Aufspaltung bei RWE noch nicht vom Tisch
RWE schließt wegen der fallenden Strom-Großhandelspreise die Möglichkeit einer Aufspaltung des Konzerns nicht aus. Das machte Vorstandschef Peter Terium vor Journalisten in Dubai deutlich. Dem Versorger machen die Einbußen im Geschäft seiner Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke immer mehr zu schaffen.Von Andreas Heitker, zzt. DubaiAngesichts des weiter sinkenden Strom-Großhandelspreises rückt eine Trennung von der Kraftwerkssparte beim Energieversorger RWE wieder in den Fokus. “Wir haben bislang gesagt, dass wir keine Abspaltung des Erzeugungsgeschäfts wollen, uns die Option aber offenhalten, wenn sich die Situation noch weiter verschlechtern sollte”, bemerkte Vorstandschef Peter Terium vor Journalisten in Dubai. “Mittlerweile liegt der Strompreis nur noch bei 28 Euro je Megawattstunde. So langsam wird es spannend.” Konkreter wurde Terium bei diesem Thema nicht. Er sieht RWE vom jüngsten Rutsch bei den Strompreisen aber besonders getroffen, da dieser auch mit niedrigeren Steinkohlepreisen zusammenhängt. An den Margen der Steinkohleverstromer habe sich damit nicht viel verändert – anders als bei den Betreibern von Braunkohle-, Gas- oder Atomkraftwerken. Nach Einschätzung von Terium hätte RWE den Tiefpunkt der aktuellen Krise ohnehin schon längst durchschritten und wäre wieder auf Wachstumskurs, wären die Stromnotierungen in den vergangenen Monaten nicht auf das heutige Niedrigniveau gesunken. “Das Tal der Tränen hätte schon durchschritten sein können, wenn nicht der Strompreis noch weiter unter Druck gekommen wäre.” Eigenkapital-ProblemIm Gegensatz zu Eon hatte RWE in der Vergangenheit stets betont, auch künftig die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und damit an der konventionellen Stromerzeugung und am Energiehandel festhalten zu wollen – auch wenn diese nicht zu den Wachstumsgeschäften gehören. “RWE wird mittelfristig ein Unternehmen sein mit einem Umsatz von 40 bis 50 Mrd. Euro, einem Betriebsergebnis auf dem heutigen Niveau von rund 4 Mrd. Euro und einem Nettoergebnis von etwa 1 Mrd. Euro. Das wird dann ein kerngesundes Unternehmen sein mit dem Hauptfokus auf Netze, Vertrieb und erneuerbare Energien”, sagte der RWE-Chef zu seinen strategischen Planungen.Dass erst vor zwei Wochen Moody’s das Rating von RWE gesenkt hatte, bereitet ihm keine zusätzlichen Kopfschmerzen. Bis zum Ende der Dekade brauche der Konzern kein frisches Geld mehr. Die Finanzierung sei so lange gesichert, betonte Terium, räumte aber zugleich ein, dass der Essener Dax-Konzern nach wie vor ein Eigenkapital-Thema hat. “Unsere Eigenkapitaldecke ist zu gering. Das ist ein Problem.”Helfen würde eine Kapitalerhöhung, die aber auch nach Ansicht von Terium nach dem Einbruch des Aktienkurses in den letzten drei Monaten derzeit keinen Sinn macht. Daher sei auch der diskutierte Einstieg eines arabischen Investors zurzeit vom Tisch. “Wenn sich der Aktienkurs wieder erholen sollte, könnte das grundsätzlich sicherlich noch einmal ein Thema werden. Ausschließen möchte ich da nichts.” Terium äußerte sich in Dubai am Rande der Jahreskonferenz der Desertec-Gesellschaft Dii, zu deren Gesellschaftern RWE nach wie vor gehört. Der Konzern erhofft sich in den kommenden Jahren starkes Wachstum in der MENA-Region, also im Mittleren Osten und Nordafrika. Seit drei Jahren ist RWE mit einem Beratungs-Joint-Venture vor Ort. Seit Anfang 2015 sondiert die neu gegründete RWE New Energy auch den Einstieg in Kraftwerks- und Erneuerbare-Energien-Projekte, unter anderem in Dubai, Abu Dhabi und Ägypten.In der Region werden zurzeit große neue Erzeugungskapazitäten aufgebaut. Experten schätzen diese in den Jahren 2013 bis 2020 im konventionellen Bereich auf 54 Gigawatt und bei Wind und vor allem Solar auf 41 Gigawatt.”Auf riskante Auslandsabenteuer können wir verzichten – das gilt bei uns auch weiterhin”, sagte Vorstandschef Terium mit Blick auf die Pläne des Konzerns in der Region. “Wir werden nicht viel Geld für eine große Akquisition in neuen Märkten in die Hand nehmen.” Es gehe eher um überschaubare Investitionen, zum Beispiel über Joint Ventures. Konkrete Wachstumsziele nannte Terium nicht, sondern betonte lediglich: “Die MENA-Region wird auf Dauer ein Gewinnbringer für den RWE-Konzern sein.”Weiter ist RWE bereits in der Türkei, wo der Konzern im vergangenen Jahr einen Umsatz von knapp 300 Mill. Euro verbucht hat. Seit nunmehr zwei Jahren ist das Gaskraftwerk Denizli am Netz, an dem RWE 70 % und Turcas 30 % hält. Die Erzeugungssituation in diesem Jahr ist allerdings schwierig, was an dem hohen Angebot von Strom aus Wasserkraft liegt, der zudem die Preise in der Türkei unter Druck gesetzt hat. Nach Angaben von Markus Enke, CEO der türkischen Konzerntochter RWE Enerji Toptan Satis, wird die Stromproduktion im Kraftwerk Denizli in diesem Jahr rund 10 % unter Vorjahr bleiben. Das Kraftwerk Denizli schreibe aber keine Verluste, betonte Enke in Dubai im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Die Betriebskosten werden gedeckt.”Den türkischen Markt schätzt Enke weiterhin als sehr attraktiv für RWE ein. Dies gilt auch für die Erzeugung, auch wenn in den vergangenen Jahren viele Versorger neue Kapazitäten im Land aufgebaut haben und das Wirtschaftswachstum zuletzt hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Nach Einschätzung von Experten sind die Erzeugungskapazitäten allein in den letzten vier Jahren in der Türkei um 25 % gestiegen, die Stromnachfrage nur um 10 %. “Wir sehen in den nächsten zwei bis drei Jahren zwar noch Überkapazitäten im Erzeugungsbereich. Danach wird die Nachfrage aber in das Angebot hineinwachsen”, sagte Enke.In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass die Eon-Beteiligung in der Türkei, das Gemeinschaftsunternehmen Enerjisa, drei Wasserkraftwerke verkaufen will. Eine Abgabe der Denizli-Beteiligung kommt nach Angaben von Enke für RWE dagegen nicht in Frage. “Im Gegenteil: Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir irgendwann unsere Position im türkischen Erzeugungsmarkt noch weiter ausbauen.” Kundenzahl verelffachtStarkes Wachstum erfährt der Dax-Konzern aktuell beim Aufbau eines eigenen Vertriebsgeschäfts in der Türkei. Nachdem der Konzern Anfang des Jahres damit begonnen hatte, auch kleinere Stromverbraucher, vor allem Gewerbekunden, zu beliefern, schnellte die Kundenzahl von 350 auf aktuell rund 4 000 – also mehr als das Elffache. Nach Einschätzung von Enke hat das Vertriebsgeschäft in der Türkei trotzdem noch keine kritische Größe erreicht. “Aber wir wachsen derzeit dynamisch”, sagt er. “Unser Ziel ist es zunächst, den Kundenstamm bis Ende 2016 auf etwa 50 000 zu steigern. Bis Ende des Jahrzehnts wollen wir dann auf eine Million Kunden in der Türkei kommen.”Wie auch im Erzeugungsbereich, so würde RWE die Expansion im Vertrieb am liebsten auch zusammen mit einem lokalen Partner angehen. Entsprechende Möglichkeiten werden aktuell sondiert. Der Partner müsse nicht unbedingt Turcas sein, erklärte Enke. Der Denizli-Partner zeigt aktuell auch kein großes Interesse an einer Vertriebskooperation.