MASCHINENBAU-GIPFEL - IM INTERVIEW: MARTIN KAPP

"Betrug möchte ich wirklich ausschließen"

Werkzeugmaschinenbau grenzt sich vom VW-Skandal ab und hält den 3-D-Druck für überschätzt

"Betrug möchte ich wirklich ausschließen"

Martin Kapp ist seit knapp sechs Jahren das Gesicht der Werkzeugmaschinenindustrie, ein großer Fachzweig des Maschinenbaus. Kapp gibt sein Amt als Vorstandsvorsitzender des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) Ende des Jahres turnusgemäß ab.- Herr Kapp, Sie haben ein Faible für italienische Oldtimer. Schrauben Sie auch selbst?Ja, denn so bleibe ich am Ball. Ich liege auch unter dem Auto und kümmere mich um Motor und Getriebe.- Was fasziniert jemanden wie Sie, der beruflich mit modernster Produktionstechnik zu tun hat, an alten Autos?Mich fasziniert, dass es schon vor vielen Jahren interessante technische Lösungen gab, die heute noch im Einsatz und nicht veraltet sind. Es gab schon in den Zwanzigerjahren Verbrennungsmotoren mit Kompressor, und das ist auch heute wieder aktuell.- Welches Automodell haben Sie besonders lieb gewonnen?Den Alfa Romeo 6C von 1929. Er war immer mein Traum, und den habe ich mir vor ein paar Jahren ermöglichen können. Er hat eine faszinierende alte Technik, die heute noch modern ist, und es macht Spaß mit dem Wagen herumzufahren.- Was denken Sie: Kratzt der VW-Dieselskandal am guten Ruf von “Made in Germany”?Ich glaube, dass wir stark unterscheiden müssen zwischen Autoindustrie und dem Maschinen- und Anlagenbau. Wir machen andere Produkte und haben schon jahrzehntelang bewiesen, dass wir nicht betrügen. Hinzu kommt, dass wir nicht so stark von der Börse getrieben sind wie die Autoindustrie. So einen Skandal wie bei VW kann ich mir in der Werkzeugmaschinenindustrie nicht vorstellen.- Sie haben mehr als ein Vierteljahrhundert Erfahrung in der Werkzeugmaschinenindustrie auf dem Buckel. Was war die größte Veränderung in dieser Zeit?Vor 30 Jahren haben wir von der Schraube bis zur kompletten Maschine alles selbst gemacht. Heute arbeiten wir mit vielen Zulieferern zusammen. Das Thema Software, Sensorik und CNC-Steuerung spielt heute eine große Rolle. Der Kunde verlangt heute nicht nur eine einzelne Maschine, sondern fragt nach einer kompletten Fertigungslösung.- Wächst nicht die Gefahr von Manipulationen durch die Zulieferer?Wir vertrauen auf die Qualitätsvereinbarungen mit unseren Zulieferern. Betrug möchte ich wirklich ausschließen.- Haben sich in der Jahrhundert-Finanzkrise aus Ihrer Sicht die Gewichte verschoben, was das Verhältnis der produzierenden Industrie zu den Banken betrifft?Die Finanzkrise hat alle gelehrt, dass eine hohe Eigenfinanzierung und eine geringe Abhängigkeit von den Banken wichtig sind. Hohe Eigenkapitalquote und sichere, bankenunabhängige Finanzierung sind überall gefragt. Die Banken sind nicht in der Lage, uns durch Dick und Dünn zu begleiten. Denn wir sind immer wieder wechselnden Zyklen ausgesetzt.- Wenn Sie nach vorn schauen: Welche Umwälzungen für die Branche sehen Sie am Horizont?Die Globalisierung wird weiter voranschreiten, und da müssen wir als mittelständische Unternehmen bestehen. Auch neue Verfahren werden uns fordern.- Wie sehen Sie den 3-D-Druck?Das ist eine Herausforderung für die Werkzeugmaschinenhersteller, denn dadurch sind ganz neue Möglichkeiten entstanden, Teile zu fertigen und zu reparieren.- Ist 3-D-Druck, also die additive Fertigung, Konkurrenz oder Ergänzung der subtraktiven Fertigung mit Werkzeugmaschinen?Ich sehe es als Ergänzung. Eine Substitution kann beispielsweise in der Gießereitechnik stattfinden. Teile, die man früher gegossen oder geschmiedet hat wie Turbinenschaufeln, wird man vermehrt additiv fertigen. Aber die Kombination zwischen beiden Verfahren, dem additiven und dem subtraktiven, verspricht die spannendsten Veränderungen.- Sind die Werkzeugmaschinenbauer auf die Umwälzungen durch 3-D-Druck gut genug vorbereitet?Wir sind sehr gut vorbereitet, machen aber nicht so viel Rummel um die additiven Fertigungsverfahren wie andere. Wir sind öffentlich eher zurückhaltend und reden mit unseren Kunden.- Aber das große Geschäft mit 3-D-Druckmaschinen machen bisher nicht deutsche Werkzeugmaschinenhersteller, sondern vor allem US-Unternehmen wie 3D Systems oder Stratasys? Was lief da schief?Da lief nichts schief. Wir entwickeln entsprechend den Forderungen unserer Kunden die entsprechenden Produktionsmittel – spanend, umformend oder jetzt auch additiv.- Halten Sie den 3-D-Druck für überschätzt?Momentan ja. Additive Fertigung wird kommen und eine Ergänzung der klassischen Verfahren sein. Eine Revolution wird sie nicht bringen. Wir haben schon so viele Hypes erlebt, von der Brennstoffzelle bis zur Elektromobilität – all das kommt nicht mit der Geschwindigkeit, die man da hineinprognostiziert.- China ist bei der Werkzeugmaschinenproduktion schon lange an den Deutschen vorbeigezogen und ist unangefochtene Nummer 1. Sind chinesische Werkzeugmaschinen schon so gut wie deutsche?Es gibt vielleicht Maschinen aus chinesischer Produktion, die schon so gut sind wie deutsche. Alles in allem haben wir jedoch einen Entwicklungsvorsprung von einigen Jahren. Unser Vorteil ist, dass wir die Anforderungen unserer Kunden viel besser in passende Prozesse umsetzen können.- Wann werden die Chinesen auch im Werkzeugmaschinenexport die weltweite Nummer 1 sein?Ich glaube, ohne fremde Hilfe von außen wird das China nicht gelingen.- Die Hilfe von außen holen sich die Unternehmen ja durch Übernahmen hierzulande.Ja, das ist ja auch in Ordnung in einer globalisierten Welt.- Gildemeister hat sich mit der japanischen Mori Seiki zusammengeschlossen, um den Chinesen Paroli zu bieten. Wird es weitere solche Allianzen geben?Ich kann mir das durchaus vorstellen.- Begrüßen Sie das?Das entscheidet der Markt. Kooperationen sind notwendig. Ich erwarte mehr Kooperationen von deutschen Unternehmen untereinander oder mit ausländischen Unternehmen. Es ist in der globalisierten Wirtschaft nicht mehr die Zeit, dass jeder alles erfinden kann.- An der Börse ist die Werkzeugmaschinenbranche kaum vertreten. Gelistet sind etwa DMG Mori und Schuler. Halten Sie das für ein Problem?Die Werkzeugmaschinenindustrie ist und bleibt zyklisch, und das macht es schwierig an der Börse.- Zum Schluss Ihrer Amtszeit noch einmal ein Blick auf die aktuelle Lage: Im Werkzeugmaschinenbau gelang im ersten Halbjahr beim Umsatz nur eine schwarze Null, die Jahresprognose von plus 3 % in der Produktion für 2015 wackelt. Wie ist die Situation aktuell?Wir werden 2015 vielleicht ein leichtes Wachstum schaffen.- Wie stark wackelt die Prognose?Ich hoffe auch nach dem VW-Skandal noch, dass wir eine leichte Steigerung in der Produktion für 2015 hinbekommen.—-Das Interview führte Daniel Schauber.