Bilfinger türmt halbe Milliarde Euro Verlust auf
wb Frankfurt – Eins hat Bilfinger diesmal nicht nötig: eine neuerliche Gewinnwarnung nach den sechs vorausgegangenen Negativbotschaften an die Investoren. Doch von Gewinn ist keine Rede mehr: Der Konzern schreibt 330 Mill. Euro auf die zum Verkauf gestellte Kraftwerksparte ab und hat danach im ersten Halbjahr einen Verlust von 439 Mill. Euro eingefahren. Auch in den fortgeführten Geschäften ist keineswegs eitel Sonnenschein: Industrieservice, die neben Bau und Gebäudedienstleistungen übrig bleibende Division des Mannheimer Konzerns, verzeichnet einen Rückgang des operativen Ergebnisses um gut ein Drittel. Investoren setzen auf Großreinemachen: Die Aktie der 1,9 Mrd. Euro schweren Bilfinger setzte sich mit 6 % an die MDax-Spitze.Mit Blick auf die künftige Aufstellung lässt Vorstandschef Per Utnegaard erst Mitte Oktober die Katze aus dem Sack. Der Ausverkauf ist keineswegs zu Ende: Sämtliche Einheiten und Ableger werden daraufhin durchforstet, ob sie zum künftigen Kerngeschäft passen. “Wir werden unsere Profitabilität steigern, die Komplexität im Konzern reduzieren, Prozesse vereinfachen und die Kosten in allen Bereichen senken”, kündigt Utnegaard an.Auch im Gesamtjahr steuert das MDax-Unternehmen mit dem Finanzinvestor Cevian als größtem Aktionär auf einen Rekordverlust zu. Bilfinger hat nun erstmals einen Ausblick aufs Gesamtjahr gegeben, wobei das defizitäre Kraftwerksgeschäft allerdings herausgerechnet ist. Aus einer stagnierenden Leistung von 6,2 Mrd. Euro soll ein auf 150 Mill. bis 170 Mill. (i.V. 262) Euro sinkendes bereinigtes Ebita geholt werden. Teure RestrukturierungAbschreibungen und Einmalkosten zur Restrukturierung in den ersten sechs Monaten fallen höher als erwartet aus. Und auch die zweite Halbzeit 2015 wird geprägt sein von Sondereffekten. Einmalaufwendungen im Zusammenhang mit dem Effizienzsteigerungsprogramm sowie Restrukturierungsaufwendungen vor allem im Industrieservice von mindestens 70 Mill. Euro, von denen 30 Mill. Euro per Ende Juni verarbeitet sind, belasten 2015. Hinzu kommen noch nicht bezifferte “signifikante” Einmalaufwendungen wegen der Senkung der Verwaltungskosten an die neue Struktur.Ein Gewinn wird aus der Veräußerung und Neubewertung der Beteiligung im Nigeriageschäft über 58 Mill. Euro per Ende Juni ausgewiesen. Als bilanzielle Vorsorge sind aktivierte latente Steuern auf Verlustvorträge im Inland über 46 Mill. Euro wertberichtigt worden. Gerade 12 Mill. Euro Gewinn springen aus dem Verkauf von Construction heraus.Dem Kraftwerksgeschäft, die kleinste der bisher drei Sparten und jetzt als nicht fortzuführend klassifiziert, macht die Energiewende in Deutschland und der Ölpreisrückgang schwer zu schaffen. Die Aufträge brechen weg, das Orderpolster liegt mit 1,05 Mrd. Euro ein Viertel unter Vorjahresniveau. Bis Ende Juni sorgte Power für 75 Mill. Euro operativen Verlust. Bis Jahresende wird im bereinigten Ebita ein Minus von 100 Mill. Euro erwartet. Neben der Wertberichtigung von 330 Mill. Euro setzt der von ProSieben gekommene CFO Axel Salzmann 60 Mill. Euro Restrukturierungskosten an, von denen 13 Mill. Euro verbucht sind. Der von der Deutschen Bank geleitete Verkaufsprozess wurde im Juni gestartet und soll binnen zwölf bis 18 Monaten Ergebnisse zeitigen. Ausgewiesen werden als zur Veräußerung gehalten die ehemaligen Divisionen Infrastruktur, Offshore Systems, Power, Julius Berger Nigeria (16,5 %) sowie Autobahnbetreiberprojekte.Doch auch im größten Geschäftsfeld Industrieservice knirscht es. Das operative Ergebnis fiel nach sechs Monaten um 36 % auf 49 Mill. Euro Grund sei die angespannte Lage im Öl- und Gassektor in Europa und den USA infolge des Ölpreisrückgangs. Utnegaard, der die Leitung der Sparte selbst übernommen hat, plant auch hier einen Umbau mit Einschnitten. Bessere Geschäfte mit Gebäudedienstleistungen helfen dem defizitären Konzern indessen. Hier werden ein Leistungsanstieg auf 2,8 Mrd. Euro aufgrund der 2014 erworbenen britischen GVA erwartet und eine operative Marge von stabil 5 %.