Auf den neuen Audi-Chef kommt es an

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 17.7.2020 Mitte Januar zog Volkswagen-Chef Herbert Diess in einem Global Board Meeting die Entwicklung des Aktienkurses von Tesla heran, um die Führungskräfte des weltgrößten Fahrzeugbauers nach einem...

Auf den neuen Audi-Chef kommt es an

Von Carsten Steevens, HamburgMitte Januar zog Volkswagen-Chef Herbert Diess in einem Global Board Meeting die Entwicklung des Aktienkurses von Tesla heran, um die Führungskräfte des weltgrößten Fahrzeugbauers nach einem neuerlichen Jahr mit Bestmarken bei Auslieferungen, Umsätzen und operativen Ergebnissen abermals auf mehr Tempo beim Wandel in Richtung Zukunftstechnologien einzuschwören. Der US-Elektroautopionier, der geringe Stückzahlen produziert und dessen Gewinnhistorie kurz ist, werde wie ein Tech-Unternehmen bewertet, begründete Diess den Umstand, dass Tesla in der Marktkapitalisierung fast gleichauf liege. Branchenschreck Tesla Seitdem hat sich der Börsenwert des Branchenschrecks aus Kalifornien auf fast 300 Mrd. Dollar mehr als verdreifacht. Inzwischen ist Tesla deutlich mehr wert als Volkswagen, BMW und Daimler zusammen und auch vor Toyota der am höchsten gehandelte Autohersteller der Welt. Von welcher Dauer der aktuelle Börsen-Hype um das Unternehmen sein wird, ist offen. Für die großen Autokonzerne erhöht sich aber der Druck, den Vorsprung Teslas insbesondere im Softwarebereich zu verringern und den Auf- und Ausbau von Kompetenzen für die Entwicklung eigener Betriebssysteme, bei neuen Elektronikarchitekturen oder der Fahrzeugvernetzung mit der Daten-Cloud zu forcieren.Wie viel Arbeit dabei noch vor den Anbietern der alten Automobilwelt liegt, verdeutlichten in den vergangenen Monaten nicht zuletzt die IT-Probleme von Volkswagen beim Anlauf der neuen Golf-Generation und des Elektro-Hoffnungsträgers ID.3. Kritisch für die Wolfsburger, die sich mit Blick auf den Wandel des Autos zum massentauglichen Internet-Device besonders bemühen müssen, attraktiv genug zu sein für die benötigten Softwareentwickler. Volkswagen müsse jetzt Agilität und Reaktionsfähigkeit zeigen, forderte der Konzernchef zu Beginn des Jahres, um dann zu warnen, dass es neben Schnelligkeit vor allem an Mut zu kraftvollem, wenn es sein müsse radikalem Umsteuern fehle. Zerreißproben Seitdem unterstreichen eskalierte Spannungen zwischen Arbeitnehmervertretern und dem Antreiber Diess, ein knapp vermiedener Sturz des nun in seiner Macht beschnittenen Vorstandsvorsitzenden sowie zumindest nach außen hin überraschende Ablösungen zweier Konzernvorstände und weiterer Spitzenmanager das Bild eines schwer beweglichen Zwölfmarkenunternehmens. Es ist kaum davon auszugehen, dass die Zerreißproben im Konzern enden werden, auch wenn nun (wieder einmal) eine neue Harmonie zwischen Diess und Betriebsratschef Bernd Osterloh herrschen soll – zwischen zwei Alphatieren, die sich angeblich noch vor kurzem gegenseitig nicht über den Weg trauten.An der Spitze von Volkswagen steht ein geschwächter Tempomacher. Diese Schwächung müssen die jüngsten personellen Veränderungen auf den Führungsebenen kompensieren – davon hängt nicht zuletzt die Glaubwürdigkeit von VW am Aktienmarkt und als Arbeitgeber ab. Besondere Verantwortung wird dabei dem neuen Audi-Chef Markus Duesmann zukommen. Mit dem Hightech-Projekt “Artemis” soll es der nach dem Dieselskandal angeschlagenen Premiummarke in den kommenden Jahren gelingen, verloren gegangenen Boden in der technologischen Entwicklung gutzumachen und rund um das elektrische, hoch automatisierte Fahren Jagd auf Tesla zu machen. Sichtbare Fortschritte in der Börsenbewertung von VW werden wesentlich davon abhängen, inwieweit es der Diess-Vertraute in den nächsten Jahren schaffen wird, als zuständiger Vorstand mit dem Kernthema Software zu reüssieren.—— Für Fortschritte in der Börsenbewertung muss VW beim Kernthema Software reüssieren.——