Autoindustrie bei Aufholjagd auf sich gestellt

Verkaufsförderung nur für E-Autos und Plug-in-Hybride - Händlerverband erbost - Neuzulassungen im Mai nur leicht besser als im April

Autoindustrie bei Aufholjagd auf sich gestellt

Das wochenlange Werben um eine Verkaufsförderung auch für Verbrenner ist in Berlin nicht erhört worden. Im Konjunkturpaket wurde keine spezielle Kaufprämie für alle Antriebsarten vereinbart, sondern lediglich die bereits vereinbarte staatliche Fördersumme für elektrifizierte Fahrzeuge verdoppelt. Bei der Aufholjagd – im Mai wurden hierzulande gerade mal halb so viele Autos wie vor einem Jahr abgesetzt – muss die Branche auf die eigene Kraft setzen.scd Frankfurt – Die erhoffte Erholung am deutschen Automarkt hat sich im Mai nicht eingestellt. Vor dem Hintergrund intensiver Debatten über mögliche Kaufprämien für Neuwagenkäufe hielten sich die deutschen Kunden offenbar zurück. Der Absatz schrumpfte um fast 50 % zum Vorjahresmonat auf gut 168 000 Autos (siehe Grafik), nachdem das Minus im April bei gut 61 % gelegen hatte. Die Produktion lag im Mai noch zwei Drittel unter Vorjahr. Damit hob sich der hiesige Automarkt anders als im Vormonat nicht mehr positiv von den europäischen Nachbarländern ab. “Das Hin und Her bei der Kaufprämie hat dazu geführt, dass potenzielle Käufer die Kaufentscheidung verschoben haben, bis Klarheit über die Fördermöglichkeiten herrscht”, urteilte EY-Partner und Autoexperte Peter Fuß. Er rechnet am Ende des Jahres mit einem Fünftel weniger Neuzulassungen in Deutschland.In Italien, wo die Autoverkäufe im April praktisch zum Erliegen gekommen waren (- 98 %), lag man mit – 49 % im Mai etwa auf deutschem Niveau, wie auch Frankreich, wo sich die Neuzulassungen halbierten, nachdem sie im April um knapp 90 % eingebrochen waren. Der südliche Nachbar Österreich, der im vorangegangenen Monat mit 65 % Absatzrückgang etwa auf dem deutschen Niveau gelegen hatte, schaffte es, den Rückgang im Mai auf 34 % zu begrenzen.Stark entwickelte sich in Deutschland die Nachfrage nach Autos mit alternativen Antrieben. Die Zulassungen rein batterieelektrischer Pkw zog laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) um 20,5 % auf 5 578 Autos an. Plug-in-Hybride haben die Zahl ihrer Neuzulassungen um knapp 107 % auf 6 755 gesteigert. Rechnet man die milden Hybriden und Erdgasfahrzeuge hinzu, kletterte der Anteil alternativer Antriebe auf mehr als 17 %. 51 % der Neuzulassungen waren Benziner, knapp 32 % waren Diesel. Der durchschnittliche CO2-Ausstoß der in Deutschland neu zugelassenen Fahrzeuge verringerte sich um 2,2 %, lag mit 154,8g CO2/km aber noch weit über dem Zielwert. Bis zu 10 000 Euro FörderungMit dem Konjunkturpaket könnte hier noch weitere Bewegung kommen. In dessen Rahmen hat die Bundesregierung die gezielte Förderung elektrifizierter Fahrzeuge ausgebaut. Demnach werden reine Elektroautos mit Netto-Listenpreis (NLP) von bis zu 40 000 Euro ab 1. Juli mit maximal 9 000 Euro gefördert, wobei 6 000 Euro vom Staat und weitere 3 000 Euro vom Hersteller kommen. Hinzu kommt eine auf sechs Monate angelegte Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 %, die für alle mehrwertsteuerpflichtigen Produkte gilt, und bei einem Auto für 40 000 Euro eine Ersparnis von rund 1000 Euro bedeutet. Damit winken Kunden bei einem Elektroauto bis zu 10 000 Euro Preisnachlass. Elektroautos mit einem NLP über 40 000 bis maximal 65 000 Euro sollen mit 7 500 Euro gefördert werden, wobei eine entsprechend höher Mehrwertsteuerersparnis hinzu käme. Für Plug-in-Hybride werden analog 6 750 Euro bzw. 5 625 Euro direkte Verkaufsförderung aufgeboten.Die Autobauer zeigten sich mit diesen und weiteren Maßnahmen wie einem erweiterten Verlustrücktrag, der Verstärkung der degressiven Abschreibung sowie dem Ausbau der Ladeinfrastruktur oder der Förderung neuer Technologien und dem Bürokratieabbau überwiegend zufrieden. Daimler sprach von einem guten, überparteilichen Kompromiss. “Die im Zukunftspaket enthaltenen Maßnahmen für klimafreundliche Mobilität von Nutzfahrzeugen und Pkw sind sinnvoll und unterstützen unsere zentralen Aufgaben der Transformation der Automobilindustrie: Digitalisierung und CO2-Neutralität”, ließ das Unternehmen verlauten. Auch BMW-Chef Oliver Zipse sieht in den Maßnahmen einen “wertvollen Transformationsbeschleuniger”. Kritik brachte am Donnerstag der Verband der Automobilindustrie (VDA) an: “Der VDA bedauert, dass im beschlossenen Konjunkturpaket die Vorschläge der Automobilindustrie für einen breitangelegten unmittelbar wirksamen Konjunkturimpuls nur zum Teil aufgenommen wurden”, lässt sich Verbandspräsidentin Hildegard Müller in ihrer Stellungnahme zitieren.Noch kritischer fielen die Stimmen aus dem Kfz-Handel aus. Der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) sprach von einem Bärendienst für die Autohändler. Mit der Ankündigung der Mehrwertsteuersenkung für Juli erwarten einige Autohändler eine Kaufzurückhaltung im Juni. Scharf kritisierte auch Daimlers Betriebsratschef Michael Brecht das Paket. “Ich bin enttäuscht darüber, dass die Kaufprämie für Neufahrzeuge mit der neuesten Technologie für Verbrenner nicht kommt”, sagte er der Branchenzeitung “Automobilwoche”. Er rechnet mit dauerhaften Arbeitsplatzverlusten.Auch an der Börse war die Rally der Autowerte am Donnerstag erst einmal vorbei. Continental war Tagesverlierer im Dax und auch Daimler zählte als viertschwächster Wert zu den großen Verlierern.