IM GESPRÄCH: MICHAEL SCHMIDT UND TIMO BUSCH

"Auf Unternehmen kommt größere Eigenverantwortung zu"

Ethische Investments im Trend - Knackpunkte sind klare Standards bei der Emissionsmessung - Daten müssen relevant für Geschäftsmodell sein

"Auf Unternehmen kommt größere Eigenverantwortung zu"

Von Sebastian Schmid, Frankfurt Grüne Investments sind en vogue. Denn Green Bonds verleihen Unternehmen längst nicht mehr nur ein positives Image. Sie können auch helfen, die Finanzierungskosten deutlich zu reduzieren. Als Mann + Hummel im Oktober 2017 ihren ersten grünen Schuldschein begab, wurden mit 400 Mill. Euro nicht nur 150 Mill. Euro mehr eingesammelt als ursprünglich avisiert. Die Verzinsung der verschiedenen Tranchen lag auch jeweils am unteren Ende der Vermarktungsspanne. Eine wachsende Zahl institutioneller Investoren legt Wert auf ethische Investments und klimaneutrale Anleihen oder Aktien von Unternehmen, die auf ihren Emissionsausstoß achten und diesen verringern wollen, passen da in das Anforderungsprofil.Doch wie kann ein Unternehmen seinen Investoren sicher nachweisen, dass es grün(er) wirtschaftet? Eine schwierige Aufgabe, wie der Hamburger Professor Timo Busch, der bereits Schätzverfahren zur Emissionsermittlung für Unternehmen mitentwickelt hat, sowie Deka-Manager Michael Schmidt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung berichten. Die Universität Hamburg hat in einer Studie festgestellt, dass die Baustellen vor einer verlässlichen Berichterstattung zur Emissionsentwicklung bei Unternehmen noch zahlreich sind.”Eine klare Anforderung an die Emissionsberichtertstattung ist Transparenz”, sagt Busch. “Als Laie können Sie ein solches Schätzverfahren nicht beurteilen.” Ohne Schätzdaten, da ist sich Busch sicher, wird man auch in Zukunft nicht auskommen. Umso wichtiger sei eine Erklärung, “wie man zu den ausgewiesenen Schätzdaten gekommen ist”. Es brauche ganz klar eine stärkere Standardisierung. Als Beispiel nannte Busch etwa BMW. Der Autobauer verwende unterschiedliche Standards für unterschiedliche Berichtszwecke.Im eigenen Nachhaltigkeitsbericht werde der internationale Standard Greenhouse Gas Protocol angewandt, um sogenannte Scope-2-Emissionen zu bestimmen. Bei diesen handelt es sich um die Emissionen aus der Erzeugung des eingekauften Stroms. Scope-1-Emissionen beziehen sich auf die direkten Emissionen im Unternehmen selbst, bei Scope 3 werden vorgelagerte und nachgelagerte Emissionen – also etwa bei Zulieferern und Kunden – erfasst. Im Carbon Disclosure Project gebe BMW derweil eine andere Zahl zu den eigenen Scope-2-Emissionen heraus, die auf einer anderen Berechnungsweise basiere und dreifach höher ausfalle. Das müsse nicht bedeuten, dass die eine oder andere Berechnungsweise besser sei, aber die Datenlage werde durch ein solches Vorgehen nicht besser. “Für Investoren ist der Ausweis nach verschiedenen Berechnungsmethoden einfach nur verwirrend”, ergänzt Michael Schmidt, der bei der Deka den Bereich Asset Servicing & Alternative Investments leitet.”In der Studie der Universität Hamburg hat sich herausgestellt, dass bei geschätzten CO2-Daten zum Teil nicht einmal die Richtung der Entwicklung über die Zeit stimmt.” Bei berichteten Daten sei das zwar schon etwas besser. Wenn aber unterschiedliche Daten berichtet werden, macht es das mit der Einschätzung nicht leichter. Üblicherweise gehe es bei der Bewertung der CO2-Daten um die Risikobewertung. “Wie soll die verlässlich erfolgen, wenn kein Vertrauen in die Datenbasis besteht?”Es zähle nicht die Menge der berichteten Daten, sondern deren Qualität. Die Daten müssen relevant sein für das Geschäftsmodell. In dem Zusammenhang braucht es nicht nur eine historische Betrachtung der vergangenen Jahre, sondern auch vorausschauende Szenarien. Deshalb unterstütze die Deka auch die TCFD (“Task Force on Climate-related Financial Disclosures”), der Milliardär Michael Bloomberg, der ehemalige Bürgermeister von New York, vorsitzt. Zu den Unterstützern der vor knapp drei Jahren gegründeten Task Force zählen neben der Deka, J.P. Morgan, BNP Paribas, BlackRock, Swiss Re, UBS viele weitere Finanzdienstleister.Laut Schmidt ist die klassische Ausbildung für Portfoliomanager und Analysten, insbesondere im Studium, noch zu wenig breit aufgestellt, um Nachhaltigkeitsaspekte und Emissionsthemen umfangreich zu erfassen. Da müsse sicher noch einiges passieren. Das gelte allerdings auch auf der Anwendungsseite. So müssten Nachhaltigkeitsziele in der Vergütungspolitik stärker berücksichtigt werden. Da sei aber der Aufsichtsrat in der Pflicht, der beim Verständnis von Nachhaltigkeit bisweilen noch Nachholbedarf habe. Allerdings sei man derzeit auch noch in einer Übergangsphase. Es beginne gerade erst die Phase, in der Emissionsdaten in den Unternehmen richtig ernst genommen werden. “Am Abgasskandal hat man gut erkennen können, dass zu Anfang noch kein angemessenes Risikobewusstsein bei den Autobauern vorhanden war”, erklärt Busch. “Das sieht jetzt natürlich deutlich anders aus.”Die Unsicherheit um die Rahmenbedingungen durch die wechselnde Haltung der USA zum Thema Klimaschutz und sich ändernder Rahmenbedingungen bedeute keinesfalls, dass Unternehmen abwarten könnten. “In so einer unsicheren Gemengelage kommt den Unternehmen eine größere Eigenverantwortung bei der Positionierung zu Nachhaltigkeitsthemen zu”, ist Schmidt überzeugt. “Es reicht nicht mehr, zu sagen, das ist aber Recht und Gesetz. Eine solche Haltung kann nach hinten losgehen – bei Verbrauchern, der Politik aber auch Investoren. Das sehen wir immer häufiger. Unternehmen brauchen ihren eigenen moralischen Kompass.”