Babypause auch für Vorstände

Initiative Stayonboard setzt sich für mehr Flexibilität ein, um Mandate ruhen lassen zu können

Babypause auch für Vorstände

Mit zunehmender Diversität in Vorständen und stärkerem Engagement von Vätern in der Familie wächst der Anspruch von Führungskräften, eine Auszeit nehmen zu können, ohne das Mandat aufgeben zu müssen. Die Initiative Stayonboard setzt sich für eine Gesetzesänderung ein, um hier mehr Flexibilität zu schaffen. Von Sabine Wadewitz, FrankfurtDelia Lachance hat vor wenigen Wochen für Aufsehen gesorgt. Die Kreativchefin und Unternehmensgründerin von Westwing legte Anfang März ihr Vorstandsmandat bei dem börsennotierten E-Commerce-Unternehmen nieder, um in Mutterschutz gehen zu können. Eine Babypause oder Elternzeit ist nach deutschem Recht für Vorstände nicht vorgesehen, sie gelten arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer.Der Fall hat eine breite Diskussion ausgelöst. Nicht fassen konnte es auch Verena Pausder, selbst Gründerin und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Comdirect Bank. Die 1979 geborene Managerin will eine Gesetzesänderung anstoßen, die es ermöglicht, in bestimmten Fällen das Mandat vorübergehend ruhen zu lassen. Chefetagen müssen aus ihrer Sicht nicht nur diverser, sondern auch menschlicher werden.Sie hat für diese Initiative viel Unterstützung bekommen – von Frauen und Männern. Gemeinsam mit weiteren sechs Mitstreiterinnen und Mitstreitern, überwiegend aus Anwaltskanzleien, wurde die Initiative Stayonboard ins Leben gerufen. Zu den prominenten Unterstützern gehören die Aufsichtsrätin Ann-Kristin Achleitner, die Wissenschaftlerin Barbara Dauner-Lieb von der Universität Köln, der ehemalige Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger sowie Clement B. Booth, Aufsichtsrat der Munich Re.Stayonboard unterstreicht, dass es nicht nur um eine temporäre Auszeit für Geburt oder Elternzeit geht, auch die Pflege von Angehörigen sollte mit einem Vorstandsmandat kompatibel sein. Da noch nicht viele junge Frauen in Chefetagen zu finden sind und Männer in der Position offenbar keinen Drang verspürten, in Elternzeit zu gehen, ist das Problem bislang wenig aufgefallen. Die Zusammensetzung deutscher Vorstände und Aufsichtsräte habe lange Zeit dem Typus “alte weiße Männer” entsprochen, fasst es Gesellschafts- und Kapitalmarktrechtler Tobias de Raet zusammen, Partner der Kanzlei Lindenpartners in Berlin. Insbesondere die Start-up-Szene trage dazu bei, dass sich dieses Bild wandle.Die Kanzlei Allen & Overy weist in ihrer jüngsten Gender-Diversity-Analyse darauf hin, dass Dax-Konzerne aktuell eine “Frauenquote” von durchschnittlich knapp einem Fünftel für den Vorstand anstreben. Beiersdorf geht voran und will paritätisch mit Männern und Frauen besetzen. RWE und Heidelberg Cement setzen noch das Ziel eines Frauenanteils im Vorstand von null.Bei der Forderung, das Mandat ruhen lassen zu können und nicht niederlegen zu müssen, geht es nicht um den Anspruch auf Weiterbezahlung, sondern um das Ausschalten von Haftungsrisiken. Anders als Arbeitnehmer haben Vorstände und Aufsichtsräte Aufgaben wahrzunehmen, auf deren Einhaltung die Rechtsöffentlichkeit vertraut, erklärt de Raet. “Diese Pflichten gelten grundsätzlich auch dann, wenn ein Organmitglied kurzfristig oder dauerhaft verhindert ist.” Somit drohen bei Abwesenheit erhebliche Haftungsrisiken wegen der Verletzung der Überwachungspflicht. Das zwingt die Betroffenen bislang zur Niederlegung des Mandats.Das Problem tritt nicht nur für eine Babypause auf, sondern auch bei längerer Erkrankung. Dabei ist der Zeitraum eng bemessen. Alles, was über drei bis vier Wochen hinausgeht, ist problematisch, sagt de Raet. Im Krankheitsfall komme es für die Entscheidung über den Mandatserhalt aber auch darauf an, ob das Vorstandsmitglied komplett ausgeschaltet ist oder zum Beispiel von zu Hause aus weiterarbeiten kann. Gesetzesänderung erwünschtDie Initiative Stayonboard strebt eine Gesetzesänderung an, die es Vorstandsmitgliedern ermöglicht, ihr Mandat und sämtliche damit einhergehenden Rechte und Pflichten in bestimmten Fällen für bis zu sechs Monate ruhen zu lassen – sofern nicht wichtige “Gründe des Unternehmenswohls” dagegen sprechen – zum Beispiel Krisenzeiten. Danach soll das Mandat automatisch wiederaufleben. Während der Abwesenheit soll es keinen Anspruch auf Weiterbezahlung geben, aber auch keine Schaffung von Arbeitnehmerrechten, also auch kein Anspruch auf Elterngeld entstehen.Stayonboard will ihr Eckpunktepapier ins Wirtschafts- sowie Familien- und Justizministerium geben und rechnet sich laut de Raet gute Chancen aus, dort zeitnah auf positive Resonanz für eine Gesetzesänderung zu stoßen. Heribert Hirte, stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag, hat auf Twitter Unterstützung signalisiert: “Über diese Vorschläge sollten wir in der Koalition sprechen.”