Autoindustrie spürt Gegenwind vor der IAA
Von Sebastian Schmid, FrankfurtDer Proteststurm gegen die Automobilmesse IAA ist am Montag bei der Vorab-Pressekonferenz des Branchenverbands VDA erst einmal ausgeblieben. Rund eine Handvoll gut gelaunter Demonstranten stand vor dem Kongresszentrum am Frankfurter Messegelände einer ebenfalls gut aufgelegten zahlreicheren Polizeitruppe gegenüber. Wenn hier nächste Woche die Internationale Automobil-Ausstellung ihre Pforten öffnet, ist mit deutlich mehr Protest zu rechnen. Gegenwind bläst der Automobilindustrie in diesen Tagen aber auch von anderer Seite ins Gesicht.Der VDA rechnet 2019 mit weltweit 81 Millionen Autoverkäufen – ein Rückgang von 4 %. In Europa soll das Minus bei 1 % liegen, in den USA bei 2 %. Hauptursache für die negativen Erwartungen ist der chinesische Automarkt, für den ein Rückgang um 7 % befürchtet wird. Bereits 2018 war der Absatz im weltgrößten Automarkt geschrumpft. “Erfreulich ist, dass sich der Absatz deutscher Konzernmarken in China besser als der Gesamtmarkt entwickelt – unser Marktanteil stieg in den ersten sieben Monaten um zwei Prozentpunkte auf 24 %”, kann VDA-Präsident Bernhard Mattes der Entwicklung auch Positives abgewinnen. Zudem sei der globale Absatz noch immer 50 % höher als 2009.Auf den ersten Blick scheint das ein beruhigender Abstand zu dem Krisenjahr vor einer Dekade. Allerdings musste damals gerade die Autoindustrie stark auf Instrumente wie Kurzarbeit zurückgreifen, um weitgehend unbeschadet durch die Krise zu kommen. Zudem wurden im vergangenen Jahrzehnt aufgrund der guten Autokonjunktur kräftig Produktionskapazitäten bei Herstellern und deren Zulieferern aufgebaut. Diese stehen aufgrund der Verschiebung im Antriebsmix mit weniger Verbrennermotoren ohnehin vor Auslastungsproblemen. Ein starker Rückgang beim Absatz hätte dramatische Überkapazitäten zur Folge und damit womöglich noch verheerendere Folgen für die Branche als 2009.Die Autoindustrie steht zudem vor umfassenden technologischen Herausforderungen, die hohe Investitionen erfordern und deren Return on Investment sich oft noch nicht abschätzen, geschweige denn konkret berechnen lässt – etwa beim Thema autonomes Fahren oder der Elektromobilität. Mehr DialogAngesichts der um sich greifenden Unsicherheit um die Zukunft der Mobilität setzt die IAA in diesem Jahr stärker als in der Vergangenheit auf Dialog. Bereits am Donnerstag hat der VDA zu einem Dialog mit IAA-kritischen Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Berlin eingeladen. Am 13. September folgt in Frankfurt ein öffentlicher Bürgerdialog – außerhalb des Messegeländes. Auf der Messe selbst soll es mehr Debatten-, Dialog- und Erlebnisformate denn je geben. “Es geht nicht nur darum, wie ich von A nach B komme, sondern wie künftige Mobilität unser Zusammenleben verändern kann”, erläutert Mattes das Motto der IAA Conference “Beyond Mobility”, bei der in Panelveranstaltungen über Themen wie alternative Antriebe, künstliche Intelligenz, Smart Cities, Infotainment und Sharing Economy geredet werden soll.Mattes appelliert erneut an die Politik, die Rahmenbedingungen für Elektromobilität in Deutschland schnell zu verbessern. Für das Ziel von 7 bis 10,5 Millionen E-Autos im Bestand im Jahr 2030 brauche es eine Million öffentliche Ladepunkte, 100 000 Schnellladepunkte und mehrere Millionen private Ladepunkte. Mit aktuell knapp 21 000 öffentlichen Ladepunkten in Deutschland ist der Weg noch extrem weit.Angesichts der teils schmerzhaften Anpassungen für die Industrie fordert Mattes die Politik auf, den Blick nach vorn zu richten. In Anbetracht der enormen Herausforderungen mit zahlreichen Handelskonflikten müsse die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gestärkt werden. Mattes bemängelt in diesem Zusammenhang vor allem die zu hohe Abgabenlast.