Bei Stromtankstellen gibt es ein Nord-Süd-Gefälle

Während die Infrastruktur in Skandinavien bis an die Grenze ausgelastet scheint, fehlen in Deutschland noch die E-Auto-Kunden

Bei Stromtankstellen gibt es ein Nord-Süd-Gefälle

Von Sebastian Schmid, FrankfurtDie Zahl der im Umlauf befindlichen Elektroautos ist noch immer überschaubar. Das lässt sich natürlich an den monatlichen Verkaufszahlen ablesen, die länderweise veröffentlicht werden. Ganz genau wissen dies aber Infrastrukturbetreiber, wie das von Daimler und BMW mitfinanzierte kalifornische Start-up Charge Point, das auf seiner Website mehr als 100 000 Ladepunkte in Europa und Nordamerika ausweist. Nordeuropa steht unter StromAuf der Karte, die die Ladestationen von Charge Point zeigt, lässt sich besser als in jeder Verkaufsstatistik erkennen, wo E-Mobilität bereits angekommen ist und wo eben noch nicht. Für Europa gilt – grob umrissen -, je weiter man gen Norden fährt, desto verbreiteter ist die Elektroautonutzung. So kommt Norwegen etwa auf 1 361 Ladesäulen, von denen am gestrigen Donnerstagnachmittag lediglich knapp 60 ungenutzt waren. In Großbritannien waren es von knapp 2 000 ebenfalls rund 60 und in den Benelux-Staaten etwa 50 von 1 800. Die Sorge, die Ladeinfrastruktur reiche kaum aus, um einem schnellen Wachstum der Elektroautoflotte standzuhalten, scheint demnach begründet. Unterauslastung hierzulandeDie Einschätzung ändert sich bereits rasant, wenn man nach Deutschland blickt. Von der hoch vierstelligen Zahl an Ladestationen waren weit mehr als 80 % am Donnerstagnachmittag verzögerungsfrei nutzbar. Hierzulande erscheint die Infrastruktur nicht der Flaschenhals für einen deutlichen Anstieg des Elektroauto-Aufkommens zu sein. Zumal Charge Point ebenso wie zahlreiche weitere Anbieter ihr Netzwerk kontinuierlich ausbauen. In Südeuropa erfüllen teils mehr als 90 % der Ladestationen aktuell vorwiegend eine mehr oder weniger dekorative Funktion am Straßenrand.Der immer wieder zu hörende Vorwurf, die Autobauer würden die Elektromobilität trotz umfangreicher Modelloffensiven nur halbherzig angehen und sich nicht ausreichend um eine gute Infrastruktur kümmern, kann bei genauerem Hinsehen nicht aufrechterhalten werden. So haben sich etwa Daimler und BMW erst diese Woche zum wiederholten Mal an einer Finanzierungsrunde von Charge Point beteiligt. An dieser Runde, an der die Stuttgarter über Daimler Trucks North America und die Münchner via BMW i Ventures partizipiert haben, waren auch Siemens und der Ölkonzern Chevron mit von der Partie. Eingesammelt wurden rund 240 Mill. Dollar, womit das kalifornische Start-up Charge Point nach acht Finanzierungsrunden bereits auf mehr als eine halbe Milliarde Dollar eingeworbener Mittel kommt.Charge Point zielt vor allem auf eine Abdeckung mit Ladestationen in Europa und Nordamerika, in Asien ist das Unternehmen derweil nicht vertreten. Bei Charge Now, der Ladestationstochter von BMW, die in das Mobilitäts-Joint-Venture mit Daimler eingebracht wird, stehen derweil alle Kontinente im Fokus (siehe Grafik). Wirklich global ausgerichtet ist auch Tesla mit ihrem Supercharger-Netzwerk, das auf den drei Kontinenten Amerika, Asien und Europa eine relativ hohe Dichte hochleistungsfähiger Schnellladestationen aufweist. Charge Now und Charge Point kommen zwar auf weit mehr Ladestationen, von denen allerdings nur ein Bruchteil schnellladefähig ist. Das Schnellladenetz in Europa wollen die deutschen Autobauer vor allem über das Joint Venture Ionity vorantreiben. Das vor gut einem Jahr von Audi, BMW, Daimler, Ford, Porsche und Volkswagen gegründete Unternehmen soll bis Ende 2019 insgesamt 400 Schnellladestationen entlang der Hauptverkehrsstraßen aufbauen. Derzeit sind rund 100 Ladepunkte in Betrieb. Zwei GeschäftsmodelleEin Überblick, wie viele Ladepunkte es derzeit gibt, ist schwer möglich, da etwa Charge Point und Charge Now als Netzwerkbetreiber ein völlig anderes Geschäftsmodell verfolgen als Tesla, Ionity, Innogy oder EnBW, die den kostspieligen Ausbau eigener Ladeinfrastruktur vorantreiben. Das mit elf Jahren nicht mehr ganz so junge Start-up Charge Point und die BMW-Tochter agieren derweil ähnlich wie Uber im Fahrdienste- oder Airbnb im Übernachtungsgeschäft als Vermittler von Dienstleistungen, deren kapitalaufwendige Erstellung von anderen gestemmt wird.