Audi verschwindet von der Börse
Volkswagen ordnet das Verhältnis zu ihrer Tochter Audi neu. Unter der Regie von CEO Herbert Diess erhält der Ingolstädter Autohersteller im Mehrmarkenkonzern die Kernkompetenz für Forschung und Entwicklung, verliert aber seinen letzten Rest an Eigenständigkeit. VW drängt die Minderheitsaktionäre hinaus. sck München – Im Rahmen der Neuzuteilung von Schlüsselaufgaben hat Volkswagen ihre Tochter Audi aufgewertet. Der Wolfsburger Mutterkonzern bündelt seine Forschung und Entwicklung beim Ingolstädter Autohersteller. Zugleich soll nach den Plänen von VW-Chef Herbert Diess auch der Konzernteil für die Entwicklung des künftigen Auto-Softwarebetriebssystems seinen organisatorischen Schwerpunkt bei Audi haben. Diess begründete diesen Schritt mit der “hohen Veränderungsdynamik” in der Branche. Daher müsse VW ihre Kräfte bündeln. Audi selbst schreibt von einer “optimalen Aufstellung und effektiven Strukturen”.Die neue Struktur tritt in Kraft, wenn der designierte Audi-CEO Markus Duesmann Anfang April seinen Posten antritt. Der frühere BMW-Vorstand übernimmt die Aufgaben von Bram Schot. Der Niederländer folgte in dieser Position im Juni 2018 auf Rupert Stadler. Der frühere langjährige Vorstandschef von Audi kam wegen der aufgedeckten Dieselmanipulationen zeitweilig in Untersuchungshaft und musste später das Unternehmen verlassen. Diess holte Duesmann zum VW-Konzern. Duesmann soll Audi nach der Diesel-Krise wieder zu neuem Glanz verhelfen.Mit dieser Neuordnung sind derweil die Tage von Audi an der Börse gezählt. Wie beim Nutzfahrzeughersteller MAN will VW die Minderheitsaktionäre der Tochter aus Oberbayern in einem sogenannten Squeeze-out-Verfahren aus dem Unternehmen hinausdrängen. Ein solcher Schritt ist die Voraussetzung für ein Delisting des Unternehmens.Über die Höhe eines dafür notwendigen Barabfindungsangebots machte VW noch keine Angaben. Das Dax-Mitglied hält 99,64 % des in 43 Millionen Stückaktien aufgeteilten Grundkapitals der Audi AG. Die verbliebenen freien Anteilseigner halten 0,36 %. Das entspricht 0,15 Millionen Titeln. 42 Mrd. Euro MarktwertAudi ist derzeit am Markt über 42 Mrd. Euro wert. Nach der Konzernmitteilung vom Freitagabend sprang die Audi-Aktie am Montag bei geringen Handelsumsätzen auf bis zu 1 000 Euro und beendete den Xetra-Handel bei 980 Euro (+20,7 %). Der Anteil der restlichen Aktionäre kommt damit auf eine Bewertung von insgesamt 152 Mill. Euro. Zusammen mit MAN wären es rund 400 Mill. Euro, die VW voraussichtlich für beide Barabfindungen berappen müsste.Über ein Hinausdrängen der übrigen Audi-Aktionäre wurde bereits wiederholt spekuliert. Im Zuge der Dieselabgasmanipulationen kamen zeitweilig Gerüchte auf, dass VW Audi-Anteile verkaufen könnte, um mit den Erlösen Strafen im Zusammenhang mit dem Betrug zahlen zu können. Dies beglich VW aber aus dem Cash-flow. Die Affäre kostete VW bislang über 30 Mrd. Euro.Mit einem Delisting endet die Ära der Börsennotierung von Audi. Das Unternehmen blickt auf eine lange Börsengeschichte zurück. Das Vorgängerunternehmen NSU war bereits vor dem Einstieg in die Automobilbranche – in den Jahren 1888/89 – börsennotiert. Im Zuge der Fusion mit den NSU Motorenwerken zur Audi NSU Auto Union AG 1969 wurde die Marke Audi prägender Bestandteil von Volkswagen. Der Wolfsburger Autokonzern hatte zwischen 1964 und 1969 die Auto Union mehrheitlich übernommen. Audi stieg vor 20 Jahren zur Premiummarke von VW auf, die zunehmend Daimler und BMW Konkurrenz machte. Der im September 2015 aufgedeckte Dieselabgasbetrug warf den Konzern aber deutlich zurück. Audi sackte in der Profitabilität ab. Der langjährige Vorstandschef Rupert Stadler musste gehen. Unter dem Vertriebsmanager Schot wagte Audi einen Neuanfang. AG bleibt bestehenMit einem Delisting von Audi spart VW künftig unter anderem Kosten für Hauptversammlungen und Pflichtpublikationen der Tochtergesellschaft. In einer Pressemitteilung legt Audi Wert auf die Feststellung, dass das Unternehmen eine Aktiengesellschaft bleibt. “Sie behält damit eine kapitalmarktfähige Rechtsform, und die Mitbestimmung der Beschäftigten bleibt unangetastet.” – Kommentar Seite 1