Auf den Werft-Friedhöfen wird es eng
Von Gottfried Mehner, HamburgIn Hamburg läuft derzeit die Schiffbaumesse SMM. Rund 2 100 Hersteller treten an, so viele wie noch nie. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler betonte bei der Eröffnung der Messe, dass die maritime Wirtschaft eine Zukunftsbranche sei. Das mag im Bereich der Offshore-Windenergie zutreffen. Aber die Insolvenz der P + S Werften, bei der 1 800 Jobs auf dem Spiel stehen, spricht eine andere Sprache.Die Bilder sind noch frisch: Zwei von Scandlines beauftragte Fährschiffe dümpeln halbfertig vor dem P + S-Werfthangar, auf dem noch der alte Name “Volkswerft Stralsund” prangt. Diese Werft hat in den vergangenen Jahren so viele Eignerwechsel und Umschuldungen hinter sich, dass sich das Umpinseln der Namen schon gar nicht mehr lohnte.Man könnte sowieso einen fatalistischen Standpunkt einnehmen und darauf hoffen, dass am Ende der vielen Umschuldungsketten der Letzte die Werft so billig bekommt, dass sich das Weitermachen wieder rechnet. Abu Dhabi Mar, die bereits den zivilen Teil von HDW in Kiel Gaarden und die Werft Nobiskrug am Nord-Ostsee-Kanal übernommen hat, signalisierte auch Interesse, in Stralsund und Wolgast einzusteigen. Auch ThyssenKrupp hatte bekanntlich zwei Jahre lang mit Abu Dhabi Mar über die Abgabe des Handelsschiffbaus von Blohm + Voss in Hamburg verhandelt. Die Verhandlungen waren jedoch gescheitert, und es wurde an den Finanzinvestor “Star Capital Partners” verkauft.An der Küste grassiert das Werftsterben. Zuletzt wurde die Hamburger J.J. Sietas Werft und davor die Kieler Lindenau Werft dahingerafft. Der Werft-Friedhof wird immer voller.Dem deutschen Schiffbau geht es grottenschlecht. Wettbewerber aus Asien und speziell aus China können um 30 % günstiger anbieten. Im Weltschiffbau ist China mit einem Anteil von über 36 % im Container-, Bulker- und Tankerbau inzwischen die alles dominierende Größe. Und, ganz wichtig, nachdem die HSH Nordbank und die Commerzbank die Segel gestrichen haben, China kann auch die Finanzierung bereitstellen.Das Reich der Mitte gräbt sich tief in das Geschäft der etablierten Schiffbaunationen Korea und Japan ein, die zuletzt auf Anteile von 29 bzw. 19 % kamen. Diese Länder weichen fast zwangsläufig auf den Spezialschiffbau aus, in dem auch die deutschen Schiffbauer überleben wollen.Dass das gründlich schiefgehen kann, zeigt nicht zuletzt die Misere der P + S Werften. Spezialschiffbau, das umfasst Kreuzfahrtschiffe, Ro-Ro-Frachter, den Offshore-Bereich etwa mit Errichterschiffen für Meereswindanlagen oder auch Fähren. Eigentlich wäre es sinnvoll, über Massedarlehen die beiden halbfertigen P + S-Fähren zu Ende zu bauen. Nur die Werft hat es irgendwie fertig gekriegt, diese Fährschiffe um 700 Tonnen zu schwer zu bauen. Das heißt nichts anderes, als dass diese kombinierten Personen- und Autofähren rund 700 Fahrzeuge weniger an Bord nehmen können. Ein einziges Desaster. Das führt dazu, dass diese Neubauten nicht wirtschaftlich auf der geplanten Route Rostock-Gedser eingesetzt werden können.Der Imageschaden für den deutschen Werftbau ist gigantisch. Für die “Royal Arctic Line” sollte P + S fünf Schiffe und für die dänische Reederei DFDS zwei Ro-Ro-Schiffe bauen. Die Insolvenz wirft sämtliche Pläne durcheinander. Nur, Schadenersatz kann bei einer zahlungsunfähigen Werft nur geholt werden, wenn die Bürgschaften des Landes Mecklenburg-Vorpommern wirksam werden. Das Desaster strahlt übrigens auch auf die Nord/LB aus, die ihre Vorsorgen für Schiffskredite vervierfachen musste. Das alles belegt, dass der Spezialschiffbau für schon angeschlagene Werften keine Option ist.Einen besseren Ruf hat Deutschland noch beim Bau von Luxusyachten. Dort wird nicht auf den Preis geschaut. In diesem Bereich sind sowohl die Star Capital Partners als auch Lürßen aus Bremen erfolgreich unterwegs.Überlebenswichtig waren auch schon früher Aufträge für die Marine. Diese stellten eine Art Mindestauslastung sicher. Aber das Spardiktat der Länder wirkt sich auch in diesem Bereich aus. Bleibt das Reparaturgeschäft. Aber Kollisionen oder Lecks nach Grundberührungen sind selten und damit auch die entsprechenden Aufträge.Den Druck aus Fernost spürt zunehmend auch die deutsche Paradewerft Meyer in Papenburg. Auf sie entfallen rund 75 % des gesamten deutschen Auftragsbestandes. Sie verlor kürzlich das Rennen um zwei neue Kreuzfahrer an Mitsubishi Heavy Industry, weil die um 150 Mill. Dollar billiger angeboten hatte.Schiffbau ist primär kein Thema der Küste. Wenn in Papenburg ein Luxusliner die Werft verlässt, beträgt die Eigenleistung gerade mal 25 %. Der Rest sind Fremdleistungen von rund 2 000 Zulieferern, die häufig im Süden sitzen.Deutsche Werften sind im Wettbewerb vor allem durch hohe Gemeinkosten, die Wechselkurse und höhere Stahlpreise als in Asien gehandikapt. Diese Nachteile müssen sie durch mehr Innovationen, höhere Qualität und eine steigende Produktivität mildern. Innovationen bei Antrieben sind bei der SMM-Messe ein großes Thema. Bei den Total Cost of Ownership sind die Treibstoffkosten der größte Kostenblock. Auch auf See steigen die Umweltanforderungen. Es gibt Überlegungen für Gas- oder Batterieantriebe. Das ist Zukunftsmusik. Mögliche Aufträge werden für viele halb tote Werften zu spät kommen.