IM INTERVIEW: CHRISTIAN PEGEL

"Bald wird weitergebaut"

Mecklenburg-Vorpommerns Energieminister zum Nord-Stream-Streit

"Bald wird weitergebaut"

Herr Pegel, Anfang August ging im Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung eine Kopie des Schreibens ein, in dem drei US-Senatoren Vorstand, Mitarbeitern und Gesellschaftern des Fährhafens Sassnitz, der dem Land gehört, mit Sanktionen drohen, sollte der Hafen weiterhin als ein Ausgangspunkt für den Bau der Erdgasleitung Nord Stream 2 zur Verfügung stehen. Steht der Hafen für den Bau weiter zur Verfügung?Unser Wunsch ist es, dass der Hafen seine langfristig eingegangenen Verpflichtungen und Zusagen einhält. Dies ist im Übrigen auch eine Forderung des Landtags in einem Beschluss aus dem letzten Landtagssitzungszyklus. Unabhängig davon handelt es sich um öffentliche Hafeninfrastruktur, die der Hafen diskriminierungsfrei jedem an Umschlag über die Hafenkante Interessierten zur Verfügung stellen muss, wenn er nicht gegen EU-Recht verstoßen will. Er erfüllt damit auch EU-Vorgaben, wenn er entsprechende Umschlaginteressen erfüllt. Welche Auswirkungen haben die Sanktionen auf das Land und den Hafen? Und welche Auswirkungen könnten sie noch haben?Die bereits in Kraft getretenen Sanktionen haben im vergangenen Dezember bewirkt, dass die Verlegeschiffe ihre Arbeit eingestellt haben. Diese Sanktion hat an einer sehr sensiblen Stelle angesetzt, weil es für die Verlegung solcher Pipelines aufgrund des engen Marktes nur sehr wenig Anbieter gibt.In dem Brief der drei US-Senatoren an den Hafen Mukran sind allerdings eine Menge Drohungen ausgesprochen worden, die nach Einschätzung der von uns befragten rechtlichen Experten für solches Sanktionsrecht bislang noch gar nicht in US-Gesetzen verankert sind. Es mag die politischen Absichten der Senatoren geben, solche Sanktionen in neue Gesetze zu gießen. In einem Schreiben an europäische Unternehmen allerdings den Eindruck zu erwecken, dies seien schon heute geltende Einschränkungen, zeigt ein Stück weit, wie diese Briefe zu bewerten sind. Sie sind sowohl vom Stil als auch von Form und Inhalt her unannehmbar.Sachlich ist aber festzustellen, dass allein die Androhung möglicher neuer künftiger Sanktionen eine Aura der Angst verbreitet. Genau diese Geiselnahme mit den nur befürchteten Sanktionen scheint auch der Brief zu beabsichtigen. Es scheint also vor allem eine psychologische Komponente darin zu stecken. Es soll möglichst viel Sorge und Angst verbreitet werden, was alles Schlimmes passieren könnte. Diese Angst führt dann schon dazu, dass sich wirtschaftlich Beteiligte selbst Einschränkungen unterwerfen, die noch gar nicht in Gesetze gegossen sind. Das ist das eigentlich Perfide an dieser Vorgehensweise. Haben Sie weitere Einflussversuche aus den USA erlebt?Im Ministerium selbst haben wir bislang überhaupt keine Versuche der Einflussnahme erlebt. Wir sehen und hören aber, wie dies auf verschiedenen anderen Kanälen versucht wird. Schon im vergangenen Jahr gab es Briefe des US-Botschafters in Deutschland an Unternehmen, die an der Pipeline mitarbeiten. Vor der Sommerpause erhielten US-Unternehmen, die daran beteiligt sind, Post von der dortigen Administration. Darin wurden sie aufgefordert, zeitnah mit den US-Behörden zu telefonieren. Diejenigen, die dies taten, sahen sich dann offenbar in Videokonferenzen einer Vielzahl von Vertretern unterschiedlicher US-Behörden und -Ministerien gegenüber, die ebenfalls eine nicht unerhebliche Drohkulisse aufbauten. Der jüngste uns bekannte Höhepunkt sind jetzt die Briefe der drei US-Senatoren an den Hafen Sassnitz-Mukran. Wird die Pipeline Ihrer Erwartung nach bald weitergebaut?Davon gehe ich aus. Verschiedene Behörden und Institutionen in mehreren europäischen Ländern haben den Bau von Nord Stream 2 in rechtsstaatlichen Verfahren genehmigt. Es wäre unverantwortlich, die Verlässlichkeit solcher Genehmigungen in Frage zu stellen.Der Handlungsrahmen, den wir als Land haben, ist allerdings eng. Die Außenpolitik ist Bundessache. Das Land ist aber bereit, sofern sich neue oder geänderte Genehmigungen für die Fertigstellung als notwendig erweisen, sämtliche gesetzlich zulässigen Genehmigungen sehr zügig auszustellen, um den Bau zu ermöglichen. Für uns ist wichtig, dass am Ende Gas fließt. Wir brauchen eine gesicherte Gasversorgung in Europa. Deshalb halten wir am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 ausdrücklich fest. Ich halte es für verantwortungslos, ein Infrastrukturprojekt der europäischen Energiewirtschaft zum politischen Spielball machen zu wollen. Welche Schritte der Bundesregierung erwarten Sie in dieser Sache? Welche Schritte wünschen Sie sich? Was erwarten Sie von der EU in dieser Sache?Ich erwarte ganz klar, dass die Bundesregierung und vor allem die EU-Kommission die europäische Souveränität gegenüber der US-Adminis-tration sehr klar verteidigt. Da muss jetzt mit den transatlantischen Gesprächspartnern Klartext geredet werden.Da die Pipeline ein europäisches Projekt zur Sicherstellung der Energieversorgungssicherheit ist, das von Unternehmen aus fünf EU-Mitgliedsländern getragen wird, habe ich die Hoffnung, dass die fünf Staatsregierungen an dieser Stelle zu einer gemeinsamen Sprache finden und ihre Forderungen gemeinsam vertreten. Dies dürfte deutlich mehr bewirken, als wenn jede der fünf Regierungen einzeln agiert. Kann die Genehmigung für die Leitung überhaupt zurückgenommen werden?Es ist zu vermuten, dass bei den rein politischen Äußerungen bislang niemand über diese praktische Frage, wer hier tatsächlich was stoppen könnte, nachgedacht hat. Auch wir sind sehr gespannt, wie das durchgesetzt werden soll, und dann vor allem auch, wie die jetzt schon erfolgenden Gaslieferungen durch Nord Stream 1 von den zusätzlichen abgegrenzt werden sollen, für die man dann ja konsequenterweise Sanktionen anordnen müsste.Im Übrigen sind die Arbeiten an Nord Stream 2, die das in Mecklenburg-Vorpommern zuständige Bergamt Stralsund mit seinem Planfeststellungsbeschluss genehmigt hat, abgeschlossen. Hier hätte eine Rücknahme der Genehmigung auf welchem Wege auch immer also überhaupt keine Auswirkungen mehr. Die noch fehlenden Pipeline-Abschnitte befinden sich in Teilen der Ostsee, für die das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie sowie Dänemark die Genehmigung erteilt haben. Welchen Einfluss wollen Sie selbst auf den Fortgang der Dinge nehmen?Das Infrastrukturministerium steht in stetem Kontakt zu den Akteuren vor Ort, sowohl beim Hafen als auch bei der Gemeinde, sowie zur Geschäftsführung der Nord-Stream- 2-Gesellschaft. Dieser Kontakt ist wichtig. Für uns ist klar – und das kommunizieren wir auch gegenüber allen Beteiligten: Wir stehen zu Nord Stream 2. Auf dem Weg hin zur grünen und unabhängigen Stromversorgung in Deutschland und Westeuropa brauchen wir das Erdgas, um die Energieversorgung mittelfristig zu sichern. Nach dem Ausstieg aus der Kernenergienutzung und dem beginnenden Ausstieg aus der Kohleverstromung müssen wir im Übergang die erforderlichen Strommengen in wind- und sonnenarmen Zeiten mittels sehr flexibel regelbarer Gaskraftwerke erzeugen. Das Interview führte Christoph Ruhkamp.