Autobauer kaufen Here zu gleichen Teilen
hei Frankfurt – Audi, BMW und Daimler wollen mit der Übernahme der Nokia-Kartentochter Here “die Verfügbarkeit der Produkte und Dienstleistungen von Here als offene, unabhängige und wertschaffende Plattform für Cloud-basierte Karten und Mobilitätsdienste dauerhaft (sichern)”, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung der Unternehmen heißt. Die Konzerne übernehmen je ein Drittel an dem Kartendienstanbieter, wie ein Daimler-Sprecher der Börsen-Zeitung sagte. Von einer Beteiligung weiterer Investoren wie General Atlantic war nicht mehr die Rede. Der Finanzinvestor soll allerdings unverändert an einer Beteiligung interessiert sein.Die Transaktion über insgesamt 2,8 Mrd. Euro inklusive Schulden bewertet Here mit dem 17-fachen operativen Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) und dem 2,5-fachen Umsatz und stellt die Nokia-Sparte damit auf Augenhöhe mit der Kartendivision des niederländischen Navigationsanbieters TomTom. Die Bewertung trägt dem Umstand Rechnung, dass Here und TomTom die einzigen Wettbewerber mit globaler Reichweite im Zukunftsmarkt digitaler Kartendienste sind. Die TomTom-Aktie profitierte mit einem Plus von 3,7 % von dem Deal, während Nokia-Titel sogar 0,5 % einbüßten. Der finnische Konzern, der mit dem Verkauf der Sparte einen gigantischen Transformationsprozess vom einstigen Handy-König zum Netzwerkausrüster abschließt, hatte zuvor auf einen deutlich höheren Kaufpreis gehofft. Allerdings waren zuletzt praktisch alle alternativen Bieter abgesprungen. Sonderausschüttung möglichDie Analysten von UBS gehen unterdessen davon aus, dass Nokia auch in Anbetracht des 15 Mrd. Euro teuren Kaufs von Alcatel-Lucent und möglicher Restrukturierungsaufwendungen dennoch in der Lage sein wird, bis zu 4 Mrd. Euro an die Aktionäre auszuschütten. Der Konzern rechnet nach eigenen Angaben aus der Transaktion mit einem Buchgewinn und einem Nettoerlös von 2,5 Mrd. Euro. Here hatte im vergangenen Jahr einen Verlust von 1,24 Mrd. Euro ausgewiesen, den eine Goodwill-Abschreibung von 1,21 Mrd. Euro nach sich zog. Im ersten Halbjahr dieses Jahres setzte Here 552 Mill. Euro um und erzielte einen bereinigten Betriebsgewinn von 46 Mill. Euro.Die drei Autobauer beabsichtigen den Angaben zufolge, die operative Eigenständigkeit von Here unverändert zu lassen. Das Management solle weiterhin unabhängig bleiben – mit dem Ziel, den Business Case von Here als für alle Kunden offene Plattform weiter voranzutreiben. Das Konsortium werde sich nicht im Tagesgeschäft engagieren.Here stellt Karten und ortsbezogene Daten für knapp 200 Länder in mehr als 50 Sprachen bereit und ist damit Weltmarktführer mit einem knappen Vorsprung vor TomTom. Das Unternehmen soll auch künftig seine Hauptkunden in der Automobilindustrie bedienen sowie neue Kunden in anderen Branchen gewinnen.Die Transaktion, die wenig kartellrechtliche Probleme erwarten lässt, soll im ersten Quartal 2016 abgeschlossen sein. Wiewohl die Autobauer keinen Durchgriff ins Tagesgeschäft mit Here planen, müsse eine konkrete Konstruktion, unter der Here operiert, noch gefunden werden. Here wächst zwar sprunghaft mit solider operativer Profitabilität – im zweiten Quartal kam der Umsatz um ein Viertel voran, die Ebit-Marge stellte sich auf 9,3 % -, allerdings hat das Unternehmen gemessen am Umsatz sehr hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (F + E). Im zweiten Quartal standen bei 290 Mill. Euro Umsatz für F + E 138 Mill. Euro zu Buche.Die Generierung und ständige Aktualisierung hochpräziser digitaler Karten kombiniert mit ortsbezogenen Daten, die als Grundlage für künftige Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren dienen, erfordern daher gegebenenfalls finanzielle Unterstützung durch die neuen Mutterkonzerne bzw. das Konsortium. Analysten halten es daher für denkbar, dass dessen Struktur nicht für alle Zeiten in Stein gemeißelt ist, sondern womöglich neue Partner aufgenommen werden, um die Kosten auf weitere Schultern zu verteilen. Toyota setzt auf TelenavNeben den deutschen Autobauern suchen auch andere den Schulterschluss mit Start-ups der digitalen Welt. Der japanische Automobilhersteller Toyota setzt auf eine Kooperation mit der an der Nasdaq notierten Telenav (Marktkapitalisierung: 245 Mill. Dollar). Das vergleichsweise kleine Unternehmen verbindet iPhones und Android-basierte Smartphones mit der von Toyota im Auto eingebauten Navigationstechnik und gibt dem Automobilkonzern nach eigenen Angaben “volle Kontrolle” über das System. Insbesondere behalte Toyota die Konfigurations- und Datenhoheit, um in der digitalen Weiterentwicklung in der Branche federführend zu bleiben und diese nicht an Google und Co. zu verlieren.—– Wertberichtigt Seite 6