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Baumärkte forcieren Digitalisierung statt Rabattschlachten

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.5.2017 Kaum gibt es erste frühlingshafte Tage mit Sonnenschein bei milden Temperaturen, wird in den Gärten gepflanzt, gebaut und ausgebessert, was das Zeug hält. An solchen Tagen erleben die...

Baumärkte forcieren Digitalisierung statt Rabattschlachten

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtKaum gibt es erste frühlingshafte Tage mit Sonnenschein bei milden Temperaturen, wird in den Gärten gepflanzt, gebaut und ausgebessert, was das Zeug hält. An solchen Tagen erleben die Baumärkte einen Kundenansturm. So ziemlich alles vom Rasensamen über Hacke und Schaufel, Pflanzenringe und Terrassenplatten bis hin zu Kies wird gekauft – es muss nur mit Garten oder sonstigen Freiluftarbeiten zu tun haben.Doch das Baumarktgeschäft ist auch in der Do-it-yourself-Hochburg Deutschland kein Selbstläufer. Selbst wenn Geschäfts- und Werbestrategie nachhaltig sind und sich nicht auf längere Sicht als existenzvernichtend herausstellen – wie die “20 %-auf-alles”-Kampagnen der pleitegegangenen Praktiker-Kette -, müssen Baumarktbetreiber auf die Zeichen der Zeit achten. Derzeit sind das – wenig überraschend – Digitalisierung, der Trend zum “Cocooning” und der demografische Wandel. Online von 5 auf 22 Prozent?Zentrale Bedeutung für den Baumarkthandel und die DIY-Branche wird nach Angaben des Handelsverbandes Heimwerken, Bauen und Garten (BHB) in den nächsten Jahren haben, Kunden mit einem differenzierten Omnichannel-Angebot anzusprechen, attraktive Sortimente mit guter Beratung sowie digitalen Service-Angeboten im Markt vor Ort zu präsentieren und kundenfreundliche Lieferlösungen anzubieten.Der stationäre Handel – u.a. die großen Ketten (Obi, Bauhaus, Toom, Hornbach etc.) – ist weiter die erste Anlaufstelle für Konsumenten. Dieser muss aber viel investieren, um seine Vorrangstellung gegenüber digitalen Wettbewerbern (etwa Amazon) zu verteidigen, auch wenn der Anteil des digitalen Geschäfts am Gesamtumsatz der Branche mit rund 5 % noch vergleichsweise gering ist. Gemäß der repräsentativen Studie “Trends im Handel 2025” der Unternehmensberatung KPMG, des EHI Retail Instituts Köln, des Handelsverbands Deutschland (HDE) und des Marktforschers Kantar TNS erwarten die Befragten aber, in den nächsten fünf Jahren 22 % ihrer Baumarktartikel online einzukaufen.Gerade bei Baumarktartikeln ist der Studie zufolge die starke Nutzung der Kunden von Omnichannel-Angeboten auffällig. Wichtig sei ihnen ein hohes digitales Service-Angebot der Händler, vor allem im Hinblick auf die Produktberatung, denn sie “wollen ihre Informations- und Kaufprozesse zeitlich und räumlich flexibel gestalten”, betont BHB-Vorstandssprecher Detlef Riesche. Durch multimediale Warenpräsentationen, aber auch mit digitalen Terminals im Markt, Mobile-Devices wie Tablets für Kunden und Berater und dem Anbieten von Services unter Nutzung von 3-D-Anwendungen – etwa zur Planung der Raumgestaltung und Innendekoration – werde das stationäre Angebot attraktiver, meint Riesche. Gleichzeitig gelte es, den Auf- und Ausbau von Onlineshops, Unternehmensblogs und Social-Media-Angeboten voranzutreiben. Branchenkennern zufolge sind Bauhaus und Hornbach im Bereich Digitalisierung am weitesten.Von großer Relevanz sind auch Logistikleistungen, gerade mit Blick auf das veränderte Einkaufsverhalten und die Lebensumstände vieler Konsumenten (Konzentration in städtischen Ballungsräumen, viele Single-Haushalte, kein eigenes Fahrzeug). Daher müssen Möglichkeiten zur Online-Reservierung mit nachfolgender Abholung im Markt geschaffen werden. Auch Angebote, im Markt erworbene Waren zeitnah zu den Kunden nach Hause zu liefern, müssen ausgebaut werden. Dieser Entwicklung Rechnung tragen u.a. die britische Kingfisher-Gruppe, die in Deutschland aktuell 19 relativ kleine “Screwfix”-Filialen im Ballungsraum Rhein-Main-Neckar sowie in Nordrhein-Westfalen unterhält, sowie Hornbach, die seit längerem “Kompakt”-Filialen in Innenstädten testet, die wesentlich kleiner als die üblichen Hornbach-Märkte sind.Auf Sortimentsebene sind die bedeutendsten Trends “Homing” und “Cocooning”, d.h. die Aufwertung des eigenen Zuhauses zum gemütlichen Rückzugsort, aber auch zum Mittelpunkt des Soziallebens. Das fördert die Nachfrage etwa nach angenehmen Bodenbelägen, aber auch nach Haus- und Sicherungstechnik. Terrasse wird Outdoor-KücheEin Dauerbrenner ist laut BHB das Thema Outdoor-Living/Garten: Baumarktkunden seien heute bereit, erhebliche Summen etwa in Gartenmöbel oder den Grill zu investieren. “Die Terrasse wird immer mehr zur Outdoor-Küche”, sagt Kai Kächelein, stellvertretender Sprecher des BHB-Vorstands. Gut 22 % des Gesamtumsatzes in der Branche wurden 2016 mit dem Gartensortiment erzielt; Tendenz steigend.Auch der demografische Wandel hat für die Baumarktbranche große Bedeutung. Die Altersgruppe “50 +” ist als Nachfrager grundsätzlich wichtig für Obi & Co. – und dank der geburtenreichen Jahrgänge 1955 bis 1969 ist diese Gruppe stark gewachsen. Auch auf lange Sicht wollen die “Babyboomer” zu Hause in der vertrauten Umgebung leben. “Dies führt zu einer steigenden Nachfrage nach Produkten für sichere Mobilität zur Modernisierung des eigenen Zuhauses”, so Kächelein. Dabei seien Hilfsmittel wie Ein- und Ausstiegsvereinfachungen in Bäder und Duschen und Haltegriffe ebenso gefragt wie Antirutsch-Teppiche. Auch das Thema Smart-Home hat die Branche längst erfasst. Zunehmend nachgefragt werden z.B. die tageszeitabhängige Steuerung von Heizung, Beleuchtung oder Jalousien.Trotz dieser für die Baumarktbranche positiven Entwicklungen – die gleichzeitig Möglichkeiten zur Differenzierung vom Wettbewerb bieten, den Rabattschlachten sind passé – gibt es keine Umsatzsprünge. Nach Angaben des BHB setzte die Branche im Vorjahr in Deutschland brutto 18,24 Mrd. Euro um; ein Plus von 1,5 % im Vergleich zu 2015. Bereinigt um Veränderungen der Verkaufsfläche bleibt ein Wachstum von 0,8 %. Die Prognose des BHB für das laufende Jahr sieht einen Erlösanstieg von 1,3 % auf rund 18,5 Mrd. Euro vor; flächenbereinigt ein Plus von 1 %.