Back Office der IT-Branche kommt mit Umbau voran
Von Stefan Paravicini, FrankfurtWährend China als die “Fabrik der Welt” gilt, haben IT-Dienstleister wie Tata Consultancy Services (TCS), Infosys, Wipro und HCL den Ruf Indiens als globales Back Office geprägt. Gestützt auf verhältnismäßig niedrige Arbeitskosten setzen IT-Fachkräfte mit Sitz auf dem Subkontinent seit Jahrzehnten IT-Projekte rund um den Globus um. Doch mit der IT-Branche und ihren Angeboten verändern sich auch die Anforderungen an ihr Back Office. Standortvorteil geht verlorenLohnkosten sind nicht mehr so entscheidend, wenn ein wachsender Anteil des Geschäfts mehr oder weniger standardisiert und automatisiert in der Cloud gemacht wird. Die “Big Four” der indischen Outsourcing-Spezialisten investieren deshalb unter anderem in Technologien wie künstliche Intelligenz und Automatisierung, um dem Wettbewerbsdruck von Konkurrenten wie dem US-Technologiekonzern IBM oder Integrationsspezialisten wie Accenture sowie den neuen Herausforderern in der Cloud standhalten zu können. Die neuen Fähigkeiten werden dazu in anspruchsvollere und margenstärkere Dienstleistungen verpackt.Die führenden Exporteure von IT-Dienstleistungen “Made in India” scheinen mit dem Umbau gut voranzukommen. Sowohl TCS, die Nummer 1 auf dem Subkontinent, als auch Infosys auf Rang 2 haben mit ihren Zahlen zum Ende März abgeschlossenen Geschäftsjahr jedenfalls die Erwartungen übertroffen.Infosys mit dem ehemaligen SAP-Vorstand Vishal Sikka an der Spitze überzeugte auch mit dem Ausblick auf den neuen Turnus und legte zum Wochenbeginn an der Börse in Mumbai zeitweise auf ein Allzeithoch zu. Für das laufende Geschäftsjahr traut sich das Unternehmen ein Wachstum von 11,8 bis 13,8 % zu, während sich die von Bloomberg erhobenen Analystenschätzungen zuvor zwischen 10,5 bis 12,5 % bewegten. Im vierten Quartal erzielte der Konzern mit umgerechnet 540 Mill. Dollar einen um 16 % höheren Gewinn als im Vergleichszeitraum. Der Umsatz legte um mehr als ein Fünftel auf gut 2,5 Mrd. Dollar zu.TCS übertraf mit den Zahlen für das Gesamtjahr 2015/16 ebenfalls die Erwartungen. Unter dem Strich verdiente der Konzern, der zum Imperium der Tata Group gehört, die über die Holding Tata Sons knapp drei Viertel der Anteile hält, 952 Mill. Dollar. Der Umsatz kletterte umgerechnet auf rund 4,3 Mrd. Dollar. Die Aktie verlor in Mumbai dennoch etwas an Boden.Dabei mag eine Rolle spielen, dass TCS in den USA wegen der Verletzung intellektueller Eigentumsrechte von einer Jury vor wenigen Tagen zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von knapp 1 Mrd. Dollar an Epic Systems verdonnert wurde. Der Konzern hat bereits angekündigt, in Berufung gehen zu wollen, und darauf hingewiesen, dass der zuständige Richter eine deutliche Reduktion des Strafmaßes in Aussicht gestellt habe. CEO Natarajan Chandrasekaran würde das Geld jedenfalls lieber in den Kauf von Übernahmezielen in Europa und Amerika stecken, wo das Unternehmen rund vier Fünftel seiner Umsätze macht und Gelegenheiten für Zukäufe sucht. HCL plant Notiz in New YorkWipro, mit einem Börsenwert von knapp 22 Mrd. Dollar die Nummer 3 unter den indischen IT-Dienstleistern, stellt heute ihre Zahlen zum Geschäftsjahr vor. Für HCL Technologies endet der Turnus 2015/16 im Juni. Gut möglich, dass das Unternehmen zuvor mit einem Zweitlisting in New York von sich reden macht. Bloomberg meldete am Wochenende unter Berufung auf Insider, dass Citigroup und Credit Suisse mit den Vorbereitungen für die Platzierung von Aktien mit einem Volumen von bis zu 1 Mrd. Dollar bei US-Investoren betraut wurden. In Mumbai wird HCL mit 18 Mrd. Dollar bewertet.