Auf Immobiliensektor kommt Refinanzierungswelle zu
Auf Immobiliensektor kommt Refinanzierungswelle zu
Volumen fälliger Bonds steigt in den nächsten Jahren kräftig – Branche fokussiert sich auf Schuldenabbau – Zahlungsausfälle nehmen zu
hek Frankfurt
Europäische Immobilienkonzerne stehen vor einem sprunghaften Anstieg des Finanzbedarfs durch auslaufende Anleihen. In den kommenden drei Jahren müssen nach Angaben der Ratinggesellschaft Scope mehr als 120 Mrd. Euro refinanziert werden – signifikant mehr als zuvor. Allein in den Jahren 2025 und 2026 stehen 44 Mrd. bzw. 45 Mrd. Euro zur Rückzahlung an – jeweils knapp doppelt so viel wie 2022 mit 24 Mrd. Euro.
Der rapide Zinsanstieg setzt die Immobilienbranche weltweit unter Druck. Neue Finanzierungen haben sich massiv verteuert. Parallel sinken vielfach die Assetbewertungen. Die Wertminderungen schmälern das Eigenkapital und treiben den Verschuldungsgrad, gemessen am Immobilienvermögen, nach oben. Hinzu kommen langfristig hohe Investitionserfordernisse, um den CO2-Ausstoß von Gebäuden zu senken und den Bestand nachhaltig zu machen. Der Abbau von Fremdkapital durch Assetverkäufe sei für die meisten Emittenten unerlässlich, um die Erwartungen der Gläubiger an eine risikoärmere Bilanz zu erfüllen, stellt Philipp Wass fest, Managing Director Corporate Ratings.
Teufelskreis droht
Der Analyst warnt aber vor einem "potenziellen Teufelskreis". Er verweist auf die Gefahr, dass Verkäufe nur zu Bewertungen möglich sind, die unter den letzten Schätzungen liegen. Das führe zu einem starken Rückgang der Vermögenswerte und schwäche die Bilanzen weiter.
Laut dem Datenanbieter Bloomberg werden 2023 insgesamt 28 Mrd. und 2024 dann 32 Mrd. Euro Kapitalmarktfinanzierungen europäischer Immobilienunternehmen fällig. In den beiden Folgejahren nimmt der Refinanzierungsbedarf weiter zu und geht dann tendenziell zurück.
Scope geht davon aus, dass die Kreditaussichten zunehmend divergieren werden zwischen Unternehmen mit robusten Geschäftsmodellen, gutem Marktzugang, qualitativ hochwertigen Vermögenswerten sowie geringem Verschuldungsgrad und solchen, denen diese Eigenschaften fehlen. Für diese Firmen sei der Kreditausblick negativ.
Die meisten Emittenten konzentrieren sich laut Wass auf den Verkauf von Vermögenswerten, um Liquidität für anstehende Tilgungen aufzubauen. Mehrere Konzerne haben ihre Bilanz auch durch einen Rückkauf von Bonds mit Abschlägen auf den Nennwert entlastet. So hat der Wohnungsriese Vonovia im Juli eigene Anleihen im Nominalwert von 1,0 Mrd. Euro erworben. Der Immobilienkonzern Aroundtown gab Ende August bekannt, dass im bisherigen Jahresverlauf Bonds im Wert von 1,3 Mrd. Euro zurückgekauft wurden. Fastighets AB Balder und Heimstaden Bostad aus Schweden haben ebenfalls diesen Weg beschritten.
Besicherte Darlehn statt Bonds
Außerdem ersetzen Unternehmen unbesicherte Bonds durch besicherte Bankkredite oder greifen auf subventionierte Kredite für grüne Projekte zurück. "Die Banken werden ihre Kreditvergabe an den Immobiliensektor jedoch nicht unbegrenzt ausweiten", warnt Wass. Daher müsse der Sektor nach anderen Finanzierungsformen suchen.
Einige Emittenten seien an den Kapitalmarkt zurückgekehrt, aber die Ausgabe neuer Anleihen sei sehr viel teurer als vor 18 Monaten. Angesichts der begrenzten Möglichkeiten, den Fremdkapitalanteil zu verringern oder auf besicherte Finanzierungen umzusteigen, werden laut Wass manche Unternehmen gezwungen sein, auf hochpreisige Kapitalmarkt- oder Mezzanine-Finanzierungen zurückzugreifen und/oder letztendlich Eigenkapital zu emittieren. Die Folge seien zunehmende Unterschiede in den Kapitalkosten der einzelnen Firmen. Auf dem Vormarsch seien alternative Kreditgeber. Ihre Vorteile seien die schnelle Abwicklung und Finanzierungsbedingungen, die eine höhere Hebelwirkung zuließen.
Notverkäufe dürften zunehmen
Die Zinsstrukturkurven deuten laut Wass darauf hin, dass die Zinsen über längere Zeit hoch bleiben werden. Außerdem stimmt der Ratingexperte die Marktteilnehmer auf weitere Bewertungsrückgänge ein. Die Wertverluste beträfen vor allem Büros und Wohnungen. Die Qualität der Vermögenswerte werde größeren Einfluss auf die Entwicklung der Verschuldung nehmen. Scope rechnet mit mehr Verkäufen notleidender Assets, die zu einer massiven Neubewertung führen würden, insbesondere von älteren, nicht ESG-konformen Immobilien.
Einige Unternehmen hätten keinerlei Zugang zu externem Kapital mehr. Daher mehren sich Zahlungsausfälle, insbesondere von Wohnungsbaufirmen und gewerblichen Bauträgern, die aufgrund der stark gesunkenen Nachfrage mit Liquiditätsengpässen kämpfen.
Die Zinswende verteuert Immobilienkredite massiv und setzt die Bewertungen unter Druck. Hinzu kommt der sprunghafte Anstieg des Finanzbedarfs durch auslaufende Anleihen. 2024 bis 2026 müssen europäische Immobilienfirmen mehr als 120 Mrd. Euro zurückzahlen – gut doppelt so viel wie in den vergangenen drei Jahren.
Wertberichtigt Seite 2Mehr zum Thema: Kurzkommentar https://www.boersen-zeitung.de/meinung-analyse/immobilienfirmen-erhalten-rechnung-fuer-die-sause