi hilft den chinesischen Autohändlern schneller mit Liquidität, um den Durchhänger besser zu überbrücken.- Herr Stadler, die drei deutschen Premiumhersteller kämpfen um die Vorherrschaft in diesem Autosegment. Warum ist Audi dabei gegenüber Daimler bei Absatz, Umsatz und Rendite zurückgefallen?Wir wachsen auch in diesem Jahr und sind auf Rekordkurs. Unsere Umsatzrendite ist am oberen Rand unseres selbst gesetzten Zielkorridors von 8 bis 10 %. Wir investieren auf Rekordniveau in Zukunftstechnologien und vor allem in neue Modelle. Wir sind momentan gut unterwegs, obwohl wir gerade über 40 % unserer Produktpalette erneuern, was etwa 18 Monate dauern wird.- Welche Modelle spielen dabei eine Rolle?Im nächsten Jahr kommt mit dem Q1 ein völlig neues Modell auf den Markt. Mit dem vollelektrischen SUV und einem Q8 werden in der Folge zwei weitere völlig neue Modelle kommen. Wir geben also Vollgas, und unsere Zielmarke ist das Jahr 2020, ab dem wir die Top-Premiummarke sein wollen.- Es handelt sich also für Sie nur um eine Momentaufnahme?Ja, sicherlich. Ich bin völlig entspannt.- Seit der Übernahme von Ducati halten sich die Gerüchte, dass Audi von Fiat die Marke Alfa Romeo übernehmen will. Wie steht’s um dieses Thema?Unser Kommentar dazu war und ist: Eine tolle Marke, aber dem gibt es nichts hinzuzufügen.- Was ist aus Ihrer Sicht die Hauptursache für den Preisverfall auf dem chinesischen Automarkt?Es gibt keinen Verfall, aber einen deutlich stärkeren Wettbewerb. Das ist das Zeichen einer normalen Reifung des Marktes. In den vergangenen zehn Jahren hatte das Premiumsegment in China zweistellige Wachstumsraten per annum verzeichnet. Es ging immer nur bergauf. Jetzt konsolidiert sich der Markt. Hinzu kommt, dass die Regierung die Überhitzung des Marktes beenden will. Peking will eine Normalisierung erreichen. Damit kommt die chinesische Volkswirtschaft schneller in der Marktwirtschaft an. Diese Entwicklung hat uns nicht überrascht.- Und die Wettbewerber?Sicherlich gibt es Wettbewerber, die aggressiv in den Markt gehen. Jeder ist aber seines eigenen Glückes Schmied.- Wie reagiert Audi darauf?In diesen Phasen ist man gut beraten, mit dem Markt zu atmen und auf seinen Marktanteil zu schauen. Der liegt stabil bei über 30 %. Zudem setzen wir uns mit unseren Händlern an einen Tisch, um festzustellen, was da draußen im Einzelnen passiert. Die Händler brauchen unsere Unterstützung, damit sie auch künftig ihr Geschäft ausüben können. Dabei geht es um Fragen der Liquidität. In der Finanzmarktkrise der Jahre 2008 und 2009 haben wir das in Europa genauso gemacht. Damit sind wir gut gefahren.- Und auf lange Sicht?Wir sind der festen Überzeugung, dass wir mittel- und langfristig in China wachsen werden. Die Nachfrage ist weiter vorhanden. Die Kaufkraft der Mittelschicht wächst.- Wie umfangreich waren die Stützungsmaßnahmen für Audi-Händler in China?Wir haben zum Beispiel die regulären Bonuszahlungen von einer einzigen Ausschüttung am Jahresschluss auf einen Quartalsrhythmus umgestellt. Alle drei Monate wird die Leistung gemessen, und drei Wochen später hat der Händler sein Geld. Das kostet uns nichts, aber der Händler ist liquide und kann arbeiten.- Es gibt konjunkturelle Aspekte, es gibt aber auch strukturelle. Die reiche Ostküste Chinas ist gesättigt, jetzt schaut man Richtung Westen der Volksrepublik, also mehr in ländliche Regionen. In dieser relativen Schwächephase und beim derzeit niedrigen Ölpreis steigt die Nachfrage nach Pick-ups in den USA. Sind Sie mit Ihrem Produktprogramm für die wichtigen Absatzmärkte künftig richtig aufgestellt, unabhängig von Themen wie Elektromobilität?Davon bin ich felsenfest überzeugt. Wir sollten uns nicht von kurzfristigen Entwicklungen verunsichern lassen. Der derzeit niedrige Ölpreis hat auch geopolitische Ursachen. Es wird daher auch hier wieder zu höheren Rohstoffpreisen kommen. Wie die Vergangenheit lehrt, führt dies auch zu entsprechenden Kundenreaktionen. Wichtig ist, dass wir eine klare langfristige Perspektive haben hinsichtlich der Erwartungen der Gesellschaft, der Gesetzgebung und der Produktbedürfnisse. Mit dem weiteren Ausbau unserer Modellpalette und der Elektrifizierung der Fahrzeuge werden wir richtigliegen – sowohl in China als auch in anderen Märkten wie den USA und Europa.- Wie groß ist Ihr Vertrauen in die chinesische Regierung, die Konjunkturdelle in den Griff zu bekommen?Bei diesem Thema muss man differenzieren. Während im produzierenden Gewerbe eine Dämpfung eingetreten ist, wächst der Dienstleistungssektor stark. So kennen wir das auch von anderen Volkswirtschaften. Diese Entwicklung beunruhigt uns daher nicht.- Warum?Langfristig wird das Wachstum im Servicesektor deutlich über dem Niveau des produzierenden Gewerbes liegen. Und China wird trotz des Strukturwandels eine wachsende Volkswirtschaft bleiben, die eine gewichtige Rolle auf dem Weltmarkt spielt.- Verschifft Audi überzählige Fahrzeuge von China in die USA oder in andere Länder?Nein. Wir setzen die mit unserem Joint-Venture-Partner FAW lokal gefertigten Fahrzeuge auch lokal ab.- In China sind Sie ja wie alle Hersteller mit Partnern unterwegs. Wie ist der Stand bezüglich der vom VW-Konzern gewünschten Anteilsaufstockung bei FAW?Es gibt dazu eigentlich nichts Neues. In diesem Prozess sind viele vertragliche und juristische Themen zu behandeln bis hin zu Bewertungsfragen. Das braucht Zeit.- Befürchten Sie, dass der in China feststellbare Preisdruck auf Europa oder die USA überschwappen könnte?Ich glaube, das sind ganz unterschiedliche Märkte mit unterschiedlichen Strukturen. Europa ist ein sehr reifer Markt mit einem etablierten und hohen Premiumanteil. Wir haben in den USA einen sehr dynamischen Markt mit geringerer Markenloyalität und hoher Wettbewerbsintensität. Ich glaube, dass wir eher das Marktgefüge Nordamerikas in China sehen werden.- Wie bewerten Sie die Krisenmärkte Russland und Brasilien?Beide Märkte bleiben bei Audi in der strategischen Ausrichtung ganz vorne. Wir sind der Überzeugung, dass beide Märkte langfristig enorme Potenziale haben. In Russland hat uns der Rubelverfall zu schaffen gemacht. Aber wir gehen damit professionell und mit langfristiger Perspektive um.- Und Brasilien?Die brasilianische Volkswirtschaft ist sehr instabil, für die Regierung ist die Lage zudem politisch nicht einfach. Und damit fehlt meines Erachtens dem Land im Moment die Zuversicht, die man braucht, um zu konsumieren und zu investieren. Wenn die zurückkehrt, ist Brasilien binnen sechs Monaten wieder auf einem ganz anderen Niveau. Das kennen wir aus der Vergangenheit. Deshalb halten wir an unseren Investitionsplänen fest. Wir sind aktuell Premium-Marktführer in Brasilien mit zweistelligem Wachstum. Das Segment ist vom Abschwung deutlich weniger betroffen als der Massenmarkt.- Gibt es bei Audi auch einen Generalplan zum Thema Digitalisierung?Natürlich, aber wir hängen das nicht an die große Glocke. Wir stehen vor einem enormen Transformationsprozess in der Branche, aber auch bei uns im Unternehmen. Ich fühle mich mit all unseren seit Jahren laufenden Aktivitäten in diesem Thema sehr gut.- Der Erwerb der digitalen Kartendienste von Nokia kam ja gemeinsam mit BMW und Daimler zustande. Sind weitere gemeinsame Transaktionen denkbar?Wir drei Premiummarken haben mit dem Entschluss, Here zu erwerben, bewiesen, dass wir sehr schnell, unkompliziert und mit Start-up-Mentalität handeln können, wenn das nötig ist. Wenn es weitere solcher Themen geben sollte, könnte ich mir durchaus vorstellen, wieder so zu handeln. Das ist aus strategischer Sicht ein guter Schritt gewesen.—-Das Interview führten Stefan Kroneck und Peter Olsen.