Ausgang ungewiss
po – In den USA scheint der VW-Konzern die größten Belastungen aus der Dieselabgas-Affäre finanziell allmählich kalkulieren zu können. Aber die von vielen Klägern in Westeuropa und auch in Deutschland geforderte Gleichbehandlung würde den Konzern wohl überfordern. Der verweist auf eine nicht vergleichbare Rechtslage und blockt entsprechende Forderungen bisher ab. Dabei geht es im Grunde auf der Investorenseite um Klagen wegen des mit dem Kurssturz erlittenen Vermögensschadens und auf der Halterseite um Schadenersatz/Wandlung/Rückgabe, weil die zugesicherten Eigenschaften der Fahrzeuge wegen der manipulierten Abgasanlagen nicht gegeben seien. Zivilklagen schwierigMeist entschieden bisher Gerichte gegen die Kläger, wenn es um die Rückgabe eines Autos ging. Am Dienstag aber gab das Landgericht Krefeld der Klage gegen ein Autohaus statt, das zwei Audi-Diesel zurücknehmen müsse. Es stehe außer Frage, dass durch die manipulierte Software ein Sachmangel vorliege. Die sogenannte Nachbesserung sei unzumutbar. In Wolfsburg wird dieser Entscheid geprüft, vermutlich wird man in die Berufung gehen. In vielen Fällen dürfte es laut Verbraucherschützern problematisch werden, einen konkreten Schaden zu beziffern und ihn auch zu beweisen. Hätte die Krefelder Entscheidung Bestand, träfe dies auch andere Anbieter, wenn ihnen nachgewiesen würde, dass zugesicherte Eigenschaften ihrer Produkte nicht erreicht werden.Finanziell gravierender und im Verhältnis zum Kapitalmarkt relevanter dürften aber die Aktionärsklagen sein: Die VW-Vorzugsaktie stürzte in zwei Handelstagen nach dem Bekanntwerden der Abgasmanipulationen im September 2015 um mehr als ein Drittel ab – davon hat sie sich bis heute nicht erholt. Den erlittenen Vermögensschaden wollen betroffene Anleger und auf dieses Rechtsgebiet spezialisierte Kanzleien durchsetzen. Als entscheidend gilt dabei die Frage, ob Volkswagen die Ad-hoc-Publizitätspflichten verletzt hat. VW selbst hatte erst nach dem öffentlichen Auftritt der US-Umweltbehörde EPA ad hoc die zunächst erwartbaren Belastungen veröffentlicht. Droht Verjährung?Juristisch umstritten ist auch die Frage, ob der 18. September tatsächlich für entsprechende Ansprüche einen drohende Verjährung markiert. Derzeit liegt das Gesamtschadenvolumen in Braunschweig eingereichter Anlegerklagen bei rund 4 Mrd. Euro. Das Landgericht Braunschweig gab Anfang August den Startschuss für ein Kapitalanleger-Musterverfahren nach § 6 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) (vgl. BZ vom 9. August). Allerdings fällt der Entscheid darüber erst gegen Jahresende, ein dann folgendes Verfahren dürfte sich über Jahre erstrecken.Um möglichst viele Klagewillige zum Mitmachen zu motivieren, locken Kanzleien mit pauschalen Gebühren. Klage eingereicht haben auch Großinvestoren wie der US-Pensionsfonds Calpers, BlackRock, die Deka und weitere Fonds. Auch das Land Bayern, immerhin mit Sitz der hochprofitablen VW-Tochter Audi, hat sich zu den Klägern gesellt. Hessen kündigte ein Prüfen etwaiger Ansprüche ebenfalls an. Niedersachsen, wichtigster Standort im VW-Konzern und als Anteilseigner mit Sitz und Stimme im Aufsichtsrat vertreten, sieht naturgemäß keinen Grund, Vermögenseinbußen geltend zu machen.