IM BLICKFELD

Auf Schnäppchenjagd im Vereinigten Königreich

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 26.7.2016 Die Abwertung des britischen Pfunds nach dem Volksentscheid für den EU-Austritt und die vergleichsweise schwache Kursentwicklung am Aktienmarkt hat börsennotierte Unternehmen aus dem Vereinigten...

Auf Schnäppchenjagd im Vereinigten Königreich

Von Andreas Hippin, LondonDie Abwertung des britischen Pfunds nach dem Volksentscheid für den EU-Austritt und die vergleichsweise schwache Kursentwicklung am Aktienmarkt hat börsennotierte Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich für ausländische Käufer attraktiver gemacht. Das Angebot der japanischen Softbank für den Chipdesigner ARM Holdings erinnerte viele enttäuschte Bremainians in der City of London daran, dass sich die Welt auch nach dem Brexit weiterdrehen wird. Vodafone wird wieder als möglicher Zukauf für Liberty Global gesehen. Zunächst war die M & A-Aktivität Bankern und Anwälten zufolge zum Erliegen gekommen. “In dem Monat nach dem Referendum haben wir eine deutliche Verlangsamung beobachtet”, sagte etwa Simon Jay, Partner der Kanzlei Cleary Gottlieb in London, der Börsen-Zeitung. “Jetzt herrscht Unsicherheit. Ich glaube, dass wir nicht vor Herbst wissen werden, ob sich die Dinge wieder der Normalität annähern werden.” Schnelle Entschlüsse seien im derzeitigen Umfeld eher nicht angezeigt, sagte ein führender Investmentbanker, der nicht namentlich genannt werden wollte. Firmen falle es schwer, strategische Entscheidungen zu fällen.Im vergangenen Jahr war das Volumen der Übernahmen britischer Firmen durch Unternehmen aus der EU den Daten von Dealogic zufolge auf den Rekordwert von 206 (i.V. 12) Mrd. Dollar gestiegen. Das war knapp die Hälfte des gesamten M&A-Volumens mit Ziel im Vereinigten Königreich. Große Deals wie der 117 Mrd. Dollar schwere Kauf von SABMiller durch Anheuser-Busch Inbev oder der Erwerb der BG Group durch Royal Dutch Shell für 66 Mrd. Dollar verzerrten das Bild. In Großbritannien findet M & A für gewöhnlich in erster Linie unter Mittelständlern statt. Im laufenden Jahr summieren sich die Transaktionen mit Käufern aus der EU schon im April auf 15,3 Mrd. Dollar – weniger als in den ersten Monaten des Rekordjahres 2016, aber bereits mehr als im Gesamtjahr 2014. Das Angebot des MDax-Möbelimperiums Steinhoff für den Discounter Poundland gehört schon zu den größeren Deals. Hoffen auf ChinaLiberum Capital hat sich die Bewertungen britischer Firmen vorgenommen. Banken, Hausbau- und Immobiliengesellschaften litten demnach am meisten unter dem Votum für den Brexit. Aber auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Industrieunternehmen, professionellen Dienstleistern, Medienunternehmen und sonstigen Finanzdienstleistern bewegt sich unter dem Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre. Das schwache Pfund und das mittlerweile klarere politische Bild dürften für eine Zunahme der M & A-Aktivität sorgen, schreiben die Liberum-Analysten Sebastian Jory und James Ashley. Seit 2001 habe das Volumen der Transaktionen im Schnitt bei 3 % des Börsenwerts des Gesamtmarkts gelegen. So gesehen gibt es noch reichlich Potenzial nach oben. Liberum hofft insbesondere auf chinesische Käufer. Für die Volksrepublik, der eine weitere Abwertung des Renminbi ins Haus stehen dürfte, ist der Erwerb von Assets im Ausland hochinteressant.Zu den von der Bank identifizierten möglichen Übernahmezielen gehört der Fernsehsender ITV. Nicht nur traditionelle Medienunternehmen aus den Vereinigten Staaten interessierten sich für den britischen Markt, sondern auch die neuen Medien und Technologiefirmen. “Wir glauben zum Beispiel, dass mehrere US-Internetriesen bei der zurückliegenden Auktion der Übertragungsrechte für die Premier League mitgeboten haben”, heißt es in der Studie.Für Länder, die auch in Zukunft Öl und Gas importieren müssen, seien kleinere Öl- und Gasproduzenten wie Tullow, Premier, Ophir und Genel interessant. Käufer dürften darauf achten, dass weder Regulierer noch nationale Sicherheitsinteressen für Irritationen sorgen. Die genannten Gesellschaften seien klein genug, um die Frage der Kontrolle nicht zum politischen Problem werden zu lassen. Die Finanzierung eines Kaufs sollte kein Problem sein. Neu erschlossene Felder sollten in den kommenden Jahren für wachsende Produktionsmengen sorgen. Entwicklungsvorhaben von Tullow, Ophir und Genel könnten chinesischen Baufirmen offenstehen.Aus Sicht von Liberum gibt es auch bei den börsennotierten Immobiliengesellschaften potenzielle Übernahmekandidaten. Die “Property Week” berichtete jüngst, dass ein nahöstliches Konsortium den Kurseinbruch bei Real Estate Investment Trusts (Reits) dazu nutzen wolle, eine Gesellschaft aus der zweiten Reihe zu übernehmen. Die Investmentboutique rechnet dazu Unternehmen wie Derwent London und Great Portland Estates. Besonders attraktiv sei das Portfolio von Shaftesbury, deren Objekte im Londoner West End liegen – etwa rund um die Carnaby Street. Das schwache Pfund dürfte mehr Touristen anziehen, die ihr Geld bei den Restaurants und Einzelhändlern ausgeben, die ihre Verkaufsflächen von Shaftesbury mieten. Noch vor dem Referendum hatte sich der Hongkong-Milliardär Tak Lee mit mehr als 5 % eingekauft.Natürlich ist eine schwache Währung allein kein Grund, ein Unternehmen zu kaufen. Allerdings zeichnet sich das Ende des aktuellen Konjunkturzyklus ab. Wachstum ist für viele Firmen nur noch durch Zukäufe möglich. Und um die Finanzierung müssen sich Kaufinteressenten angesichts der von den Zentralbanken ausgelösten Geldschwemme keine Sorgen machen.