Bilfinger liebäugelt mit einem größeren Firmenkauf
– Herr Müller, lange Jahre war Bilfinger Protagonist des privat finanzierten Projektgeschäfts für öffentliche Auftraggeber (PPP). Warum bereiten Sie jetzt den Ausstieg vor?Das Konzessionsgeschäft passt nicht mehr in unser Portfolio. Es bietet zwar über Jahre stabile Cash-flows, aber Sie haben eine lange Kapitalbindung und brauchen länger als bei Services, um die Erträge zu erzielen. Deshalb wollen wir uns ganz daraus zurückziehen. Mit der Fokussierung im Baugeschäft sind die Synergieeffekte mit anderen Segmenten von Bilfinger noch geringer geworden. Denn wir bauen im Ausland vor allem in Skandinavien oder in Polen, Konzessionsgeschäfte haben wir aber zuletzt in Kanada, Australien und den USA abgeschlossen. Die Überschneidungen waren zuletzt sehr gering. Das ist natürlich eine Grundsatzentscheidung.- Wer soll das kaufen?Wir sind jetzt dabei, mit Interessenten in Verhandlungen einzusteigen. Wir wollen uns möglichst noch in diesem Jahr von unserem Konzessionsgeschäft trennen.- Ist auch an einen Verkauf an den 2011 gegründeten Fonds gedacht?Von den aktuell 16 Projekten befinden sich sechs bis sieben Projekte in einem Stadium, das einen Verkauf an den Fonds erlauben würde. Entscheidungen sind allerdings nicht getroffen.- Was geschieht mit dem Buchgewinn?Der zufließende Betrag wird deutlich geringer ausfallen als vor einem Jahr, als wir 52 Mill. Euro Sonderertrag erzielten.- Der PPP-Ausstieg setzt ja gebundenes Eigenkapital im Projektgeschäft von 255 Mill. Euro frei. Was machen Sie damit?Wir werden die Mittel in weitere internationale Arrondierungen für unseren Dienstleistungsbereich einsetzen.- Gibt es noch weitere Portfolio-Bereinigungen?Wir haben dem Kapitalmarkt klare Rentabilitätsziele in unseren Segmenten für 2014 kommuniziert, die wir erreichen wollen. Deshalb werden wir über dieses Thema in unserer Strategieplanung in diesem Sommer auch sehr intensiv diskutieren.- Das heißt, das Erreichen vorgegebener Margenziele könnte auch durch Teilverkäufe erreicht werden?Wir haben Bereiche wie den Spezialtiefbau oder den Wasserbau, die liegen heute schon über den Gewinnzielen. Der Wasserbau, der für Windkraft-Fundamente beispielsweise in der Nordsee zuständig ist, übertrifft das Ziel sogar deutlich. In vielen Bereichen liegen wir über oder im prognostizierten Bereich. Aber es gibt auch Einheiten, die deutlich schlechter abschneiden. Wie es damit weitergeht, entscheiden wir im Jahresverlauf. Die Zielerreichung im Baugeschäft ist extrem herausfordernd.- Welche Rolle kommt ihr Interesse an Hochtief-Dienstleistungen bei den Portfoliooptimierungen zu?Es ist bekannt, dass Bilfinger grundsätzlich Interesse hat. Mit Rücksicht auf den bei Hochtief laufenden Verkaufsprozess kann ich zu diesem Thema derzeit nicht öffentlich Stellung nehmen.- Welche Auswirkung hat der geplante Ausstieg aus dem Konzessionsgeschäft auf ihre Bilanz?Wir werden das abzugebende Geschäft mit allen Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten zunächst separat darstellen. Nach Verkauf wird die Bilanzsumme entsprechend um 500 bis 700 Mill. Euro gekürzt.- Das treibt die Eigenkapitalquote?Die Eigenkapitalquote geht aufgrund von zwei Effekten nach oben. Das eine ist die erwähnte Bilanzverkürzung und das andere sind die negativen Marktwerte aus Swapgeschäften im Zusammenhang mit der langfristigen Finanzierung, die entkonsolidiert werden. Damit wird das Eigenkapital absolut und relativ zur Bilanzsumme deutlich nach oben gehen.- Wo wird die Eigenkapitalquote vermutlich ankommen?Wir liegen heute schon bei über 31% und dürften dann auf mehr als 35% steigen.- Bilfinger hat sich zum Jahresbeginn schwergetan. Was waren die Ursachen?Wir haben im ersten Quartal unter zwei Effekten gelitten. Zum einen hat der lange Winter unsere Leistung im Infrastrukturgeschäft beeinträchtigt, vor allem in Osteuropa. Aber auch im Gerüstbau unserer Industrieservices sind wir deutlich hinter dem entsprechenden Vorjahreswert zurückgeblieben. Zum anderen haben wir die konjunkturelle Schwäche in bestimmten Regionen Europas gespürt.- Worin zeigt sich das?Wir registrieren im Moment ganz klar eine Investitionszurückhaltung unserer Kunden. Das normale Wartungsgeschäft läuft auf einem durchaus zufriedenstellenden Niveau. Was uns fehlt, das ist neues zusätzliches Projektgeschäft, das eine höhere Rentabilität als das Wartungsgeschäft hat.- Kann man das im Verlauf aufholen?Im Bau spielt am Ende für uns die erreichte Leistung nicht die entscheidende Rolle, sondern die Steigerung der Profitabilität. Aber hier dürften wir die Startschwäche weitestgehend ausgleichen können. Im Industrieservice gehen wir auch davon aus, dass wir unsere Ziele im Gesamtjahr erreichen. Das bedarf allerdings gezielter Anstrengungen und ist nicht ohne Anspannung.- Zählen dazu auch Maßnahmen im Einkauf?Wir haben schon 2010 den Einkauf gestärkt und mit einer konzernweiten Richtlinienkompetenz ausgestattet. Wir haben eine deutlich stärkere Bündelung nach Warengruppen als je zuvor. Die Bündelung dezentraler Aktivitäten unter zentralen Vorgaben hat im Einkauf schon zu klaren Einsparungen geführt. Das verfolgen wir natürlich weiter.- Müssen Sie mit Blick auf die Konjunkturschwäche in Europa nicht ihre internationale Präsenz ausbauen?Nach der bewussten Trennung von unseren australischen Baueinheiten erbringen wir derzeit rund 80% unserer Leistungen in Europa. Aber mit gezielten Akquisitionen sind wir ja gerade dabei, unseren globalen Fußabdruck zu vergrößern. So haben wir in den USA Westcon erworben, die sehr stark in der Infrastruktur für die Schiefergas-Exploration tätig ist und die in diesem Zusammenhang sehr gute Aufträge erhalten hat. Wir haben Anfang dieses Jahres Johnson Screens gekauft, die unser Geschäft in der Wassertechnik gerade außerhalb Europas stärkt. Und wir haben in Indien mit Neostructo einen Zukauf, der unsere Präsenz in Asien stärkt.- Reicht das?Solche Zukäufe insbesondere in Asien brauchen eine relativ lange Vorbereitung. In den USA geht das wesentlich schneller. Klar ist, dass wir besonders in diesen beiden Regionen weiter expandieren werden, wobei gerade die Akquisitionen in den Staaten derzeit überproportional stark zum Ergebnis beitragen.- Die Nettoliquidität von Bilfinger war im ersten Quartal auf nur noch 24 Mill. Euro geschrumpft. Woran lag das?Das hängt neben den Finanzinvestitionen auch mit der Entwicklung des Working Capital zusammen. Mit dem Abschmelzen des Baugeschäfts werden diese unterjährigen Schwankungen abnehmen, denn unsere Servicesparten sind deutlich weniger Working-Capital-negativ. Wir arbeiten intensiv an einer Optimierung der Kapitalbindung im Rahmen des Betriebskapitals. Dabei geht es auch um eine bessere Cash-Conversion- Rate, also wie schnell aus dem Ergebnis Liquidität generiert werden kann.- Wie sind die Erfolge?Das wird man im Jahresverlauf sehen. 2012 hatten wir beim Working Capital eine höhere Kapitalbindung von etwa 145 Mill. Euro. Für dieses Jahr gehen wir von maximal 50 Mill. Euro am Jahresende aus. Am Thema Working Capital und hier vor allem am Forderungsmanagement arbeiten wir mit Hochdruck – unsere Kunden allerdings auch.- Sie haben im jüngsten Zwischenbericht auf bereinigte Ergebniszahlen umgestellt. Was ist der Grund dafür?Im Unterschied zu anderen machen wir keine Bereinigungen von “Bad Stuff”, sondern von Sondererträgen, um die operative Vergleichbarkeit sicherzustellen. Das wurde von Investorenseite nach den Veräußerungsgewinnen der jüngeren Vergangenheit an uns herangetragen, um mit Wettbewerbern besser vergleichbar zu sein. Mitunter mussten wir uns schon den falschen Vorwurf machen lassen, wir lebten nur von Veräußerungsgewinnen.- Wie weit geht die Bereinigung beim Ergebnis?Da geht es um genau zwei Themen. Zum einen nehmen wir Buchgewinne aus Veräußerungen heraus. Und zum anderen bereinigen wir beim Nettoergebnis die Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte aus Akquisitionen. Wenn man wie wir über Firmenkäufe wachsen will, dann zieht das immer nicht operativ bedingte Vermögensabschreibungen nach sich. Das bereinigen wir ebenfalls im Rahmen des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Amortisation (Ebita). Ich glaube, damit sind wir sehr transparent.- Mit dem Rückgang des Baugeschäfts sinkt auch ihr Bedarf an Avallinien. Wie ist hier die Entwicklung?Wir haben die Avallinie um etwa 1 auf 3 Mrd. Euro zurückgefahren. Das sind noch Nachlaufeffekte aus dem früher starken Baugeschäft. Tendenziell werden die Avale weiter sinken, allerdings gibt es mit unserem Projektgeschäft im Bereich Power auch gegenläufige Effekte, wo wieder Avale benötigt werden. Insgesamt wird sich das Volumen aber gleichwohl deutlich reduzieren.- Wie gehen Sie in ihrer Finanzierung mit dem derzeitigen Niedrigzinsumfeld um?Gerade wenn man über Akquisitionen wachsen will, muss man die Zinslandschaft im Auge haben. Das war ja auch der Grund, warum wir uns trotz des Niedrigzinsumfelds für ein Rating entschieden haben, auch wenn wir schon zuvor so agiert haben, als hätten wir Investment Grade. Jetzt haben wir von Standard & Poor’s ein “BBB+” mit stabilen Ausblick erhalten und haben dann eine Debütanleihe von 500 Mill. Euro mit 2,375% begeben. Das war schon sehr komfortabel.- Im Vergleich zu?Wenn ich unser Schuldscheindarlehen von 2008 betrachte, das mit rund 6% abgeschlossen wurde, dann wird der Unterschied deutlich. Im Übrigen haben wir registriert, dass die sehr langfristigen Zinsen zuletzt wieder leicht gestiegen sind. Aber das ist für uns derzeit kein Grund für weitere Kapitalaufnahmen. Wir haben noch genügend Spielräume über Liquidität und Kreditlinien, um weiter auf Wachstumskurs zu bleiben.- Gilt das auch für größere Firmenkäufe?Wir haben in den vergangenen 18 Monaten recht viele Unternehmen gekauft. Im Schnitt ging es da um Unternehmenswerte zwischen 30 und 50 Mill. Euro. Was uns mit Sicherheit noch einmal guttun würde, wäre ein größerer strategisch bedeutsamer Kauf wie Ende 2009 die österreichische MCE mit einem Enterprise Value von 250 bis 300 Mill. Euro.- Was würde das bringen?Wenn ein solcher strategisch wichtiger Schritt in Asien oder Nordamerika gelingen würde, wäre das auch mit Blick auf die Erwartungen des Kapitalmarkts wichtig. Die MCE stand damals immerhin für knapp 900 Mill. Euro Umsatz. Das würde auch unsere strategischen Ziele bis 2016 weiter unterstützen. Der Integrationsaufwand für eine solche Akquisition unterscheidet sich auch nicht entscheidend von dem für kleinere Käufe.Aus dem Schuldscheindarlehen wird zur Jahresmitte die Schlusstranche von 166 Mill. Euro fällig. Wird das refinanziert?Nein, wir zahlen das aus dem Cash zurück. Wir haben ja auch noch eine syndizierte Kreditlinie von 500 Mill. Euro, um kurzfristige Veränderungen im Working Capital finanzieren zu können. Und diese Linie haben wir bisher nicht genutzt.- Seit Jahr und Tag sitzt Bilfinger auf einem Bestand an eigenen Aktien. Gibt es da neue Überlegungen?Nein, wir denken auch nicht daran, sie einzuziehen. Grundsätzlich könnten sie beispielsweise für eine Wandelschuldverschreibung sowie für Mitarbeiteraktien eingesetzt werden.- Die Bilfinger-Aktie lief in jüngerer Vergangenheit eher unterdurchschnittlich. Woran liegt das?Längerfristig gesehen sind wir immer noch deutlich besser als der MDax gelaufen. Natürlich müssen wir weiter konsequent an der Erreichung der kommunizierten Ziele arbeiten. Und schließlich geht es um die weitere Internationalisierung über größere Akquisitionen. Das wird sich in der Entwicklung des Aktienkurses niederschlagen.- Hat sich mit dem Wandel von Bilfinger vom Bau- zum Dienstleistungskonzern auch die Haltung der Investoren zum Unternehmen verändert?In der Vergangenheit stand natürlich das Thema Großprojekte im Vordergrund. Heute geht es mehr um übergreifende Themen. Wie entwickeln sich für die Bilfinger-Servicesparten einzelne relevante Märkte und Branchen, wie sehr treffen uns politische Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Energiewende in Deutschland? Da hat sich schon einiges in der Fragestellung geändert.- Von Seiten internationaler Investoren weht auf den Hauptversammlungen vielfach ein schärferer Wind. Das hat Bilfinger bei der Zuwahl zum Aufsichtsrat gespürt. Wie sehen sie diese Entwicklung?Wir wussten über die Empfehlungen der ISS-Berater Bescheid. Das müssen wir akzeptieren und zugleich bei den bestehenden Investoren für unsere Vorschläge werben. Wenn der frühere Vorstandsvorsitzende Herbert Bodner, der wie kein zweiter das Unternehmen kennt, am Ende nur mit 76% in den Aufsichtsrat gewählt wird, dann fehlt mir dafür jedes Verständnis.- Haben Sie denn nicht versucht, ISS von ihren Argumenten zu überzeugen?ISS ist bei Bilfinger erstmals aktiv geworden, das kam aber nicht ganz unerwartet. Wir haben auch versucht, sie von unserer Position zu überzeugen. Aber es gibt bei ISS Statuten, die sind unverrückbar. Es ging übrigens auch nicht um die Person Bodner, sondern lediglich um die Einhaltung gewisser Quoten. Erfreulicherweise gibt es große deutsche Fonds, die den Empfehlungen der ISS nicht blind folgen. Das ist schon beruhigend.—-Das Interview führte Peter Olsen.