Bewährte Reagenzien

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 5.1.2016 Es ist seit langem bewährte Praxis in der Chemieindustrie, in der externen Expansion eingetretene Pfade zu beschreiten. Die M & A-Ambitionen zielen in der Regel auf Synergien und...

Bewährte Reagenzien

Von Sabine Wadewitz, FrankfurtEs ist seit langem bewährte Praxis in der Chemieindustrie, in der externen Expansion eingetretene Pfade zu beschreiten. Die M & A-Ambitionen zielen in der Regel auf Synergien und Konsolidierung, statt sich in neue Geschäftsfelder zu wagen. Diversifizierung steht in der Branche vor allem für eine marktgetriebene regionale Verbreiterung, wobei 2015 Nordamerika angesagt war, wo die Chemie seit dem Schiefergasboom von niedrigen Energiepreisen profitiert. Die Expansion in China, für viele Jahre das Hauptinvestitionsland, ebbt angesichts der Wachstumsschwäche und Überkapazitäten im Reich der Mitte ab.Größe allein steht bei den Transaktionen der Branche, die 2015 Rekordniveau erreichten, nicht immer im Vordergrund. In der Fokussierung auf margenstarke Aktivitäten trennt sich mancher Konzern von weniger ertragreichen Aktivitäten, für die dann wieder der Konsolidierungsreigen eröffnet ist.Mit dem Vertrauen auf bewährte Reagenzien liegt die Chemie im internationalen Trend, wobei deutsche Firmen in den sich aktuell stark konsolidierenden Branchen sowieso nicht so stark vertreten sind. So läuft die enorme Verdichtung in der Pharmaindustrie mit hohen M&A-Volumina vor allem innerhalb des US-Marktes ab. Transformatorische Deals, mit denen sich Konzerne in neues Terrain wagen, sieht man auch in anderen Branchen relativ selten, denn sie bergen ein höheres Risiko des Scheiterns. Man setzt nicht auf die eine herausragende Transaktion.Ob der unlängst angekündigte bahnbrechende Zusammenschluss der US-Chemieriesen Dow Chemical und DuPont gleich eine neue Konsolidierungswelle in der Branche auslösen wird, ist nicht gesagt. Denn das neue Chemiekonglomerat wird sich in drei Teile spalten, die allerdings sehr unterschiedliche Größe und Schlagkraft aufweisen. So entstehen in der Agrar- und Spezialchemie zwar durch die Kombination der Aktivitäten zwei Spieler mit höherem Marktanteil, im Pflanzenschutzgeschäft rückt DowDuPont sogar auf Platz 1, doch die größte der abgespaltenen Einheiten wird mit 50 Mrd. Dollar Umsatz zwei Drittel der fusionierten Pro-forma-Erlöse unter ihrem Dach haben und erstmal ein chemischer Gemischtwarenladen bleiben.Schlussverkaufsstimmung herrscht allerdings im Segment Agrarchemie, wo mit dem Zusammenschluss von Dow und DuPont wieder ein eigenständiger Anbieter verschwindet und Syngenta nach Abwehr der Avancen des US-Gentechnikkonzerns Monsanto nun einen neuen Schulterschluss sucht. Der Schweizer Konzern steht wie auch der Düngemittelanbieter K+S symptomatisch für die Unternehmen, die zwar einen feindlichen Interessenten in die Flucht schlagen konnten, die aber danach nicht mit ihrer alternativen Wertsteigerungsstrategie überzeugen können.Die Abwehr eines Übernahmeangebots markiert in der Regel nicht das Ende einer Erwerbsgeschichte, zumal neue Anteilseigner in den Aktionärskreis gekommen sind, die einen Deal erwartet haben und nun keine Kursverluste auf ihr Engagement goutieren. “Wenn der erste Bieter wieder weg ist, hat ein Unternehmen nur kurze Zeit, um etwas zu ändern, bevor der nächste da ist”, fasst es Christian Kames, Head of Investment Banking für Deutschland, Österreich und die Schweiz der Citi, zusammen. Syngenta unter ZugzwangNachdem Syngenta-CEO Mike Mack seinen Hut genommen hat, versucht nun Verwaltungsratspräsident Michel Demaré “eine wertschöpfende Lösung” zu finden, wie er in einem Interview erklärte. Er prüft drei Optionen: Fusion, Verkauf des Unternehmens oder Erwerb eines Wettbewerbers, wobei Letzteres nach dem Zusammengehen von Dow und DuPont mangels Möglichkeiten scheitern dürfte. Favorisiert hätte der Syngenta-Chairman eine Kombination mit DuPont, die Schweizer hätten aber in Sachen Synergien nicht mit einem 130-Mrd.-Dollar-Merger mithalten können.Die erzielbaren Synergien werden in der Lösung für Syngenta für die Bewertung entscheidend sein. Der Interessent Chemchina hat zwar profunde Interessen, über einen europäischen und international agierenden Pflanzenschutzanbieter die nötigen Technologien zur Förderung der heimischen Landwirtschaft über eine Akquisition sicherzustellen. Die Synergien aus einer solchen Übernahme wären jedoch gering, die Chinesen müssten einen strategischen Preis zahlen. BASF, die sich finanziell gerüstet hatte, um Monsanto im Fall einer offiziellen Offerte der Amerikaner in die Quere zu kommen, hätte indes viele Überschneidungen mit Syngenta und würde zudem ins Saatgutgeschäft einsteigen können. Kartellrechtliche Anpassungen wären wahrscheinlich, aber der Ludwigshafener Chemiekonzern, dessen Marktführerschaft durch DowDuPont gefährdet ist, könnte auf angestammtem Terrain endlich mal wieder eine größere Übernahme bewerkstelligen. ——–Die Chemie setzt bei Akquisitionen auf ein bekanntes Rezept: Konsolidierung statt Diversifizierung.——-