BGH kippt Bearbeitungsentgelte auch für Unternehmensdarlehen
– Herr Weiand, Herr Uebelhoer, der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei Unternehmensdarlehen formularmäßig vereinbarte Bearbeitungsentgelte unwirksam sind. Kam das Urteil überraschend?Weiand: Nicht völlig. Der BGH hat im Mai 2014 in allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte einmalige Bearbeitungsentgelte im Privatkundengeschäft für unwirksam erklärt. Die Untergerichte haben in der Folgezeit die Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auf Unternehmerdarlehen unterschiedlich bewertet. Der BGH hat dies nun für bilateral formularmäßig vereinbarte einmalige Bearbeitungsentgelte grundsätzlich bejaht. Die Urteilsgründe liegen derzeit noch nicht vor, so dass nur eine vorläufige Bewertung auf Grundlage der Pressemitteilung des BGH möglich ist.- Wie begründet der BGH die Entscheidung?Uebelhoer: Das gesetzliche Leitbild des Darlehens sieht die Pflicht zur Zahlung von Zinsen, also einer laufzeitabhängigen Vergütung, vor. Abweichungen von diesem Leitbild durch allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen der gerichtlichen Inhaltskontrolle. Die Pflicht zur Zahlung einer von der Laufzeit des Darlehens unabhängigen Vorabvergütung von Bearbeitungsentgelten wird vom BGH als so erhebliche Abweichung vom gesetzlichen Leitbild angesehen, dass sie formularmäßig nicht wirksam vereinbart werden kann.- Welche Entgelte sind betroffen?Weiand: Es geht um in allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere formularmäßig vereinbarte einmalige laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte, die für im eigenen Interesse der Bank vorgenommene Tätigkeiten erhoben werden. Andere Entgelte, die im Interesse des Darlehensnehmers erbrachte rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistungen abgelten, sind nicht betroffen. Genannt sei, wenn syndizierte Unternehmerkredite überhaupt erfasst sind, die bei diesen Krediten übliche Arrangierungsprovision für das Einwerben anderer Banken im Rahmen der Syndizierung. Diese können daher auch laufzeitunabhängig in allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden. In diesem Marktsegment können entsprechende Vereinbarungen im Einzelfall auch individuell ausgehandelt oder vom Kreditnehmer gestellt sein und begegnen dann insoweit keinen Bedenken.- Was bedeutet dies für Banken und Unternehmen?Uebelhoer: Sobald die Urteilsgründe vorliegen, wird zunächst in jedem Einzelfall zu prüfen sein, ob die betreffende Vereinbarung wirksam oder unwirksam ist. Ein Unternehmen ist jedoch nicht gehalten, einen solchen Anspruch geltend zu machen, wenn dies unklar ist oder dies mit anderen Nachteilen, seien diese rechtlicher oder kommerzieller Natur, verbunden sein könnte.- Welchen Einfluss hat das Urteil auf die zukünftige Bankpraxis?Uebelhoer: Wir gehen davon aus, dass Banken in dieser wichtigen Frage eine praktikable Lösung ohne Bewertungsunsicherheiten anstreben. Dies dürfte ein generelles Abstellen auf Individualvereinbarungen ausschließen. Einige Banken könnten daher ihre Entgeltpraxis anpassen. Denkbar wäre zum Beispiel ein Zinsaufschlag, so dass die Vergütung über die Laufzeit des Kredits fließt. Das kann auch in AGB wirksam vereinbart werden. Tilgt der Kreditnehmer den Kredit früh, so rechnet sich dieser allerdings für die Bank nicht mehr. Bei hinreichendem Auslandsbezug kann die Entgeltvereinbarung nach ausländischem Recht geschlossen werden. Dies wird bei den häufigen reinen Inlandsfällen keine Option sein.Weiand: Es wäre allerdings bedauerlich, wenn in einer Zeit volkswirtschaftlich relevanten Wettbewerbs der Rechtssysteme ausländisches Recht im unternehmerischen Bereich von professionellen Marktteilnehmern nur gewählt würde, um international usancemäßige Entgeltvereinbarungen ohne Bewertungsunsicherheiten auch außerhalb von Individualvereinbarungen treffen zu können. Die Praxis wird Lösungen entwickeln. Erwogen wird beispielsweise auch die Vereinbarung von Schiedsabreden unter Ausschluss der AGB-Kontrolle.—-Dr. Neil George Weiand und Dr. Walter Uebelhoer sind Partner der Bank- und Finanzrechtspraxis von Allen & Overy in Frankfurt und München. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.