Neue Blockbuster-Produkte

Bayer kurbelt Agrar-Innovation in schwierigem Umfeld an

Die Agrarsparte von Bayer will sich nach der US-Glyphosatkontroverse als Innovationsmotor aufstellen. Der Konzern hat nun angekündigt, in den kommenden zehn Jahren zehn Produkte mit einem Erlöspotenzial von jeweils mehr als 500 Mill. Euro lancieren zu wollen – Landwirte harren der neuen Lösungen gespannt.

Bayer kurbelt Agrar-Innovation in schwierigem Umfeld an

Bayer kurbelt Agrar-Entwicklung an

Konzern kündigt zehn „Blockbuster“-Produkte binnen zehn Jahren an – Klima-Herausforderungen als Erlöschance

Die Agrarsparte von Bayer will sich nach der US-Glyphosatkontroverse als Innovationsmotor aufstellen. Der Konzern hat nun angekündigt, in den kommenden zehn Jahren zehn Produkte mit einem Erlöspotenzial von jeweils mehr als 500 Mill. Euro lancieren zu wollen – Landwirte harren der neuen Lösungen gespannt.

xaw zzt. Chicago

Kelly Nieuwenhuis weiß farbenfroh von seinem Berufsalltag im Nordwesten des US-Bundesstaats Iowa zu erzählen. „Dort eine Farm zu betreiben, ist wie in Chicago Auto zu fahren: Sie wissen nie, wann Sie jemand seitlich rammt“, sagt der Landwirt über die Wetterverhältnisse, die in den vergangenen Saisons zunehmend extremer geworden seien. Auf die schwersten erfassten Dürreperioden seit 175 Jahren seien starke Fluten gefolgt, hinzu kämen heftige Stürme und Gewitter.

Milliardenschwere Pipeline

Für Landwirte wie Nieuwenhuis sind damit neue Lösungen gefragt, um den Bodenertrag ihrer Mais- und Sojabohnenfelder nicht einbrechen zu lassen. Aus Sicht der großen Agrokonzerne bedeuten die durch den Klimawandel verursachten Herausforderungen für Farmer unterdessen geschäftliche Chancen. Die Cropsciences-Division von Bayer will ihren adressierbaren Markt durch einen Fokus auf die regenerative Landwirtschaft langfristig auf über 200 Mrd. Euro verdoppeln – und setzt dabei neben klassischen Geschäftsfeldern auch auf ein Wachstum bei Biotreibstoffen und auf digitalen Plattformen.

In der laufenden Woche kündigte der Konzern im Rahmen einer Innovationskonferenz in Chicago an, in den kommenden zehn Jahren zehn „Blockbuster“ an den Markt bringen zu wollen. Dabei handelt es sich um Landwirtschafsprodukte, die nach Unternehmensangaben jeweils mehr als 500 Mill. Euro zum Spitzenerlöspotenzial der Forschungs- und Entwicklungspipeline von mehr als 32 Mrd. Euro beitragen dürften.

Neue Unkrautvernichter

Dazu zählen neue Herbizide und Fungizide, mit denen Bauern ihre Pflanzen vor dem Befall durch Schädlinge und Pilze schützen können sollen, die infolge klimatischer Veränderungen inzwischen auch in nördlichen Breitengraden und höheren Lagen auftreten als bisher. Flankieren will Bayer dies durch neue genetische Modifikationen, infolge derer Sojabohnen eine Toleranz gegen eine stetig wachsende Zahl an hochpotenten Unkrautvernichtern aufbauen sollen.

Inwieweit Herbizide tatsächlich Teil regenerativer Agrarstrategien sein sollten, ist in der Landwirtschaft umstritten. Während Betreiber organischer Farmen ganzheitliche Nachhaltigkeitssysteme und einen geringeren Einsatz chemischer Wirkstoffe fordern, konzentrieren sich konventionelle Bauern bei ihren Bemühungen um regenerativen Anbau darauf, den Boden weniger zu pflügen sowie Zwischenfrüchte anzubauen.

Der geringere Aufwand zur Bodenbearbeitung soll dazu beitragen, den Klimawandel zu bekämpfen. Einerseits soll sich somit der Einsatz von Landwirtschaftsmaschinen reduzieren, die mit fossilen Treibstoffen betrieben werden. Andererseits schließt der Boden viel CO2 ein, das durch den Verzicht auf das Pflügen nicht freigesetzt wird. Weil sich Unkraut somit aber nicht mehr über die Bodenbearbeitung kontrollieren lässt, wird laut dem Handelsverband Crop Life International daher ein verstärkter Einsatz von Herbiziden notwendig.

Teure Rechtsstreitigkeiten

Auch Glyphosat kommt eine potenziell entscheidende Rolle für den Ausbau der regenerativen Landwirtschaft zu. In den USA muss sich Bayer seit der über 60 Mrd. Dollar teuren Übernahme von Monsanto mit einer Klagewelle rund um den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup auseinandersetzen und lancierte 2020 ein milliardenschweres Programm, um den Großteil der Klagen ohne Haftungseingeständnis beizulegen. Noch sind tausende Fälle offen, bisher hat die Glyphosat-Klagewelle hat den Konzern schon 13 Mrd. Euro gekostet.

„Die Belastung für unsere Reputation wiegt in Deutschland und Europa interessanterweise schwerer als in Nordamerika, wo die rechtlichen Auseinandersetzungen anhängig sind“, sagt Frank Terhorst, Leiter Strategie und Nachhaltigkeit der Cropsciences-Division, gegenüber der Börsen-Zeitung. Mit der Wettbewerbsposition zeigt sich Terhorst trotz eines Erlösrückgangs der Sparte um 3% im ersten Quartal 2024 „zufrieden“, die Investitionsvolumina in Forschung und Entwicklung wolle Bayer „auf dem gleichen Level“ wie in den Vorjahren halten. Vor Sondereinflüssen standen 2022 hier Aufwendungen von 2,6 Mrd. Dollar zu Buche.

Niedriger Mais als Chance

Iowa-Farmer Nieuwenhuis sieht insbesondere „Preceon Smart Corn“, ein System zum Anbau niedriger wachsender Maispflanzen als Lösung für viele Probleme auf seinen Feldern. Im Gegensatz zu klassischen, höheren Süßgräsern sänken dadurch die Ernteausfälle durch Windschäden. Zudem sei die Behandlung der Pflanzen dadurch deutlich einfacher, wie die beiden bisherigen Testsaisons gezeigt hätten. Bayer will nach der natürlich gezüchteten „Preceon“-Variante, für die in Europa und den USA der Probeanbau auf mehr als 12.000 Hektar läuft, auch eine Biotech-Version an den Markt bringen, für die ein flexiblerer Anbau möglich sein soll. Der Start in den USA ist für 2027 geplant – Nieuwenhuis hofft, ab dann seltener seitlich gerammt zu werden.

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