RECHT UND KAPITALMARKT

Beteiligungshindernis Fusionskontrolle?

Start-ups und Investoren fürchten strengere Regeln

Beteiligungshindernis Fusionskontrolle?

Von Nico Just *)Bundeswirtschaftsminister Gabriel beabsichtigt, in diesem Jahr die Fusionskontrolle für die Beteiligung an jungen Unternehmen zu verschärfen. Nach dem am 27. Januar vorgestellten Jahreswirtschaftsbericht 2016 soll das Bundeskartellamt derartige Vorhaben zukünftig häufiger prüfen und über ihre Freigabefähigkeit entscheiden. Transaktionen, die derzeit aufgrund geringer Umsatzerlöse des zu erwerbenden Unternehmens nicht der Fusionskontrolle unterliegen, könnten dann anmeldepflichtig sein. Viele Investoren fragen sich, ob dadurch jede Beteiligung an einem jungen Unternehmen freigegeben werden muss. Diese Sorge ist jedoch unbegründet. Auslöser WhatsAppAuslöser für den Vorstoß der Bundesregierung war vor allem die Übernahme von WhatsApp durch Facebook im vergangenen Jahr; sie musste trotz eines Kaufpreises von 19 Mrd. Euro nicht bei der EU-Kommission angemeldet werden. Aufgrund der relativ geringen Umsatzerlöse war die Transaktion nur in drei Mitgliedstaaten anmeldepflichtig, da die Umsatzschwellen der europäischen Fusionskontrolle nicht überschritten waren. Eine Prüfung durch die Kommission erfolgte allein auf entsprechenden Antrag der beteiligten Unternehmen.Bislang knüpft die Fusionskontrolle an die Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen an. Eine Anmeldepflicht besteht, wenn die Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen drei Schwellen überschreiten: (1) Weltweite Umsatzerlöse aller Beteiligten (in der Regel des Investors und des Targets) von mehr als 500 Mill. Euro, (2) deutsche Umsatzerlöse mindestens eines Beteiligten (in der Regel des Investors) von mehr als 25 Mill. Euro und (3) deutsche Umsatzerlöse mindestens eines anderen Beteiligten (in der Regel des Targets oder eines zweiten Investors) von mehr als 5 Mill. Euro.Sofern die Umsatzschwellen überschritten sind, ist in jedem Fall der Erwerb sämtlicher Anteile oder Vermögenswerte eines Unternehmens anmeldepflichtig. Darüber hinaus greift die Fusionskontrolle auch beim Erwerb von Minderheitsbeteiligungen ein, sofern der Investor nach der Transaktion mindestens 25 % oder 50 % der Anteile des Unternehmens hält.Selbst bei einem Erwerb geringerer Anteile besteht eine Anmeldepflicht, wenn der Investor bestimmte Kontrollrechte erhält. Ausreichend ist die Möglichkeit, geschäftswesentliche Entscheidungen blockieren zu können. Hierzu zählen Zustimmungsvorbehalte in Bezug auf das Jahresbudget, den Geschäftsplan, größere Investitionen sowie die Besetzung der Unternehmensleitung. SystemerweiterungDie Bundesregierung schlägt nun vor, Transaktionen auch dann der Fusionskontrolle zu unterwerfen, wenn das Transaktionsvolumen eine bestimmte Höhe erreicht. Insbesondere lasse sich damit der Erwerb sehr werthaltiger Unternehmen erfassen, die noch keine hohen Umsatzerlöse erzielt haben. Diese konnten bislang kontrollfrei erworben werden. Häufig komme das wirtschaftliche Potenzial eines Unternehmens besser im Kaufpreis zum Ausdruck als in den erzielten Umsätzen. Diese Idee ist nicht neu und in anderen Ländern wie den USA bereits umgesetzt.Viele Investoren sind durch die bislang vagen Ausführungen der Bundesregierung aufgeschreckt worden. Ihre Sorge ist jedoch unbegründet. Zum einen bestehen gerade bei Venture-Capital-Beteiligungen in aller Regel keine wettbewerblichen Bedenken, so dass das Bundeskartellamt anmeldepflichtige Vorhaben ohne weiteres freigibt.Zum anderen ist zu erwarten, dass das Transaktionsvolumen eine erhebliche Größe erreichen muss, um die Fusionskontrolle überhaupt auszulösen. Die Monopolkommission schlägt vor, die Fusionskontrolle ab einem Transaktionsvolumen von 500 Mill. Euro eingreifen zu lassen. Liegt der Kaufpreis darunter, wäre der Erwerb nur bei Überschreitung der genannten Umsatzschwellen anmeldepflichtig. Wie hoch das Transaktionsvolumen tatsächlich angesetzt wird, ist derzeit nicht absehbar. Allerdings ist eine neue Schwelle im einstelligen Millionenbereich nicht zu erwarten. Prüfung angeratenAnmeldepflichtige Vorhaben müssen zunächst durch das Bundeskartellamt freigegeben werden. Bis dahin besteht ein Vollzugsverbot. Gesellschafts- und Beteiligungsverträge, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind unwirksam. Zudem kann das Bundeskartellamt Verstöße nach eigenem Ermessen mit Bußgeldern ahnden. Die Höhe des Bußgelds kann gegenüber Unternehmen bis zu 10 % des Gesamtumsatzes betragen, bei natürlichen Personen bis zu 1 Mill. Euro.Um diese Risiken zu vermeiden, sollten die Beteiligten vor jeder Transaktion prüfen, inwieweit eine Fusionskontrollpflicht besteht. Häufig kann die Anmeldepflicht durch die vertragliche Gestaltung vermieden oder zumindest zeitlich verzögert werden. Sie stellt gerade im Venture-Capital-Bereich in der Regel eine lediglich formale Hürde dar, die bei zeitiger Berücksichtigung ohne großen Aufwand genommen werden kann.—-*) Nico Just ist Kartellrechtsexperte im Kölner Büro der Kanzlei Osborne Clarke.