Prognose hat Bestand

Bayer lässt in Agrarchemie reichlich Federn

Bayer hat die Markterwartungen im zweiten Quartal übertroffen. Doch der Blick in die einzelnen Segmente zeigt Fallstricke auf. Insbesondere in der Agrarchemie gibt es Gegenwind vom Markt.

Bayer lässt in Agrarchemie reichlich Federn

Bayer kämpft in Agrarchemie mit Gegenwind

Prognose hat Bestand, aber Anpassung in einzelnen Segmenten – 3.200 Beschäftigte haben den Konzern verlassen

ab Köln

Der Zwischenbericht von Bayer lohnt zwei Blicke: Denn wenngleich die Leverkusener mit ihren Eckdaten auf Konzernebene die Markterwartung übertrafen, sorgte die Agrarsparte einmal mehr für Enttäuschung. Die Prognose hat dennoch Bestand. Seit Jahresbeginn haben 3.200 Beschäftigte das Unternehmen verlassen.

Mitten im Konzernumbau läuft es für Bayer operativ nicht überall rund. Zwar konnte der Konzern den Umsatz im zweiten Quartal leicht ausbauen, das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) gab jedoch um 16,5% nach. Damit lagen die Eckdaten gleichwohl über den Markterwartungen. Unter dem Strich standen rote Zahlen. Die Leverkusener bestätigten jedoch die Prognose für den laufenden Turnus. In einzelnen Segmenten werden allerdings Anpassungen vorgenommen.

So soll das Wachstum im Pharmageschäft – in der Pharmapipeline sieht Vorstandschef Bill Anderson „einen der größten Hebel für unsere Wertschöpfung“ – höher ausfallen als bislang veranschlagt. Konkret wird ein Umsatzplus von 0 bis 3% in Aussicht gestellt. Zuvor war Bayer von bestenfalls stagnierenden Erlösen ausgegangen.

Ergebniseinbruch in Agrarchemie

Demgegenüber werden Umsatz und operatives Ergebnis im Agrarchemiegeschäft am unteren Rand der bisherigen Prognose gesehen. Für den Umsatz hatte Bayer eine Zielspanne zwischen −1 bis 3% vorgegeben, zugleich sollte sich die Ebitda-Marge auf 20 bis 22% belaufen. Zur Begründung wird auf das herausfordernde Marktumfeld verwiesen.

Im Berichtsquartal konnte die Sparte den Umsatz währungsbereinigt noch um gut 1% steigern, das bereinigte Ebitda gab jedoch um 28% nach. Vor allem der nachteilige Produktmix sei hierfür verantwortlich, erläuterte Finanzchef Wolfgang Nickl vor der Presse. Konnte der Herbizidumsatz im Berichtsquartal deutlich zulegen, gaben die Geschäfte mit Maissaatgut und Fungiziden spürbar nach.

Pharmasparte überzeugt

Wie Nickel ausführte, dürfte sich die Situation in der zweiten Jahreshälfte drehen. Wie im Vorjahr sei dann mit einem deutlichen Mengenrückgang mit glyphosathaltigen Produkten zu rechnen. Allerdings geht Bayer davon aus, dass die Profitabilität im Segment im zweiten Semester durch geringere Herstellkosten und Einsparungen aus dem neuen Organisationsmodell Dynamic Shared Ownership (DSO) im Vergleich zum Vorjahr steigt.

In der Pharmasparte bauten die neuen Produkte Kerendia (Nierenmedikament) und Nubeqa (Krebsmedikament) die Umsätze kräftig aus, und auch das Augenmedikament Eylea verzeichnete starkes Wachstum. Das reichte, um den Erlösrückgang von 13% beim nach wie vor umsatzstärksten Medikament, dem Gerinnungshemmer Xarelto, aufzufangen. Der Blockbuster verliert nach und nach seinen Patentschutz und steht daher erheblich unter generischem Wettbewerbsdruck. Das operative Ergebnis in der Pharmasparte gab im Berichtsquartal um gut 4% nach.

Das liegt auch daran, dass für Xarelto im Gegensatz zu den neuen Produkten so gut wie keine Marketing- und Forschungsaufwendungen mehr anfallen. Für die zweite Jahreshälfte rechnet Bayer allerdings mit wachsendem Druck auf Xarelto. Entsprechend wird an der Prognose für die Ebitda-Marge in der Pharma nicht gerüttelt. Die Umsatzrendite wird in einer Spanne zwischen 26 und 29% erwartet. In der zweiten Jahreshälfte dürfte die Marge tendenziell abbröckeln nach 28% im ersten Halbjahr, sagte Nickl mit Verweis auf eine ungünstigen Produktmix, Investitionen in Markteinführungen und steigende Forschungsausgaben zur Weiterentwicklung der Pipeline.

Kostendruck im kleinsten Segment

Das kleinste Segment, Consumer Health, kehrte auf den Wachstumspfad zurück. Doch auch hier gab das operative Ergebnis aufgrund von Kostensteigerungen und hohen Aufwendungen für Markteinführungen um 6,3% nach. Der Kostendruck wird sich nach Einschätzung von Nickl fortsetzen.

Vorstandschef Bill Anderson zeigte sich mit der schrittweisen Einführung des neuen Organisationsmodells DSO zufrieden. Zur Jahresmitte standen im Konzern Bayer 3.200 Namen weniger auf der Gehaltsliste als zu Jahresbeginn. Eine Zahl bezüglich des zu erwartenden Stellenabbaus im Zuge der DSO-Einführung blieb Anderson weiter schuldig. Bestätigt wurde das bis 2026 zu realisierende Einsparpotenzial von 2 Mrd. Euro, das vornehmlich auf Personalkosten entfällt.

Personalaufwand gestiegen

Allerdings stand dem Stellenabbau im Berichtsquartal ein Schub im Personalaufwand von 23% gegenüber. Das sei im Wesentlichen auf Rückstellungen für kurzfristige Incentivierungsprogramme zurückzuführen. Diese waren im vorigen Jahr wegen der Gewinnwarnung geringer ausgefallen. Anderson bestätigte jedoch, im laufenden Turnus die versprochenen DSO-Einsparungen von 500 Mill. Euro zu erreichen. An Restrukturierungskosten, die mit dem Stellenabbau verbunden sind, fielen im zweiten Quartal 329 Mill. Euro an und machten das Gros der Sondereinflüsse von −490 Mill. Euro aus.

Trotz des deutlichen Ebitda-Rückgangs machte Bayer Fortschritte bei der Cashflow-Generierung. Der freie Mittelzufluss belief sich im Berichtsquartal auf 1,3 (i.V. −0,5) Mrd. Euro. Dahinter stand Nickl zufolge aktives Working-Capital-Management. Zugleich zahlte sich die Dividendenkürzung auf das gesetzliche Minimum aus. Allein dadurch verringerten sich die Auszahlungen um 2,2 Mrd. Euro. Hinzu kam, dass rund 1 Mrd. Euro weniger an variablen Vergütungszahlungen anfielen als im Vorjahr.

Verschuldungsgrad bleibt hoch

Der positive Cashflow drückte die Nettoverschuldung im Vergleich zum Vorquartal um 728 Mill. auf 36,8 Mrd. Euro. Allerdings hatte das so gut wie keinen Effekt auf den dynamischen Verschuldungsgrad, der weiterhin über dem Dreifachen des Ebitda liegt. Der Fokus liege weiterhin auf der Verschuldung, betonte Nickl. Mittelfristig solle die Nettoverschuldung auf das 2,5-Fache des operativen Ergebnisses zurückgeführt werden. Bis zum Jahresende soll die Nettoverschuldung auf 33 bis 34 Mrd. Euro zurückgeführt sein.

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