RECHT UND KAPITALMARKT – IM INTERVIEW: STEPHAN HUTTER

Biotechkonzern Morphosys setzt auf Dual Listing in den USA

Optimierung der Finanzierungsoptionen - Zugang weniger komplex als früher

Biotechkonzern Morphosys setzt auf Dual Listing in den USA

– Herr Hutter, Sie haben Morphosys beim Dual Listing an der Nasdaq beraten. Warum wagt das Biotech-Unternehmen den Gang an eine US-Börse? Die Nasdaq ist die weltweit wichtigste Handelsplattform für Aktien von Biotech-Unternehmen, und mehr als die Hälfte der großen europäischen Biotech-Unternehmen sind inzwischen dort notiert. Da ist es nur schlüssig und konsequent, dass auch ein Unternehmen der Größenordnung von Morphosys diesen Schritt in Angriff genommen hat. – Viele Konzerne, die in den 1990er Jahren in den USA an die Börse gegangen sind, haben dem US-Kapitalmarkt aber längst wieder den Rücken zugekehrt. Damals sind viele große Dax-Unternehmen in den USA an die Börse gegangen, um dem Markt eine gewisse Professionalität zu signalisieren – also sozusagen aus Marketing-Gründen -, so dass dort keine Liquidität entstehen konnte. Zehn Jahre später kam es dann auch in den meisten Fällen zu einem Delisting in den USA.- Ist ein US-Listing nicht mit unverhältnismäßig großem Aufwand verbunden?Früher waren die Kosten und der Zeitaufwand in den USA deutlich höher, die Lücke hat sich aber längst geschlossen und heute sind die Anforderungen vergleichbar – die USA haben in einigen Bereichen, zum Beispiel für ausländische Unternehmen, sogar Erleichterungen für den Zugang zum US-Kapitalmarkt geschaffen. – Wie sehen diese aus?Die Erleichterungen betreffen zum Beispiel die Möglichkeit, einen Registrierungsantrag beziehungsweise Prospekt vertraulich billigen zu lassen. Was es einer Gesellschaft ermöglicht, den geplanten Börsengang in den USA ohne negative Publizität abzubrechen, sollte sich herausstellen, dass die entsprechenden US-Anforderungen nicht erfüllt werden können. Darüber hinaus müssen ausländische Gesellschaften bis zu einer bestimmten Größe nur Finanzausweise für zwei Jahre liefern. – Ist das Haftungsrisiko höher?Die materiellen Anspruchsgrundlagen für die Haftung bei Kapitalmarkttransaktionen in Europa und in den USA sind beinahe identisch, allerdings ist das Risiko einer Klage bzw. eines Prozesses zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche von geschädigten Investoren in den USA deutlich höher als in Europa. Das hat damit zu tun, dass in den USA das Führen eines Rechtsstreits als korrektive Maßnahme – anders als in Europa – grundsätzlich üblich und akzeptiert ist. Im Übrigen ist das Haftungsrisiko von Unternehmen, die in den USA operativ tätig sind, deutlich höher als das aus einer US-Börsennotierung resultierende Risiko.- Was meinen Sie damit?Damit meine ich Risiken in Zusammenhang mit Korruption, Geldwäsche, Geschäften mit Schurkenstaaten, Diskriminierung, Whistleblower Themen und so weiter – das wird nicht ungern mit Haftungsrisiken des Kapitalmarkts in einen Topf geworfen, was aber unzulässig ist. – Würden Sie sagen, dass US-Listings deutscher Unternehmen zum Trend werden könnten?In einer globalen Wirtschaft mit volatilen Märkten werden global tätige Unternehmen versuchen, ihre Finanzierungsoptionen weiter zu optimieren, und da bietet sich der sehr liquide und aufnahmefähige US-Kapitalmarkt auch für deutsche Unternehmen an. In den letzten Jahren hat sich darüber hinaus in Deutschland eine neue und junge Unternehmergeneration etabliert, die zu den USA, dem dortigen Geschäftsgebaren und regulatorischen Anforderungen, inklusive dem Haftungsthema, einen eher pragmatischen Ansatz hat. – Auf EU-Ebene gibt es doch auch Bestrebungen, Wachstums- und Technologieunternehmen zu fördern und ihnen eine Handelsplattform zu bieten. Reicht das nicht aus?Das ist richtig, diese Bestrebung gibt es. Allerdings kommt das Projekt der sogenannten Kapitalmarktunion nur eher schleppend voran. Solange jedes Land seine eigene Plattform für Wachstumsunternehmen bauen will, und viele Länder nach wie vor protektionistische Partikularinteressen verfolgen, zum Beispiel was das Erfordernis von Dokumenten in der lokalen Sprache betrifft, wird sich der europäische Kapitalmarkt nicht weiterentwickeln können wie es eigentlich zu wünschen wäre.—-Dr. Stephan Hutter ist Partner von Skadden. —-Die Fragen stellte Walther Becker.