Bayer steht vor massivem Stellenabbau
Bayer steht vor massivem Stellenabbau
Arbeitnehmer akzeptieren neues Betriebsmodell – Betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2026 ausgeschlossen – Kampf um Erhalt der „One-Bayer-Struktur“
ab Düsseldorf
Bayer hat sich mit den Arbeitnehmervertretern auf einen massiven Stellenabbau verständigt. Zum Umfang werden noch keine Angaben gemacht. Klar ist aber, dass zahlreiche Stellen betroffen sind, allen voran in Deutschland, wo die Konzernzentrale steht. Das neue Betriebsmodell zielt auf den Abbau von Hierarchien.
Im Zusammenhang mit dem neuen Organisationsmodell hat sich Bayer mit den Arbeitnehmervertretern verständigt. Dazu gehörten Regelungen für den im Zuge der Restrukturierung zu erwartenden „erheblichen Personalabbau in den Konzerngesellschaften in Deutschland“, teilte Bayer mit. Zum Umfang des Stellenabbaus werden keine Angaben gemacht. Das sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich, sagte ein Sprecher, weil der Stellenabbau weitgehend dezentral vonstattengehen soll. Auf dem Kapitalmarkttag Anfang März gebe es mehr Details – zumindest, was das erwartete Einsparpotenzial betrifft.
Der seit Mitte Juni amtierende Vorstandschef Bill Anderson hatte im Herbst die Einführung eines neuen Organisationsmodells namens „Dynamic Shared Ownership“ angekündigt. Damit sollen Hierarchien abgebaut, Bürokratie beseitigt und Strukturen verschlankt werden, um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Vor allem im mittleren und leitenden Management sind Stellen in Gefahr.
Zusammenhalt beschworen
Das neue Betriebsmodell werde „zulasten vieler Führungskräfte gehen“, sagt Barbara Gansewendt, Vorsitzende des Konzernsprecherausschusses, der die Interessen der leitenden Angestellten vertritt. Das sei eine bittere Pille. Es gebe aber keine gangbare Alternative. Konzernweit beschäftigt Bayer gut 100.000 Personen, in Deutschland, wo die Konzernzentrale angesiedelt ist, sind es 22.000.
Schweren Herzens
„Bayer befindet sich in einer schwierigen Lage. Um die Leistungsfähigkeit und unseren Handlungsspielraum schnell und nachhaltig zu verbessern, sind jetzt einschneidende Maßnahmen notwendig“, wird Arbeitsdirektorin Heike Prinz zitiert. Dabei sei von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmensführung und Arbeitnehmervertretung an einem Strang zögen. Das komme in der gemeinsamen Erklärung zum Ausdruck.
Aus Sicht der Arbeitnehmervertretung geht es auch um den Erhalt des Konzerns mit seinen drei Divisionen. „Wir sehen mit dem neuen Betriebsmodell eine große Chance, unsere wirtschaftliche Situation deutlich zu verbessern“, sagt Heike Hausfeld, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, ergänzt jedoch, den neuen Maßnahmen nur „schweren Herzens“ zugestimmt zu haben. Doch die bereits laufenden und eingeleiteten Maßnahmen reichten nicht aus. Immerhin sei es gelungen, den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen um ein Jahr bis Ende 2026 zu verlängern.
Drohkulisse
Oberste Priorität sei, die Zukunft der Beschäftigten zu sichern. Dafür bestünden die größten Möglichkeiten in der bestehenden „One-Bayer-Struktur“, sekundiert Aufsichtsratsmitglied Francesco Grioli, der auch Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG Bergbau, Chemie, Energie ist.
Der geplante Stellenabbau soll bis spätestens Ende 2025 abgeschlossen sein. Beschäftigten, deren Stelle wegfällt, wird eine sechsmonatige Bedenkzeit eingeräumt, um sich beruflich außerhalb des Konzerns zu orientieren. Um dennoch die Geschwindigkeit in den Prozess zu bringen, wird auch eine Drohkulisse aufgebaut: Wer das Unternehmen bis Ende 2026 nicht verlassen hat, obwohl seine Stelle weggefallen ist, werde zum 31. Dezember 2026 „notfalls betriebsbedingt gekündigt“, heißt es. Der außergewöhnliche Ernst der Lage spiegele sich auch in der kurzen Verlängerung der Betriebsvereinbarung. „Die seit 27 Jahren eher theoretische Gefahr von betriebsbedingten Kündigungen am Ende einer Beschäftigungssicherungsvereinbarung ist damit zu einer realen Option geworden“, kommentiert Hausfeld.
Einsparprogramme
Seit der Übernahme des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto im Jahr 2018 hat Bayer schon umfangreiche Effizienz- und Sparprogramme auf den Weg gebracht. Das letzte stammt aus dem Herbst 2020 und soll bis 2024 zu Einsparungen von 1,5 Mrd. Euro führen. Allerdings haben die Leverkusener nie Aussagen dazu getroffen, wie viele Stellen dabei dem Rotstift zum Opfer fallen sollten.
Der neue Vorstandschef nimmt mit dem neuen Betriebsmodell jedoch einen völlig neuen Weg. Zwar geht es letztlich auch darum, Kosten einzusparen, doch rückt Anderson von der bisherigen Methode ab, ein Einsparziel auszurufen, das dann Abteilung für Abteilung nach unten durchgereicht wird. Zwölf Hierarchieebenen zwischen ihm und den Kunden sei „einfach zu viel“, hatte er es im Herbst auf den Punkt gebracht.