Autoindustrie sucht Wege aus dem Shutdown
Die Autoindustrie sucht einen Weg, trotz der Corona-Pandemie die Fabriken wieder zum Laufen zu bringen. In Deutschland hatten die Konzerne ihre Produktion ohne politische Aufforderung heruntergefahren – weil Teile aus Ländern wie China, Italien und Frankreich ebenso fehlten wie die Nachfrage.cru Frankfurt – Die Autokonzerne arbeiten mit Hochdruck daran, ihre Werke nach dem nun einen Monat dauernden Produktionsstopp langsam wieder zu öffnen.Aber das geht nur, wenn zum einen Autohändler wieder Wagen verkaufen können – darauf dringen Branchenverbände samt Gewerkschaften in einem gemeinsamen Schreiben an die Bundesregierung. Zum anderen müsste dafür die Nachfrage durch staatliche Anreize wie die jetzt diskutierte Abwrackprämie angekurbelt werden – und die Lieferketten von Vorprodukten quer durch Europa, teils aus Ländern im Shutdown, müssten wieder funktionieren. “Dies wird einen Druck in vielen EU-Staaten auslösen, Produktion und Verkehr wieder zuzulassen – es geht letztlich nur gemeinsam”, sagte ein EU-Diplomat der Nachrichtenagentur Reuters. In Spanien ist dies seit Montag der Fall.Audi und Hyundai haben begonnen, ihre in Europa gestoppte Fahrzeugproduktion langsam wieder hochzufahren. BMW dagegen hat die Produktion in den Werken in Europa und Nordamerika bis Ende April gestoppt. Bei Volkswagen bleiben die Werke der Kernmarke in Deutschland bis 19. April geschlossen. Skoda verlängert den Produktionsstopp bis zum 27. April. In den USA wurden die meisten VW-Mitarbeiter im Werk in Tennessee beurlaubt. Das soll noch bis Mitte Mai gelten. Wiederanlauf wird vorbereitetVolkswagen will Ende der Woche die Pläne für das Hochfahren der Produktion in Deutschland vorstellen – zunächst in einzelnen Komponentenwerken. “Die Planung für den Wiederanlauf wird ausgearbeitet”, sagte Beschaffungsvorstand Stefan Sommer. Alles hänge aber stark an den Vorgaben der Politik, “und wann sie plant, das öffentliche Leben wieder hochlaufen zu lassen”.Die Belegschaft von VW wird laut Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh bei einem Neustart durch Gesundheitsregeln geschützt. In der Fertigung würden “Abläufe so geändert, dass der Schutz vor einer Übertragung des Virus an allererster Stelle steht”. Dazu würden Umwege in Kauf genommen. Im Zweifel werde eher weniger produziert, “als irgendwo ins Risiko zu gehen”. “Wo sich der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht einhalten lässt, tragen die Kolleginnen und Kollegen Masken.”Die weltweite Autonachfrage schrumpft laut Ratingagentur Scope 2020 um 16 %, was einem Rückgang von 15 Millionen Fahrzeugen entspricht. Schon vor Corona sah es nicht gut aus: ein schwacher Markt in China kombiniert mit Westeuropa, das durch Verbraucheranreize unterstützt wird, und den USA, die sich nach einem langen zyklischen Aufschwung abkühlen. “Unsere Kreditaussichten für die Autoindustrie bleiben negativ, und die Schrumpfung des Absatzvolumens 2020 verstärkt diese Sichtweise nur noch”, sagte Scope-Analyst Werner Stäblein.Beim Autozulieferer Mahle etwa, der Filter, Kolben und Kühler herstellt, ruht die Produktion für zwei Monate im April und Mai. Die Pandemie führt zu Schließungen von Autofabriken auf der ganzen Welt und lässt den Neuwagenabsatz abstürzen. Umsatz- und Gewinneinbrüche sind die Folge. Bei der Bewältigung der Krise können die Autokonzerne allerdings laut einer Studie der Unternehmensberatung EY auf ein großes Finanzpolster zurückgreifen: Ende 2019 verfügten die 17 größten Autokonzerne der Welt über liquide Mittel in Höhe von 226 Mrd. Euro – knapp 6 % mehr als Ende 2018.Während die Stabilität der Autokonzerne nach Einschätzung von Peter Fuß, Partner bei EY, auch dank staatlicher Unterstützung vorläufig gesichert sein dürfte, bereitet die Situation der kleineren Marktteilnehmer zunehmend Sorgen: “Die Autoindustrie ist ein hochkomplexes und stark internationalisiertes System mit vielen Playern – und längst nicht alle sind so finanzstark wie die Top-Konzerne.” Dieses System lebensfähig zu halten, sei nun die größte Herausforderung. Angesichts von Grenzschließungen und massiven wirtschaftlichen Verwerfungen etwa in Spanien und Italien sei dies eine Herkulesaufgabe, so Fuß. “Wenn in einigen Wochen die Produktion hoffentlich wieder anläuft, wird sich erweisen, ob die Lieferketten gehalten haben.” Im schlimmsten Fall stünden die Automobilwerke wenige Tage nach dem Hochlaufen wieder still, weil Teile fehlen. Millionen von KurzarbeiternBei Zulieferern und Autohändlern fürchtet Constantin Gall, Leiter des Bereichs Automotive bei EY, eine Welle an Insolvenzen. “Es werden nicht alle gerettet werden können, der Trend zur Konsolidierung wird sich beschleunigen: Sobald das Schlimmste überstanden sein wird, werden wir Übernahmen und aus der Not geborene Fusionen sehen. Die Corona-Pandemie wird ein Katalysator für eine Marktbereinigung in vielen Segmenten werden.”Allein in der Metallbranche rechnen die Arbeitgeber bis Ende April mit zwei Millionen Kurzarbeitern oder mehr. Das wäre jeder Zweite der rund vier Millionen Beschäftigen, wie der Arbeitgeberverband Gesamtmetall mitteilte. “Wir schätzen, dass (. . .) wir Ende des Monats bei knapp zwei Millionen Kurzarbeitern sind, vielleicht sogar 2,2 Millionen”, sagte Verbands-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander. Für jedes fünfte Unternehmen besteht nach Angaben des IG-Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann die Gefahr der Insolvenz. Rund 8 % der Unternehmen mit insgesamt 85 000 Beschäftigten hätten Liquiditätsprobleme.