IM GESPRÄCH: GILBERTO BENETTON

"Ausländische Investitionen sind an einer Hand abzuzählen"

Schwache Infrastruktur und Bürokratie bremsen - Länderrisiko in Italien schreckt Anleger ab - Auch private Engagements sind blockiert

"Ausländische Investitionen sind an einer Hand abzuzählen"

Der Präsident der Benetton-Familienholding Edizione s.r.l., Gilberto Benetton, kritisiert im Gespräch mit der Börsen-Zeitung die Investitionsbedingungen im eigenen Land.Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandLeistungsschwache Infrastrukturen und langwierige Bürokratie bremsen nicht nur ausländische Direktinvestitionen in Italien und werfen Schatten auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Selbst von italienischen Unternehmern geplante Investitionen stoßen auf Schwierigkeiten. Der Präsident der Benetton-Familienholding Edizione s.r.l., Gilberto Benetton, sagte im Gespräch mit der Börsen-Zeitung: “Derzeit ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, in Italien zu investieren. Ob es sich nun um Staatspapiere, um Infrastrukturprojekte oder um Investitionen in Unternehmen handelt, ausländische Investitionen sind derzeit an einer Hand abzuzählen.” Bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 habe man großes Interesse ausländischer Investoren für die Infrastrukturfirma Sintonia, einen Flughafen- und Autobahnbetreiber, registriert. “Unsere ausländischen Partner, die einst zu Italien Vertrauen hatten, zeigen sich perplex. Sie schrecken nicht nur wegen des Währungs- und Länderrisikos vor Investitionen zurück. Die Tatsache, dass auch private Investitionen im eigenen Land blockiert werden, ist ihnen unverständlich”, so Benetton.Nur mehr ein Sechstel des gesamten Umsatzes der Benetton-Familienholding Edizione s.r.l. entfällt auf Mode (Benetton Group). Die von Edizione-Präsident Gilberto Benetton seit den neunziger Jahren vorangetriebene Diversifizierung hat ihren Fokus auf dem Infrastrukturgeschäft (Betrieb von Autobahnen, Flughäfen) und auf dem Restaurantsektor (Autogrill). Diese beiden Bereiche sollen ausgebaut werden.Die von der Benetton-Infrastrukturgesellschaft Sintonia kontrollierte Gemina S .p.A. will mit dem Flughafenbetreiber von Singapur, Changi, und anderen Aktionären bis zu 12 Mrd. Euro in den Airport von Rom investieren. Denn die römischen Flughäfen Fiumicino und Ciampino mit 38 Millionen Passagieren jährlich platzen aus allen Nähten. Die Kapazitäten sollen ausgebaut werden, um künftig bis zu 100 Millionen Passagiere zu befördern. Obwohl durch die Investitionen vorerst bis zu 30 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, sind die Anlagen blockiert. Voraussetzung für die Investitionen ist eine Revision der seit über zehn Jahren stagnierenden römischen Flughafengebühren. Die Regierung zögert immer noch mit der Bewilligung, obwohl die Gebühren bei den Mailänder Airports bereits angehoben wurden.”Der Flughafenausbau von Florenz und der Umbau des Venezianer Palastes Fondaco dei Tedeschi in ein modernes Kaufhaus à la ,Saks` mit Investitionen bis zu 100 Mill. Euro scheiterten bislang an den langwierigen bürokratischen Praktiken und der Unsicherheit in der Gesetzgebung”, kritisiert der Unternehmer die Regierungspolitik. Er sei zwar überzeugt, dass Regierungschef Mario Monti mit seinen Reformen Bewegung in die seit Jahren starren Strukturen brachte, allerdings seien keine kurzfristigen Auswirkungen dieser Reformen zu erwarten.Das sinkende Interesse ausländischer Investoren an Italien war schließlich ausschlaggebend dafür, dass Benetton im Juli die Betreibergesellschaft Sintonia S.p.A., welche über die Tochtergesellschaften Investimenti e Infrastrutture die römischen Flughäfen und über Schemadue den Autobahnbetreiber Atlantia kontrolliert, von Luxemburg nach Mailand verlagerte.”Da wir für ausländische Infrastrukturinvestoren an Attraktivität verloren haben und unsere einst geplanten Ziele der Internationalisierung nicht erreichen konnten, haben wir uns vorerst auf den Heimatmarkt zurückgezogen. Vom Sitz in Mailand können wir unsere Beteiligungen und geplanten Investitionen besser überblicken.” Durch eine Straffung der Kontrollkette, durch die Eingliederung der Gesellschaften Investimenti e Infrastrutture (Gemina-Flughafenbetreiber) und Schema 28 (Atlantia-Autobahnbetreiber) in Sintonia erreiche man beachtliche Kosteneinsparungen. Gilberto Benetton dementierte die immer lauter werdenden Gerüchte, wonach es demnächst zu einer Fusion der beiden Betreibergesellschaften Atlantia und Gemina nach spanischem (Abertis) und französischem (Vinci) Vorbild kommen soll. “Unser Fokus liegt derzeit auf Investitions- und nicht auf Fusionsplänen.” 20 Mrd. für AutobahnnetzAuch der Autobahnbetreiber Atlantia plant kräftige Investitionen. Obwohl die gegenwärtige Krise auch Schatten auf den Straßen-Gütertransport wirft – 80 % des gesamten Güterverkehrs werden in Italien auf der Straße befördert -, will Atlantia in den kommenden Jahren 20 Mrd. Euro in die Modernisierung des italienischen Autobahnnetzes investieren. Und dies, obwohl die Autobahngebühren in Italien mit 6,4 Cent pro Kilometer wesentlich niedriger sind als vergleichsweise in Frankreich (8 Cent) oder Spanien (9,7 Cent). Im Jahr 2015 sollen bereits 27 % des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) auf das Ausland entfallen. Derzeit ist der Autobahnbetreiber auch in Chile, Brasilien und Indien präsent.Die von den Benettons kontrollierte Restaurantkette Autogrill gehört inzwischen zu den drei italienischen Unternehmen mit dem höchsten Internationalisierungsgrad. Nur mehr 23 % des Umsatzes von knapp über 4 Mrd. Euro entfallen auf den Heimatmarkt. In Zukunft ist vor allem der Ausbau des Duty-free-Geschäftes und der Flughafenrestaurants geplant. Erst kürzlich haben die Benettons den Zuschlag für den zehnjährigen Betrieb des Duty-free-Geschäftes am Flughafen von Düsseldorf erhalten. Günstige Wachstumschancen sieht Benetton auch in Russland und Asien. “Vietnam will 40 Mrd. Euro in den Ausbau der Airports investieren.”