WENN KAPITAL WIEDER KOSTET

Bares ist Wahres

Am M&A-Markt spielt ungeachtet einer künftigen Zinswende die Musik - Cash-Finanzierung so stark wie nie

Bares ist Wahres

Von Walther Becker, Frankfurt”Vonovia beabsichtigt, das Angebot durch Fremdmittel zu finanzieren.” Das hat der größte deutsche Wohnungskonzern bei der Ankündigung seiner 5,2 Mrd. Euro schweren Offerte für den kleineren Vermieter Buwog lapidar mitgeteilt. Größe zählt in zahlreichen Märkten, insbesondere dort, wo das “Endspiel” stattfindet. Und in der Finanzierung gilt: “Cash is king”. Jedenfalls solange Geld fast nichts kostet. Fusionen und Übernahmen (M & A) beratende Investmentbanker gehen davon aus, dass dieser Trend 2018 anhält.Die Europäische Zentralbank werde im nun beginnenden Jahr wohl noch nicht an der Zinsschraube drehen. Die Notenbanken zögen die Zügel nur an, wenn die Konjunktur weiter gut laufe und Unternehmen entsprechend gute operative Ergebnisse erwirtschafteten und damit die Verschuldungskorrelationen im Rahmen blieben. Da von der Konjunktur trotz Krisen auf dem Globus Rückenwind zu verspüren ist, sollten sich die Verschuldungskorrelationen nahezu unbeeinflusst von leicht steigenden Zinsen entwickeln. Die Bewertungen bewegen sich allerdings schon in Höhen wie 2007 und teilweise ein Stück darüber. So wurde jüngst die familiär gehaltene Stahlgruber mit dem 11,9-Fachen des operativen Ergebnisses in die USA verkauft – und das im Autoteilehandel, einer Branche, die wenig “sexy” erscheint. Aggressive Bewertungen”Wenn die Musik aufhört, wird es in Bezug auf die Liquidität kompliziert. Aber solange die Musik spielt, muss man aufstehen und tanzen. Wir tanzen immer noch.” Das sagte Chuck Prince, der damalige CEO der Citi Anfang Oktober 2007. Einen Monat später war der Schwof vorbei, die Musik zu Ende und Prince von der Tanzfläche. Der Markt geht heute indes davon aus, dass M & A aufspielt. Damit fällt der laufende Zyklus mit zehn Jahren außerordentlich lang aus. “Ich rechne für 2018 mit einem noch über dem Niveau von 2017 liegenden M-&-Markt, und zwar sowohl beim Transaktionsvolumen als auch bei der Aggressivität in der Bewertung”, sagt Rainer Langel, Deutschland-Chef von Macquarie.An den Eigenkapitalmärkten – hier steht 2018 voraussichtlich die Megakapitalerhöhung von Bayer zur Finanzierung der Monsanto-Übernahme an – erwartet Langel für 2018 die stärksten Aktivitäten hierzulande seit dem Boom um 2000. “Das Ende des Zyklus ist meiner Meinung nach noch nicht erreicht”, aber niemand solle so blauäugig sein, dass es auf Sicht der nächsten Jahre so weitergeht. Noch sind die Finanzierungen außerordentlich günstig, der Fremdfinanzierungsanteil hoch und die Unternehmen hoch bewertet. Doch es werde eine “substanzielle Korrektur” geben, erwartet Langel. Er geht aber nicht davon aus, dass steigende Zinsen Auslöser dafür sein werden. Denn ein langsames Auslaufen der Niedrigzinsphase werde am Markt eskomptiert.Trigger für eine Korrektur könnte am ehesten eine Verunsicherung in einer Assetklasse sein – wie beispielsweise ein Einbruch des Ölpreises. Und er räumt ein: “Es ist ein gewisses Maß an Nervosität im Markt – alle warten darauf, dass sich die Vorzeichen irgendwo ändern.” In Buy-outs liegt der Kaufpreis mit mehr als dem 10-fachen Ebitda heute schon höher als vor Beginn der Krise.Deutsche Unternehmen mit starken Cash-flows haben sich in vielen Fällen über mehrere Refinanzierungsrunden das günstige Zinsumfeld gesichert, zusätzliche Fremdkapitalinstrumente hereingenommen und damit die Investorenbasis verbreitert, das Fälligkeitsprofil gestreckt und sich so die Niedrigzinsen auf Jahre gesichert. Hinzu kommt, dass deutsche Blue Chips sich bisher kaum von Aktivisten getrieben in M-&-A-Abenteuer stürzen. Die historisch niedrigen Zinsen sorgen für extrem günstige Kreditkonditionen, Banken gehen ins Risiko wie vor der Finanzkrise, Kreditauflagen (Covenants) sind kein Thema mehr.Zudem sitzen Konzerne auf Cash-Bergen; bevor sie eigene Aktien zurückkaufen oder mehr ausschütten, schauen sie auf Chancen für externes Wachstum. Aktivisten setzen Vorstände unter Druck, Strukturen zu ändern und Spin-offs anzugehen. Und die Digitalisierung gewinnt immer mehr an Bedeutung im M-&-A-Markt, da sich Konzerne nach innovativen Spielern umschauen. Gleichzeitig steigt der Anlagedruck von Finanzinvestoren mit ihren prall gefüllten Fonds: Stada (5,6 Mrd. Euro), Nets (5,6 Mrd.), Refresco (5,3 Mrd. Euro) und das Margarinegeschäft von Unilever, das für 6,8 Mrd. Euro an KKR geht, belegen den Trend. Historisches TiefTrotz hoher Bewertungen sind global Transaktionen rein per Aktientausch 2017 auf ein Rekordtief gesunken. Die Übernahme von Linde durch Praxair bestätigt als Ausnahme die Regel. Der Abbruch der Fusionsgespräche zwischen Sprint und T-Mobile US zeigt, wie schwierig Tauschgeschäfte sind, die zudem keine Prämie bringen. Share-for-Share-Deals mit US-Unternehmen machten in den ersten elf Monaten dem Volumen nach nur 10,6 % der Transaktionen aus. Damit ist 2017 das schwächste Jahr für solche Deals, seit dem Beginn der Datenerhebung von Dealogic 1995. Der Schnitt der vorigen 22 Jahre liegt bei 18,5 %.Investoren scheuen das Risiko, dass der Kurs des Bieters während des Übernahmeprozesses sinkt. Dies ist einer der Gründe, warum Rockwell Automation das Angebot von Emerson über 29 Mrd. Dollar abgelehnt hat. Beim Merger of Equals liegt die Chance zur Wertschöpfung in der Realisierung von Synergien. Vermieden wird aber die Schuldenlast aus einer Cash-Offerte.