RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: HERMANN KNOTT

Bei Absichtserklärungen Haftung auf Vertragsabschluss?

US-Gericht plädiert auf Durchsetzung - Verhalten in Verhandlung von Bedeutung

Bei Absichtserklärungen Haftung auf Vertragsabschluss?

– Herr Dr. Knott, Absichtserklärungen gelten gemeinhin als unverbindlich. Besteht dennoch die Gefahr, dass eine Partei haftet?Absichtserklärungen, auch Memorandum of Understanding oder Letter of Intent genannt, dienen den Parteien dazu, den bisherigen Stand ihrer Gespräche als Grundlage für die weiteren Verhandlungen festzuhalten. Sie sind noch nicht verbindlich. Die Unverbindlichkeit wird oft ausdrücklich festgehalten. Nach deutschem Recht kommt eine Haftung, weil der beabsichtigte Vertrag nicht zustande gekommen ist, nur in engen Ausnahmen in Betracht. Dazu müsste eine Partei den Vertragsschluss als sicher in Aussicht gestellt haben und die Vertragsverhandlungen später ohne Begründung abbrechen. Schon ein besseres Angebot der Konkurrenz wird hierzulande regelmäßig als Grund anerkannt, die Verhandlungen abzubrechen.- Gilt diese Aussage auch dann, wenn die Parteien bereits die Details ihrer Zusammenarbeit in einem ‘Term Sheet’ festgehalten haben?Das Term Sheet mit den detaillierten Vertragsbedingungen, welche die Parteien in Aussicht nehmen, kann zum Beispiel Anhang zur Absichtserklärung sein. Je mehr Einzelheiten im Term Sheet geregelt sind, umso mehr spricht für einen größeren Bindungswillen der Parteien. Daher sollte in der Absichtserklärung die Unverbindlichkeit klar zum Ausdruck kommen, also das Verständnis der Parteien, vom Term Sheet abweichen zu können.- Und wenn ein ausländischer Partner beteiligt ist?Dann spielt auch die Frage eine Rolle, nach welchem Recht die Absichtserklärung zu beurteilen ist. Kommt etwa das Recht eines US-Staats zur Anwendung, so ist besondere Vorsicht geboten, will man nicht an einer Absichtserklärung festgehalten werden. Hierzu entschied jüngst das Oberste Gericht des US-Bundesstaats Delaware im Fall Siga Technologies versus Pharmathene.- Was besagt diese Siga-Entscheidung?Die Entscheidung ist aus deutscher Sicht aus drei Gründen bemerkenswert: Erstens hat sich das Gericht darüber hinweggesetzt, dass die Parteien die Bestimmungen ihres Term Sheets ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet hatten. Zur Begründung berief sich das Gericht darauf, dass die Parteien die Verpflichtung eingegangen waren, nach Treu und Glauben über den Abschluss des beabsichtigten Vertrages zu verhandeln.- Und zweitens?Kam das Gericht zu dem Schluss, die am Term Sheet nicht festhaltende Partei habe die Verhandlungen böswillig scheitern lassen, wenn sie wegen einer zwischenzeitlich verbesserten Finanzlage die Bedingungen des Term Sheets nicht mehr akzeptieren wollte. Und drittens ging das Gericht so weit, Pharmathene Ersatz desjenigen Schadens zu gewähren, der auf der Grundlage vollständiger Erfüllung des beabsichtigten Vertrags berechnet wird, also des sogenannten Erfüllungsschadens. Normalerweise wird in solchen Fällen nur derjenige Schaden ersetzt, der sich aus dem Vertrauen darauf ergibt, der beabsichtigte Vertrag werde abgeschlossen, also die im Vorfeld entstandenen Kosten für Berater et cetera ersetzt.- Wie können sich deutsche Unternehmen vor einer Haftung schützen?Es kommt in erster Linie auf den Wortlaut der Erklärung an. Aber auch das Verhalten in den Verhandlungen ist von Bedeutung. Eine Goodfaith-Verpflichtung kann man nicht leicht wegverhandeln. Aber man muss sich auch ihrer rechtlichen Bedeutung bewusst sein. Aussichtsreicher erscheint, sich ausdrücklich die Möglichkeit vorzubehalten, die Verhandlungen auch ohne Begründung abzubrechen.- Inwiefern?Eine Verletzung der Goodfaith-Verpflichtung ist sicher deutlich schwerer zu begründen, wenn man nachvollziehbar begründet, weshalb das Term Sheet keine geeignete Verhandlungsbasis mehr darstellt. Dies war aber wohl im Fall Siga unterblieben. Vielmehr hatte Siga ohne Begründung grundlegend andere Bedingungen gefordert. Man sieht: Auch vor dem Richter kann der Ton die Musik machen.—-Dr. Hermann Knott ist Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. Die Fragen stellte Walther Becker.