Bei Hapag-Lloyd müssen Anleger geduldig sein
Von Carsten Steevens, HamburgNach nur etwas mehr als einem Tag Liegezeit am Containerterminal Altenwerder hat die “New York Express” gestern wieder Richtung Fernost abgelegt. Während der gut zweieinhalb Monate für die Strecke von Hamburg nach China und zurück wird das 2012 in Dienst gestellte, 366 Meter lange Schiff, das mit einer Ladekapazität von 13 200 Standardcontainern (TEU) bislang zu den größten der Hapag-Lloyd-Flotte gehört, nicht mit Volldampf fahren. Vor rund zehn Jahren benötigten (kleinere) Schiffe zwei Wochen weniger für die Route. Doch Zeit ist für Containerreedereien heute nicht unbedingt Geld. In Zeiten von Überkapazitäten in der Branche mahnen die Brennstoffkosten ökonomisches Fahren an. Die Gewinnwarnung nach dem ersten Halbjahr 2016 hat Deutschlands größte Linienreederei auch auf Ergebnisbelastungen durch den Anstieg des Bunkerpreises im zweiten Quartal zurückgeführt. Gedrückte StimmungFür Investoren, die den Börsengang am 6. November 2015 für einen Einstieg bei Hapag-Lloyd nutzten, ist das Engagement seitdem enttäuschend verlaufen. Der Aktienkurs liegt 18 % unter dem Emissionspreis von 20 Euro. Kursgewinne nach Ankündigung der Übernahme der arabischen Reederei UASC Ende April hat Hapag-Lloyd wieder abgegeben. Nicht zuletzt die im zweiten Quartal verglichen mit dem gleichen Vorjahreszeitraum um 245 Dollar pro TEU auf 1 019 Dollar/TEU gesunkene durchschnittliche Frachtrate hat auf die Stimmung geschlagen.Trotz Synergien von 400 Mill. Dollar aus der vor rund einem Jahr abgeschlossenen Übernahme des Containergeschäfts der chilenischen CSAV, trotz zusätzlicher Einsparungen stellt die Reederei für 2016 nunmehr deutlich sinkende operative Ergebnisse vor und nach Abschreibungen (Ebitda, Ebit) in Aussicht. Im vergangenen Jahr hatte Hapag-Lloyd bei einem Ebit von 366 (i.V. – 383) Mill. Euro unter dem Strich den ersten Jahresgewinn seit 2010 verbucht. Großaktionäre wie die Stadt Hamburg und den Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, die Hapag-Lloyd 2008 zusammen mit anderen in einem inzwischen aufgelösten Konsortium vor der Übernahme bewahrten und finanziell unterstützten, werden in Anbetracht der neuen Ergebnisprognose weiter auf Dividenden warten müssen.Wie lange, ist offen. Im Zuge der Verbindung mit CSAV wurden anfangs Gewinnausschüttungen von 2017 an durchaus für möglich gehalten. Ab dem kommenden Jahr sollte Hapag-Lloyd eine “nachhaltige” operative Umsatzrendite von 11 bis 12 % erreichen. Diese Aussichten sind inzwischen überholt. Im Zuge der Übernahme des Nischen-Carrier UASC, mit dem Hapag-Lloyd ihren Marktanteil im Fernostverkehr auf 10 % von 3 % steigern kann – die Konkurrenten MSC und Mærsk kommen hier auf 19 % bzw. 15 % -, wird es wie bei der Transaktion des CSAV-Containergeschäfts die Aussicht auf jährliche Synergien von 400 Mill. Dollar geben. Diese sollen 2017 zu einem Drittel und von 2019 an vollständig realisiert werden. Dadurch verschafft sich Hapag-Lloyd absehbar mehr Luft.Für die strategische Logik der UASC-Übernahme, mit der die Hamburger ihre Position unter den weltweit fünf größten Containerreedereien mit einer Frachtkapazität von 1,6 Mill. TEU festigen und den Abstand zum Rest der Branche vergrößern, spricht auch das geringe Durchschnittsalter der UASC-Flotte. Investitionen in Flottenausbau und -modernisierung kann Hapag-Lloyd in den kommenden Jahren in Grenzen halten. Zudem bringt UASC Frachter mit, durch die sich die durchschnittliche Schiffsgröße der Flotte um 1 100 auf rund 6 600 TEU erhöht – damit liegt Hapag-Lloyd deutlicher über dem Schnitt der 20 größten Reedereien von gut 5 000 TEU. Es gilt: Je größer ein Schiff, desto geringer die Stückkosten pro transportiertem Container.Allerdings trifft auch zu, dass sich bei den Frachtraten eine dauerhafte Besserung in der Industrie erst noch zeigen muss. Zwar hat sich die Zahl der Schiffsneubestellungen im ersten Halbjahr reduziert. Doch von Entspannung ist noch keine Rede. Bei Hapag-Lloyd wird sich mit der UASC-Übernahme auch die Schuldenlast deutlich erhöhen. Diese Verbindlichkeiten sollen mit Erlösen aus einer Kapitalerhöhung um 400 Mill. Dollar voraussichtlich im kommenden Jahr verringert werden. In Anbetracht der gegenwärtigen Branchenbedingungen ist jedoch nicht absehbar, wann sich die Vorteile der Transaktion für Hapag-Lloyd voll auszahlen werden. Gleiche Interessen?Für Stabilität sollte mit der UASC-Übernahme auch die Erweiterung des Aktionärskreises um die finanzkräftigen Gesellschafter Katar und Saudi-Arabien sorgen. Die verschuldete Hansestadt, deren von 43 auf 34 Euro je Aktie wertberichtigter Anteil bald von 37 % auf unter 15 % gesunken sein wird, und der einstige Mutterkonzern Tui, der seinen Restanteil loswerden will, machen Platz. Inwiefern aber die Interessen der chilenischen und arabischen Großaktionäre künftig übereinstimmen werden, bleibt abzuwarten.