Bilanzgremium zum Jubiläum wieder fest im Sattel
Von Sabine Wadewitz, FrankfurtVor zwei Jahren musste der deutsche Bilanzstandardsetzer noch befürchten, seine Tage seien gezählt. Doch inzwischen ist das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) wieder in guter Form und kann angemessen ausgelassen seinen 15. Geburtstag feiern.Aus der Taufe gehoben wurde der Verein im Frühjahr 1998 auf Initiative des damaligen Ministerialdirektors im Bundesjustizministerium, Herbert Biener, der acht namhafte Mitstreiter aus der deutschen Wirtschaft für sein Projekt gewinnen konnte. Gründer waren Max Dietrich Kley (BASF), Karl-Hermann Baumann (Siemens), Werner Seifert (Deutsche Börse), Helmut Perlet (Allianz), Jürgen Krumnow (Deutsche Bank), Lothar Meyer (Ergo), Hans Havermann (KPMG) und Dietrich Dörner (Ernst & Young). Erst im Winter 1998 stießen Unternehmen als Mitglieder des DRSC dazu. Wettbewerb der SystemeDas gute alte deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) galt damals hierzulande noch als Maß aller Dinge, doch es zeichnete sich seit geraumer Zeit ab, dass dies nicht so bleiben würde. Die großen deutschen Konzerne strebten an die Wall Street, Daimler hatte den Börsengang an der New York Stock Exchange 1993 absolviert und musste ihr Zahlenwerk in einem Kraftakt auf die US-amerikanischen Regeln umstellen. Mit dem Resultat, dass nach HGB ein hoher Gewinn gezeigt wurde und nach den US-Normen US-GAAP ein Milliardenverlust. Die Entzauberung der deutschen Bilanzierung, die den Aufbau stiller Reserven ermöglichte und deren lautlose Auflösung in schwierigen Zeiten, hatte begonnen.Die HGB-Modernisierung in einer großen Bilanzrechtsreform war unvermeidlich. Um den deutschen Firmen das Listing in den USA zu erleichtern, wurde der deutsche Konzernabschluss für internationale Normen 1998 im Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz frei gegeben, allerdings befristet bis Ende 2004. Kapitalmarktorientierte Unternehmen, die ihren Konzernabschluss nach IAS/IFRS oder US-GAAP aufstellen, wurden damit von der Verpflichtung befreit, auch noch einen HGB-Konzernabschluss nach deutschem Recht zu präsentieren. Auf den Einzelabschluss hielt der deutsche Gesetzgeber mit dem HGB den Daumen drauf – bis heute.Die Geschwindigkeit des internationalen Wandels war nicht mehr zu stoppen, der International Accounting Standards Board (IASB), der sich neu aufgestellt hatte, ging in Führung, und via EU-Richtlinie im Jahr 2002 mit Wirkung 2005 wurden die internationalen Normen IFRS für kapitalmarktorientierte Unternehmen im Konzernabschluss verpflichtend. Die IFRS akzeptierte die US-Börsenaufsicht SEC schließlich auch für die Notierung an Wall Street – wobei die ersten deutschen Nyse-Pioniere da schon wieder ihren Rückzug planten.Das DRSC war angesichts dieser internationalen Konkurrenz schon von Beginn an nicht nur als Gremium zur Beratung des deutschen Gesetzgebers in Bilanzierungsfragen und zur Erarbeitung deutscher Standards geplant, sondern auch als deutsche Stimme, die sich beim IASB und in anderen internationa- len Gremien einbringt. Erster Präsident des DRSC war der ehemalige KPMG-Chef Hans Havermann, der bis Ende 2002 die Entwicklung deutscher Standards zur Konzernrechnungslegung begleitete. Danach stieg im April 2003 der damalige Schering-Finanzvorstand Klaus Pohle ins Cockpit, um das Steuer Anfang 2006 mit Harald Wiedmann, ehemals KPMG-Vorstandssprecher, wieder einem Wirtschaftsprüfer zu überlassen. Mitte 2007 gab Wiedmann das Amt an Liesel Knorr weiter, ehemals Kollegin bei KPMG, die als Generalsekretärin des DRSC den Standardsetzer fast von Beginn an aktiv begleitet hatte und auch im Jubiläumsjahr noch an der Spitze steht.Die Finanzierung stand von Beginn an auf wackligen Füßen. Die Firmen der acht Gründungsmitglieder hatten zum Anschub Mittel zugesagt, in der Hoffnung, dass sich der Mitgliederkreis rasch deutlich erhöhen würde und zahlreiche Unternehmen ihr Scherflein beitragen würden. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht, zumal sich manches Unternehmen mit dem DRSC in internationalen Fragen nicht adäquat vertreten fühlte. Mitte 2010 sah sich der damalige DRSC-Vorstandschef Heinz-Joachim Neubürger gezwungen, den Stab an die Bundesregierung zurückzugeben: Der mit dem Bundesjustizministerium geschlossene Standardisierungsvertrag wurde zum Jahresende 2010 gekündigt – sehr zum Verdruss der Ministerialen. Für die deutsche Industrie ein enormer Imageschaden, weil Eigeninitiative und Selbstregulierung gescheitert waren. Das Bundesjustizministerium bemühte sich, die Verbände beim DRSC einzubeziehen, mit denen in langwierigen Verhandlungen ein neues Modell für den Standardsetzer entwickelt wurde. Im Dezember 2012 konnte endlich der neue Standardisierungsvertrag unterschrieben werden. Seitdem gibt es zwei Fachgremien, eines zuständig für die deutsche Rechnungslegung nach HGB, das andere für die internationale Bilanzierung nach IFRS. Damit hat sich der DRSC in der Restrukturierung wieder stärker auf das HGB konzentriert. Präsenz in den GremienSeit eineinhalb Jahren hat der DRSC eine stabile Mitgliedschaft, unterstreicht Präsidentin Liesel Knorr. Auch international ist das Gremium etabliert. Knorr selbst ist eine von vier europäischen Vertreterinnen und Vertretern in dem neuen beim IASB installierten zwölfköpfigen Beratungskreis Asaf – Accounting Standards Advisory Forum. Knorr und das Mitglied des IFRS-Fachausschusses im DRSC, Andreas Barckow, arbeiten in der European Financial Reporting Advisory Group (Erfrag) mit, ein Gremium, das die EU-Kommission bei der Übernahme der IFRS berät. Martin Schloemer, ebenfalls Mitglied im IFRS-Fachausschuss, sitzt im International Financial Reporting Interpretations Committee (Ifric), das Auslegungen für IFRS-Rechnungslegungstandards erarbeitet.In der Gruppe der europäischen Standardsetzer, die beim IASB Gehör finden, dominieren Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland. Andere kleinere Länder hätten oft nicht die Kapazitäten, sich um die Themen zu kümmern, räumt Knorr ein. Überlegungen auf EU-Ebene, den Ländern mehr Rechte bei Efrag zu geben, im Gegenzug aber nur noch eine gemeinsame europäische Kommentierung zuzulassen, sieht Knorr skeptisch: “Europa ist bunt, und die Vielfalt sollte man nicht unterdrücken.” Unterschiede könne man nicht immer unter den Tisch kehren, ergänzt sie.Ob angesichts der zunehmenden Zurückhaltung der Amerikaner internationale Konvergenz irgendwann noch erzielt werden kann, vermag Knorr nicht zu sagen. Rational betrachtet sei die Harmonisierung der Rechnungslegung weltweit für global tätige Konzerne sicher sinnvoll. Doch der US-Standardsetzer Financial Accounting Standards Board (FASB) tue sich schwer, “seine alte Heimat hinter sich zu lassen”.Asien dagegen, sagt Knorr, gehe sehr deutlich in Richtung IFRS. Damit müssten sich die Europäer eingestehen, dass ihr Gefühl, “sie seien die einzig wahren IFRS-Anwender, nicht mehr zeitgemäß ist”.