IM INTERVIEW: LIAM CONDON

Bayer-Anwälte suchen nach Struktur für einen Vergleich

Cropscience-Chef: Unsere Bedingungen müssen erfüllt sein - 1 000 Wissenschaftler forschen an Alternative zu Glyphosat - Integration klappt schneller als geplant

Bayer-Anwälte suchen nach Struktur für einen Vergleich

Während Bayer nach dem Zusammenschluss mit Monsanto von den Möglichkeiten in Forschung & Entwicklung in der Landwirtschaft schwärmt, wird in der breiten Öffentlichkeit wie auch am Kapitalmarkt vor allem auf die Glyphosat-Klagewelle in den USA geschaut. Darüber sprach die Börsen-Zeitung mit Liam Condon, dem Chef von Bayer Cropscience. Herr Condon, die Zahl der Kläger gegen Monsanto wegen der behaupteten Krebserkrankung ist zuletzt auf etwa 18 400 gestiegen. Wie gehen Sie damit persönlich um?Es liegt in der Natur des US-amerikanischen Rechtssystems, dass die Zahl der Kläger insbesondere infolge von TV-Werbung durch Klägeranwälte steigt. Auch eine Mediation kann eine Erhöhung der Zahl der Kläger zur Folge haben. Ich gehe davon aus, dass wir auch im dritten Quartal steigende Klägerzahlen sehen werden. Das sagt aber nichts über die Qualität der Klagen aus. Es wird getrommelt, um eine ordentliche Verhandlungsmasse zusammenzubekommen. Wie läuft der Mediationsprozess?Ich bin persönlich nicht dabei. Das ist Sache der Anwälte. Es wird geschaut, ob man eine Struktur für einen Vergleich finden kann. In dieser ersten Phase wird nicht in erster Linie über Summen gesprochen, sondern vor allem über eine mögliche Struktur verhandelt. Wie schnell kann es zu einem Vergleich kommen und was wären dafür die Voraussetzungen?Über den Terminplan kann ich gar nichts sagen. Für uns ist entscheidend, dass unsere beiden Bedingungen erfüllt sind. Das ist einmal die finanzielle Angemessenheit des Vergleichs, und es muss ein finaler Abschluss sein. Es kann nicht sein, dass ein etwaiger Vergleich eine Hintertür für weitere Klagen offenlässt. Ob es unter diesen Bedingungen zu einem Vergleich kommt, kann ich überhaupt nicht einschätzen. Weitere Klagen sind nicht auszuschließen, weil die Inkubationszeit zwischen der Verwendung von Roundup und dem Auftreten der Krebserkrankung so lange ist.Bei dem behaupteten Zusammenhang ist das so. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir zweigleisig vorgehen. Das heißt, wir gehen einerseits den Instanzenweg und bearbeiten die neuen Klagen, und andererseits prüfen wir in der Mediation, ob wir eine außergerichtliche Einigung finden. Die US-Klagewelle um Roundup ist das eine. In Europa kommt es mit Blick auf Glyphosat und dessen Zulassung erneut zum Streit. Mit welchen Argumenten wollen Sie die Politik von einer erneuten Zulassung überzeugen?Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in Europa auf europäischer Ebene zugelassen werden und nicht auf nationaler Ebene. Der normale Prozess ist, dass die zuständige Behörde EFSA eine Bewertung vornimmt und sagt, ob der Wirkstoff wirksam und sicher ist. Bis Mitte Dezember muss der Antrag auf Wiederzulassung von Glyphosat bei den zuständigen Behörden eingereicht werden. Wir sagen den Politikern: Lasst den Bewertungsprozess laufen und schaut, was die Wissenschaftler sagen. Die Entscheidung steht für Ende 2022 an. Womit wir neben der Sicherheit argumentieren ist das Thema Nachhaltigkeit. Gerade in Deutschland wird darüber viel gesprochen. In dieser Hinsicht hat Glyphosat durchaus Vorteile. Alle Alternativen, die diskutiert werden, sollte man genauso detailliert betrachten und die Vor- und Nachteile abwägen. Da werden momentan viele Alternativen versprochen, die in Wirklichkeit gar keine sind. Uns ist wichtig, dass die Landwirte nicht im Stich gelassen werden. Wenn man sich das vorherige Abstimmungsergebnis der EU anschaut und die jüngsten Aussagen der Bundesregierung kennt, sind die Aussichten für eine erneute Zulassung nicht gerade rosig. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?Ganz klar, wir geben den Prozess nicht schon heute verloren. Wir setzen darauf, dass der Wirkstoff durch das normale Wiederzulassungsverfahren läuft, und dann wird die EFSA zu einer Bewertung kommen. Danach sollte die Politik entscheiden. Uns ist wichtig, dass wir als Gesellschaft die wissenschaftliche Bewertung nicht vorwegnehmen. Denn wenn wir die Vorgaben nicht einhalten, brauchen wir die ganzen Regularien nicht. Sie haben angekündigt, in den nächsten zehn Jahren 5 Mrd. Euro in die Forschung nach Alternativen zu Glyphosat zu stecken. Müssen Sie mit Blick auf das Zulassungsverfahren nicht schneller vorgehen?Wir haben immer nach neuen Unkrautmitteln geforscht. Wir sind dabei nicht auf chemische Produkte fixiert, sondern forschen sehr technologieoffen. Entscheidend sind Wirksamkeit und Sicherheit. Über all die Jahrzehnte haben wir viel investiert, aber leider kein besseres Mittel entwickeln können – genauso wenig wie unsere Konkurrenten. Es wäre der Traum einer jeder Firma, ein Nachfolgeprodukt zu finden. Der Markt für Unkrautbekämpfungsmittel ist riesig. Dass es derzeit keine gleichwertige Alternative gibt, liegt nicht an mangelnden Investitionen, sondern daran, dass es so schwierig ist. Wir werden weiter nach Alternativen suchen. Ich glaube aber eher nicht, dass es ein Ersatzprodukt mit vergleichbarem Wirkspektrum und zugleich besserem Sicherheitsprofil gibt. Von daher gehe ich davon aus, dass Glyphosat das Basisprodukt bleibt, vergleichbar mit Penicillin bei Antibiotika. Wir werden weiterhin massiv investieren. Schon jetzt sitzen weit mehr als 1 000 unserer Wissenschaftler daran. Schneller kann man nicht sein. Wir tun weit mehr als andere Firmen auf diesem Gebiet. Glyphosat und das dazugehörige Saatgut waren die ausschlaggebenden Argumente für die Übernahme von Monsanto.Das würde ich korrigieren. Wir haben von Anfang an gesagt, der Zusammenschluss basiert auf Innovation. Die Logik war, dass wir zusammen innovativer sein können als jeder für sich. Glyphosat ist keine Innovation, Produkte auf Basis dieses Wirkstoffs gibt es seit mehr als 40 Jahren. Das Interesse lag auf neuem Saatgut, neuen Pflanzeneigenschaften, Keimplasma und der digitalen Plattform. Wie weit sind Sie mit der Integration von Monsanto in die Bayer-Organisation? Was haben Sie erreicht, und was liegt noch vor Ihnen?Wir hatten die Integration im Vorfeld detailliert geplant. In allen Aspekten liegen wir heute vor unserem Zeitplan, sowohl was die Kosten- als auch was die Umsatzsynergien angeht. Von den Synergiezielen – bis 2022 Einsparungen von rund 1 Mrd. Euro – entfallen in etwa 80 % auf Kosten- und 20 % auf Umsatzsynergien. Wir hatten angekündigt, in diesem Jahr 25 % der Kostensynergien zu erreichen. Da sind wir gut unterwegs. Das liegt sicherlich auch daran, dass wir von Anfang an auf gemischte Teams gesetzt haben, ehemalige Monsanto-Manager arbeiten jetzt in Monheim und langjährige Bayer-Manager in St. Louis. Der personelle Austausch sorgt für mehr Verständnis auf beiden Seiten. Hat die Klagewelle in dieser Hinsicht befruchtet?Aufgrund der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit war klar, dass wir schneller zusammenrücken müssen – und tatsächlich wachsen die Teams schneller zusammen. Im Zuge der Integration fallen bei Cropscience weltweit bis Ende 2021 knapp 4 100 Stellen weg. Ist das alles schon vertraglich festgezurrt?Die meisten Kostensynergien fallen in Nord- und Lateinamerika an. Von daher findet der Stellenabbau überwiegend außerhalb Deutschlands statt. Dort sind die Prozesse nicht so zeitaufwendig wie in Deutschland. Wir sind auf einem guten Weg, aber es sind noch nicht alle Verträge unterzeichnet. Das Interview führte Annette Becker.