DAS CFO-INTERVIEW -- IM INTERVIEW: ULRICH ZIMMERMANN

Bastei Lübbe will Konsolidierung mitgestalten

Finanzchef: Anorganisches Wachstum im Kerngeschäft - Verschuldung noch zu hoch - Börse ist für uns keine Finanzierungsquelle

Bastei Lübbe will Konsolidierung mitgestalten

Herr Zimmermann, ist Bastei Lübbe über den Berg?Ich würde das andersherum formulieren: Wir haben das Tal im letzten Geschäftsjahr durchschritten. Jetzt geht es aufwärts. Aber es liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns, bevor wir dort sind, wo wir hinwollen. Wo will Bastei Lübbe hin?Wir wollen Bastei Lübbe wieder zu einem Verlag machen. Unter dem alten Vorstand war das Unternehmen mit einer ganz anderen Strategie unterwegs. Damals ging es um Diversifizierung um jeden Preis. Diese glaubte man mit anorganischem Wachstum erreichen zu können. Das angestammte Kerngeschäft wurde vernachlässigt. Der neue Vorstand sieht das genau andersherum. Auch wir sehen die Notwendigkeit, anorganisch zu wachsen. Wir legen den Fokus allerdings auf das Kerngeschäft, den Buchverlag. Heißt das, dass Sie nach der Portfoliobereinigung jetzt wieder auf Akquisitionstour gehen?Wir haben zwei Zielsetzungen. Organisches Wachstum wollen wir über die Programmgestaltung und das Erschließen neuer Zielgruppen erreichen. Flankiert wird das durch anorganisches Wachstum. Hier wollen wir unser Know-how anderen, kleineren Verlagen im Wege von Kooperationen oder Nachfolgeregelungen anbieten. Es gibt in Deutschland etwa 3 000 Buchverlage und damit reichlich Konsolidierungspotenzial. Wie sieht die Zielbeschreibung für die finanziellen Eckdaten aus?Wir haben mittelfristig ein Umsatzziel von 100 Mill. Euro. Das werden wir rein organisch nicht schaffen, dafür brauchen wir auch Zukäufe. Zugleich wollen wir im Buchverlag eine Rendite bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 6 bis 8 % erwirtschaften. Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter mittelfristig?Das wollen wir in zwei bis vier Jahren erreichen. Akquisitionen lassen sich nie auf den Tag genau planen, aber bei 3 000 Buchverlagen gibt es ein ausreichend großes Angebot am Markt. Wir bekommen regelmäßig Anfragen. Wenn man sich 50 Verlage anschaut, kommen allerdings nur zwei oder drei Verlage überhaupt in Frage. Entscheidend ist für uns, dass wir das Wachstum ohne neue Schulden bewerkstelligen. Der Konzern war schlicht zu hoch verschuldet. Als Mittelständler können wir uns nicht mit großen Konzernen vergleichen. Bilanziell müssen wir uns wie ein normaler Mittelständler aufstellen. Was heißt das konkret?Unser Verschuldungsgrad, also die Relation des operativen Ergebnisses vor Abschreibungen (Ebitda, Anm. d. Red.) zur Nettoverschuldung, lag zum Bilanzstichtag bei 2,3. Allerdings nutzen wir in hohem Maße auch außerbilanzielle Finanzierungen, konkret Factoring. Wenn man das Factoring dazurechnet, dann beläuft sich unsere Verschuldung eben nicht auf 20 Mill. Euro, sondern auf 30 Mill. Euro. Das ist immer noch zu hoch. Für das Wachstum haben wir für die nächsten drei Jahre 12 Mill. Euro an Finanzmitteln eingeplant. Das Wachstum soll allerdings aus dem freien Cash-flow finanziert werden. Als Herausforderung kommt hinzu, dass die Aktionäre mittelfristig auch wieder eine Dividende sehen wollen. Das haben wir bislang noch nicht in den Blick genommen. Dafür müssen wir erst einmal die finanziellen Rahmenbedingungen schaffen. Das spricht nicht unbedingt für ein Investment in die Aktie.Unsere Equity Story sieht wie folgt aus: Mittelfristig werden wir ein solides Papier ohne hohe Risiken sein. Unser Geschäft ist weder von der Konjunktur noch von anderen exogenen Faktoren abhängig. Unser Markt ist stabil. Bei guter Arbeit kann das Unternehmen jährlich mit 2 bis 3 % wachsen. Mit unserer Aktie im Depot kann man ruhig schlafen und darf mit regelmäßigen Dividenden rechnen. Wir haben uns mittelfristig eine Ausschüttungsquote von 40 bis 50 % zum Ziel gesetzt. Das sollte eine vernünftige Dividendenrendite von 3 bis 4 % ergeben. Große Kurssprünge sollte man jedoch nicht erwarten. War es ein Fehler, den Verlag an die Börse zu bringen?Ich denke schon, dass man ein Unternehmen mit einer Umsatzgrößenordnung von 100 Mill. Euro an der Börse gut führen kann. Die Frage ist aber doch, was die Börsennotierung einem Unternehmen neben den nicht unbeträchtlichen Kosten an Vorteilen bringt. Nach meiner Einschätzung ist das die permanente Auseinandersetzung mit sich selbst, man wird ständig gefordert und hinterfragt. Dadurch lernt man, Entscheidungen sehr rational zu treffen. Der Börsengang war sicher kein Fehler, allerdings ist die Börse für uns keine Finanzierungsquelle. Wir planen keine Kapitalerhöhungen. Das wäre angesichts des Aktienkurses – die Aktie wurde 2013 zu 7,50 Euro je Aktie emittiert, aktuell notiert das Papier bei 2,70 Euro – wohl auch kontraproduktiv.Das passt aber auch vom Aktionariat nicht. Mit 44 % ist die Familie Lübbe unverändert die größte Einzelaktionärin. Die Familie und auch die anderen größeren Aktionäre sind sicher nicht an einer Kapitalerhöhung interessiert. Das ist aber auch nicht erforderlich, weil wir keine Buy-and-Build-Strategie fahren. Um das Unternehmen wetterfest zu machen, mussten Sie den Konsortialkredit neu verhandeln. Was stand dabei im Vordergrund?Ganz entscheidend war, das Vertrauen der Kreditgeber in das Geschäftsmodell Verlag wiederzugewinnen. Das war schwierig, da unsere Vorgänger im Vorstand argumentiert hatten, dass in andere Geschäftsfelder investiert werden müsse, weil der Verlag nicht zukunftsfähig sei. Das hatte sich ein Stück weit in den Köpfen unserer Kreditgeber verankert. Wir mussten darlegen, dass unser Kerngeschäft durchaus gesund ist und Zukunftschancen hat. Das war sehr herausfordernd. Welche Konsequenzen hatte es, dass Sie in der Vergangenheit Covenants gebrochen hatten?Wir werden heute natürlich viel enger begleitet als das vor drei Jahren der Fall war. Heute müssen wir monatlich unsere Zahlen präsentieren, müssen nachweisen, dass unsere Prognose belastbar ist. Wie sind Sie bei der Refinanzierung vorgegangen?Die Refinanzierung sind wir zweistufig angegangen. In einem ersten Schritt haben wir eine auf 15 Monate befristete Finanzierung geschaffen. Der erste Kreditvertrag über 30 Mill. Euro war bis März 2020 befristet. Nachdem wir das Portfolio bereinigt und das Effizienzprogramm abgeschlossen hatten, haben wir den Banken im Frühjahr dieses Jahres unsere Mittelfristplanung vorgestellt und dargelegt, dass wir zum Erreichen der Mittelfristziele eine verlässliche Finanzierung benötigen. Es lief also auf eine Verlängerung des Konsortialkredits hinaus.Nicht nur. Wir haben unsere Finanzierung jetzt bis März 2022 gesichert und das Volumen auf 20 Mill. Euro reduziert. Der neue Kreditvertrag gibt uns ausreichend Spielraum, selbst wenn wir die geplanten Investitionsmittel von 12 Mill. Euro nicht aus eigener Kraft stemmen könnten. Wir haben Luft in dem Kreditvertrag, so dass wir nicht gleich bei jeder Zielverfehlung wieder bei den Banken vorstellig werden müssen. Wer gehört dem Bankenkonsortium an, und wie sehen die Covenants aus?Konsortialführer ist die Commerzbank, daneben gehören Deutsche Bank und die Sparkasse KölnBonn zur Bankengruppe. Wir haben zwei Covenants, die wir vierteljährlich testen müssen. Wir müssen rollierend ein Mindest-Ebitda erwirtschaften und wir haben eine absolute Vorgabe für das Eigenkapital, das mindestens vorhanden sein muss. Das Konsortium bestand darauf, absolute Zahlen, die sich eng an den Businessplan anlehnen, vorzugeben. Das sind Zugeständnisse, die muss man in der Restrukturierungsphase machen. Darüber hinaus haben sich die Banken auch Mitspracherechte einräumen lassen. Welche Themen betrifft das?Das betrifft Investitionen in beide Richtungen. Während der Portfoliobereinigung mussten die Banken den Verkäufen zustimmen, und wenn wir jetzt investieren wollen, geht das nur in Abstimmung mit den Kreditgebern. Gilt das auch für Investitionen in organisches Wachstum?Nein, das betrifft ausschließlich anorganisches Wachstum. Für organisches Wachstum ist nur das Geld vorhanden, das zuvor erwirtschaftet wurde. Das heißt aber umgekehrt, dass wir völlig frei sind, in welche Autoren und Stoffe wir investieren. Die Banken entscheiden auch mit, ob eine Dividende ausgeschüttet wird oder nicht. Heißt das, bis März 2022 gehen die Aktionäre in jedem Fall leer aus?Nein, das kann man so nicht sagen. Ich gehe davon aus, wenn der Vorstand eine Ausschüttung wirtschaftlich gut begründen kann, würden sich die Banken nicht sperren. Zumindest solange die Dividende nicht aus geliehenem Geld finanziert wird. Wenn wir wie geplant die Verschuldung weiter zurückführen, gibt es keinen Grund, eine Ausschüttung zu verbieten. Sie haben das Portfolio bereinigt. Einzig die Beteiligung am Spielentwickler Daedalic sind Sie noch nicht losgeworden. Warum haben Sie den Verkaufsprozess jetzt auf Eis gelegt?Wir haben die Gespräche nach einem Jahr unterbrochen. In dieser Zeit haben wir etwa 60 potenzielle Investoren getroffen und uns mit einem guten Dutzend strategischer Investoren ausgetauscht. Am Ende hatten wir allerdings von keinem Interessenten ein belastbares Angebot vorliegen. Offenbar war die Zeit noch nicht reif, um Daedalic zu verkaufen. Wie geht es jetzt weiter?Das Management von Daedalic muss sich jetzt erst einmal um das operative Geschäft kümmern. Wir haben die große Lizenz für “Herr der Ringe” erworben. Das Spiel soll Ende 2021 auf den Markt kommen. Das hat Priorität. Wir als Verlagsvorstand können das Geschäft nicht verkaufen, das muss das Management machen, das mit 49 % beteiligt ist. Bastei Lübbe hält mit 51 % die Mehrheit, ist aber nicht in das operative Geschäft eingebunden. Stehen Sie finanziell in der Pflicht?Nein, die Gesellschaft muss sich selbst finanzieren. Das Geschäft bräuchte wahrscheinlich einen besseren Shareholder als wir das sind. Wir wollen und können gar nicht in das Geschäft investieren, weil wir die verfügbaren Mittel für unser Kerngeschäft benötigen. Keine Frage, dass Daedalic damit Chancen entgehen. Vernichtet der Verlag mit diesem Verhalten nicht auch Werte?Von Wertvernichtung würde ich nicht sprechen. Weil die Beteiligung schon auf null abgeschrieben ist?Die Beteiligung steht mit 9,4 Mill. Euro in der Bilanz. Den Wert der Beteiligung können wir erhalten, da das Unternehmen eine eigene Finanzierung hat und in diesem Rahmen in die Spieleentwicklung investieren kann. Brauchen Sie die Zustimmung der Mitgesellschafter, wenn sie ihre Beteiligung verkaufen wollen?Für einen Erwerber macht ein Kauf natürlich mehr Sinn, wenn die Mitgesellschafter, die zugleich wesentlich das Management stellen, der Transaktion zustimmen. Mit wie viel Euro steht Daedalic bei welcher Bank in der Kreide?Daedalic nutzt einen Rahmenkredit über rund 8 Mill. Euro bei der Commerzbank. Das Interview führte Annette Becker.