Bewährungsprobe für Chinas Drang nach außen

Gedämpfter Elan bei ausländischen Investitionen in Sicht - Europa pocht auf verbesserte "Reziprozität"

Bewährungsprobe für Chinas Drang nach außen

Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas Drang zu ausländischen Direktinvestitionen und Unternehmenskäufen hat im vergangenen Jahr für weltweites Aufsehen und auch für einiges Unbehagen in Deutschland, Europa und den USA gesorgt. Angesichts dieser Spannungen, aber auch vor dem Hintergrund der seit Herbst prononcierten Wechselkursschwäche des chinesischen Yuan gegenüber dem Dollar und einer damit eng verbundenen Kapitalfluchtproblematik ist aber selbst der chinesischen Regierung wohl mulmig geworden. Schließlich sind entsprechende Direktinvestitionen und Firmenkäufe unweigerlich mit dem Umtausch von Yuan in Fremdwährung verbunden und schlagen sich als Kapitalexport nieder. WarnglockenPeking hat weiter großes Interesse daran, dass sich staatliche wie auch private Firmen im Namen der industriellen Aufrüstungsoffensive Made in China 2025 technologisches Know-how erschließen und Zugang zu schlagkräftigen internationalen Marken, zu modernen Technologien und auch zu Wachstumsmärkten jenseits der heimischen Gefilde finden. Gleichzeitig hört man aber auch Warnglocken läuten, weil längst nicht alle Engagements chinesischer Adressen auf diese Schablone passen und man befürchten muss, dass viele Transaktionen, darunter nicht zuletzt Immobilienengagements, zu überhöhten Preisen in erster Linie darauf gerichtet sind, sich Fremdwährungsaktiva zu sichern und Kapital nach außen zu schleusen.Nachdem die Regierung Ende November strengere Prüfkriterien für die Genehmigung von Transaktionen beziehungsweise die Freigabe der damit verbundenen Devisentransfers angekündigt hat, gehen die Experten davon aus, dass es im neuen Jahr zu einem gebremsten Wachstum der chinesischen Unternehmenskäufe und Direktinvestitionen im Ausland kommen wird. Im vergangenen Jahr sind sie um über 40 % auf knapp 200 Mrd. Dollar in die Höhe geschnellt.Gleichzeitig muss sich Peking mit dem vor allem in Deutschland und auf Ebene der EU aufgebrachten Thema “Reziprozität” auseinandersetzen. Dabei steht die Frage im Raum, ob westliche Länder ihre Bereitschaft zum Empfangen von chinesischen Direktinvestitionen in technologisch sensiblen Bereichen an entsprechende Öffnungsschritte der chinesischen Märkte für westliche Investoren knüpfen. In Deutschland haben der Kauf des Industrieroboterbauers Kuka durch den chinesischen Haushaltsgerätehersteller und Klimatechnikriesen Midea sowie die letztlich an sicherheitspolitischen Bedenken gescheiterte Übernahme des Chipanlagenbauers Aixtron entsprechend heftige Diskussionen ausgelöst. Man fürchtet den “Ausverkauf” von Kerntechnologien nach China.In einer neuen Studie der amerikanischen Rhodium-Gruppe und des Mercator Instituts für China-Studien in Berlin (Merics) heißt es denn auch, dass man die Wachstumszahlen chinesischer Investitionen im vergangenen Jahr nicht mehr in die Zukunft projizieren könne. Der chinesische Expansionskurs dürfte nämlich schon bald an Fahrt verlieren. Dies sollte sich auch in Europa bemerkbar machen. Deutschland im FokusChinesische Engagements im europäischen Raum waren im vergangenen Jahr um 77 % auf rund 35 Mrd. Euro in die Höhe geschnellt, wobei sich Deutschland mit einem Volumen von mehr als 11 Mrd. Euro als Zielland Nummer 1 für chinesische Interessenten entpuppt hatte. Während Chinas Investitionsaktivität in Europa seit Beginn des Jahrzehnts – insbesondere in den vergangenen beiden Jahren – mächtig zugelegt hat, flacht das jährliche Volumen bei Direktinvestitionen von europäischen Adressen nach China eher ab (siehe Grafik).Tatsächlich sind europäische Investitionen in China bereits das vierte Jahr in Folge auf zuletzt noch rund 8 Mrd. Euro gesunken. Dies wird zwar in erster Linie auf eine seit 2012 spürbare Abkühlung der chinesischen Konjunktur zurückgeführt, allerdings monieren europäische Unternehmen auch vermehrte Investitionshindernisse und Restriktionen, die ihren Expansionskurs in China erschweren.Die wachsende Schere im bilateralen Verhältnis der jeweiligen ausländischen Direktinvestitionen hat mittlerweile dazu geführt, dass das Thema Reziprozität auch im Wirtschaftsdialog zwischen der EU und China stärker in den Vordergrund rückt.Von deutscher Seite hatte sich insbesondere Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei einem China-Besuch Anfang November, der zeitlich just mit den Querelen rund um die Genehmigung der Übernahme von Aixtron zusammenfiel, ins Zeug gelegt. Es geht darum, eine stärkere Öffnung chinesischer Märkte für deutsche und europäische Investments zu fordern und in gewisser Weise davon auch das Willkommenheißen chinesischer Engagements in Deutschland abhängig zu machen. Reformwille entscheidendWie Europa künftig auf Investitionen aus China reagiert, hängt nach Ansicht der Autoren der Studie nun in erster Linie von chinesischen Reformschritten ab. Nur wenn China die Rolle des freien Wettbewerbs stärke und gleiche Bedingungen für ausländische Unternehmen schaffe, werde man in Europa chinesische Investitionen als für alle Seiten gewinnbringend ansehen können, heißt es bei Merics. Wenn China dagegen weiterhin mit fehlendem Reformwillen nach innen und außen enttäusche, sei eine wachsende Abwehrhaltung gegenüber chinesischen Investitionen in Europa unvermeidbar.