Beteiligungen im Geiste der Gründungsväter
Serie – So finanziert Deutschland Wachstum: Oscar & Paul Beiersdorf Venture Capital (2)
Beteiligungen im Geiste der Gründungsväter
Beiersdorf setzt zur Steigerung der Innovationskraft auch auf die Impulse von Start-ups – Anteil von maximal 20 Prozent
Beiersdorf will in den kommenden Jahren mit wegweisenden Innovationen in wichtigen Bereichen des Hautpflegemarkts kräftig wachsen. Dazu soll auch die Expertise von Unternehmen beitragen, an denen sich der Konsumgüterkonzern über seine Venture-Capital-Einheit beteiligt hat.
Von Carsten Steevens, Hamburg
Sie heißen DePoly oder Rubedo− Start-ups, die auf energieeffiziente Recyclingtechnologien oder Anti-Aging-Hautpflegeprodukte spezialisiert sind. Gemein ist diesen Unternehmen eine Verbindung mit Beiersdorf. In sie investiert hat der Konsumgüterkonzern durch die Venture-Capital-Einheit unter dem Markendach von „Oscar & Paul Beiersdorf Venture Capital“. Im Geiste der Gründungsväter Oscar Troplowitz und Paul Beiersdorf trage die Einheit wie viele weitere Bereiche des Unternehmens zu Innovation und Wachstum von Beiersdorf mit dem Ziel, das weltweit beste Hautpflegeunternehmen zu werden, sagt Christopher Sheldon, Head of M&A and Venture Capital beim einzigen Hamburger Dax-Unternehmen.
Seine Venture Capital-Aktivitäten hat Beiersdorf als interne Einheit aufgestellt. Über welches Finanzvolumen diese verfügt, gibt das Unternehmen nicht an. Die Einheit sei langfristig mit Kapital ausgestattet, heißt es lediglich. Man sei mit Oscar & Paul grundsätzlich ein langfristig orientierter Investor. Unter Berücksichtigung strategischer und finanzieller Aspekte werde über die Dauer einer Beteiligung entschieden.
Neun Beteiligungen
Auch beim Anteilsumfang gibt es Grenzen. Mit Oscar & Paul strebe man als strategischer Investor eine Beteiligungshöhe von maximal 20% an, so der Konzern. Insgesamt hält Beiersdorf mit Oscar & Paul aktuell neun Investments, davon fünf in Start-ups und vier Investments in strategisch relevanten Venture Capital Funds. Derzeit arbeite man mit allen Beteiligungen an gemeinsamen Projekten zusammen. Es sei wichtig, die Expertise, das Netzwerk und den globalen Marktzugang in die Kooperation mit Start-ups einzubringen, um gemeinsam an neuen, vielversprechenden Lösungen in der modernen Hautpflege und in der Nachhaltigkeit zu arbeiten.
Teil der DNA
Erst unlängst, bei einem Kapitalmarkttag Mitte Juni, hatte Beiersdorf − angetrieben von verbesserten wirtschaftlichen Ergebnissen der vergangenen Jahre − den globalen Führungsanspruch in der Skin Care-Branche unterstrichen. Dabei setzt das Management in der neuen Konzernzentrale auf die Stärkung ikonischer Marken, wegweisende Innovationen sowie die Erschließung weiterer Regionen („White spots“) zum Ausbau der Produktpräsenz.
Innovation und Pioniergeist seien wesentlicher Teil der Beiersdorf-DNA und seit Gründung des Unternehmens vor mehr als 140 Jahren der Schlüssel zum Erfolg, so das Credo der Hamburger. Im Kontext der weiterentwickelten Konzernstrategie „Win with care“ werde man den Fokus auf diese Innovationskraft nochmals verstärken.
Ende 2023 zählte das Unternehmen weltweit 1.686 Beschäftigte in Forschung und Entwicklung, knapp 100 mehr als im Jahr zuvor. Davon waren 1.026 Mitarbeiter im Unternehmensbereich Consumer mit seinen Hautpflegemarken tätig, 660 im Bereich Tesa. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung lagen im vergangenen Jahr mit 320 Mill. Euro gut 10% über dem Vorjahreswert. Allein im Unternehmensbereich Consumer wurden 241 Mill. Euro (+11,6%) investiert, im Unternehmensbereich Tesa 79 Mill. Euro (+6,2%). Echte Innovationen entstünden an der Schnittstelle verschiedener Fachexpertisen und Technologien, so Gitta Neufang, als Corporate Senior Vice President Global Research & Development Mitglied im Executive Committee von Beiersdorf. „Unsere eigene Innovationskraft mit starkem Fokus auf Hautbiologie und Formelentwicklung verbinden wir daher auch immer wieder ganz gezielt mit dem Fachwissen ausgewählter externer Partner.“
Globale Wachstumstreiber
Für wegweisende Innovationen will sich das Unternehmen in den kommenden Jahren vor allem auf drei wesentliche Felder konzentrieren, die auch als globale Wachstumstreiber angesehen werden. Zum einen setzt Beiersdorf auf den Wirkstoff Thiamidol zur Bekämpfung von Hyperpigmentierung. Mit dem weltweit wirksamsten Wirkstoff gegen Pigmentflecken habe man seit Einführung im Jahr 2019 bereits Umsatzerlöse von 800 Mill. Euro erzielt. Hoffnungsträger ist zum zweiten der neue Wirkstoff Epicelline als erstes Ergebnis der eigenen epigenetischen Hautforschung. Das erste Produkt zur Hautverjüngung will Beiersdorf im September auf den europäischen Markt bringen.
Und drittens rechnet sich der Konzern Chancen im Bereich der Mikrobiomforschung und aus einer Kooperation mit dem Life-Science-Unternehmen S-Biomedic bei der Behandlung von Akne aus. Beiersdorf-Manager Sheldon hebt die belgische Firma beispielhaft für Beteiligungen hervor, mit denen sich der Konzern frühzeitig bei vielversprechenden Technologien, Ansätzen und Ideen engagiere, um die eigene Position als Innovator der modernen Hautpflege und Branchenführer im Bereich Klimaschutz zu festigen und auszubauen. „S-Biomedic veranschaulicht sehr treffend die Rolle von Venture Capital-Investitionen für die Innovationskraft von Beiersdorf.“
Nach einem 2018 vereinbarten ersten Engagement im einstelligen Mill.-Euro-Bereich ging der Nivea-Hersteller Ende 2022 eine Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft aus Beerse ein, das auf die Erforschung des kosmetischen und therapeutischen Potenzials des Mikrobioms der Haut spezialisiert ist - Lebensraum von Milliarden Bakterien und ein wesentlicher Faktor für die Hautgesundheit. S-Biomedic, das, so Sheldon, ein Vorreiter auf dem Gebiet der Hautmikrobiomforschung sei, wird seit der Übernahme der Mehrheitsanteile als eigenständige Einheit im Rahmen des bestehenden Mikrobiom-Programms von Beiersdorf geführt. In den kommenden Jahren sei in diesem wichtigen Bereich der Akne-Behandlung mit ersten Produkten zu rechnen.
Weltweit auf der Suche
Die Venture Capital-Einheit des Hamburger Konzerns ist auf Lösungen in den Bereichen Life Science & Biotech, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Beauty-Tech ausgerichtet. Bei der Identifikation und Bewertung von Startup-Investments agiere man entlang der im Venture-Capital-Markt üblichen Vorgehensweisen, heißt es bei Beiersdorf. „Darüber hinaus haben wir ein Portfolio an Venture-Capital-Fund-Partnerschaften in den relevanten Bereichen aufgebaut, um hierüber zusätzlichen Zugang zu Expertise und Marktkenntnis zu schaffen.“ Nach Venture-Capital-Möglichkeiten sucht Beiersdorf weltweit, mit Schwerpunkt auf Europa, Nordamerika und Korea.
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