Boeing werden in China die Flügel gestutzt
nh Shanghai
Dem amerikanischen Flugzugbauriesen Boeing drohen empfindliche Marktanteilseinbußen im China-Geschäft mit Mittelstrecken-Passagierjets der Baureihe 737. Anlass dafür ist die wachsende Zurückhaltung der drei führenden und allesamt staatlich kontrollierten chinesischen Carrier China Southern, China Eastern und Air China, das jüngste 737-Modell, Boeing 737 Max, für ihre Pläne zum künftigen Flottenausbau weiter zu berücksichtigen. Deutlich gemacht hat dies insbesondere China Southern, die nach Kapazität größte Airline im Reich der Mitte und bislang auch größter Abnehmer von Boeing-Flugzeugen im chinesischen Markt.
Mehr als 100 gestrichen
Wie China-Southern-Chairman Ma Xulun kürzlich bei einem Investorentreffen erklärte, sieht der neue Flottenausbauplan der Gesellschaft vor, mehr als 100 Maschinen des Typs 737 Max zu streichen, die damit als künftige Orders wegfallen werden. Laut des im März veröffentlichten Jahresgeschäftsberichts der Gesellschaft hatte China Southern bei der Prognose für künftige Auslieferungen von Maschinen im Planungszeitraum bis Ende 2024 insgesamt 181 Boeing Max 737 auf dem Zettel stehen. Der nun revidierte Flottenplan sieht jedoch nur noch den Empfang von 78 entsprechenden Maschinen in dieser Periode vor. Ma zufolge basiert die Entscheidung auf wachsender Unsicherheit über Auslieferungsmodalitäten für den Boeing-Typ, ohne dass dies allerdings näher begründet wird.
Gegenwärtig hat der US-Branchenriese rund 300 bereits produzierte Passagierjets des Typs 737 Max gewissermaßen auf Halde stehen, weil die Maschinen im Zuge eines mehr als zweijährigen globalen Banns für den Einsatz der Boeing 737 Max in der kommerziellen Passagierluftfahrt nicht mehr an die Kunden ausgeliefert wurden. Ursache waren zwei Abstürze im Oktober 2018 und März 2019 der damals brandneuen 737 Max, die auf eine problematische neu entwickelte Autopilot-Software für diesen Flugzeugtyp zurückgeführt wurden. Damals reagierte die chinesische Flugsicherheitsbehörde CAA als erste Instanz mit einem Einsatzverbot für die 737 Max, dem sich kurz darauf weitere nationale Regulatoren und letztlich auch die US-Flugsicherheitsbehörde anschlossen.
Behörde zögerte
Während die amerikanische Federal Aviation Administration FAA im Dezember 2020 nach aufwendigen Korrekturen des Herstellers das Verbot für den Einsatz der 737 Max wieder aufhob, hat sich die chinesische CAA erst ein Jahr später zu diesem Schritt bequemt. Zwar ist die Maschine nun wieder für den chinesischen Luftraum zugelassen, allerdings haben die heimischen Carrier bislang nicht die notwendigen Tests absolviert, um die Maschinen wieder in den regulären Flugbetrieb zu überführen und auf Routen einzusetzen.
Die Lustlosigkeit gegenüber der 737 Max ist freilich auch auf eine dramatisch verschlechterte Marktsituation in diesem Jahr zurückzuführen. Die Branche ist von der jüngsten Coronawelle in China und den damit verbundenen scharfen Mobilitätsrestriktionen und Lockdowns im Zeichen der sogenannten Covid-Zero-Politik der Regierung völlig überrumpelt worden. Der inländische Reiseluftverkehr ist im bisherigen Jahresverlauf extrem zurückgeworfen worden und dürfte noch auf Monate hinaus unter schweren Behinderungen leiden. Entsprechend können die Carrier zahlreiche Routen nicht wie gewohnt bedienen und sind nicht darauf angewiesen, ihre 737-Max-Maschinen möglichst schnell wieder zum Einsatz zu bringen.
Analysten gehen davon aus, dass dies einer raschen Wiederaufnahme von Bestellungen für den Boeing-Typ entgegensteht. Deshalb dürften auch die anderen beiden großen staatlichen Carrier ähnliche Rückzugsmanöver fahren. China Eastern hatte zuletzt angekündigt, eine Finanzierung für den Kauf von insgesamt 38 Boeing-Flugzeugen im Zeitraum bis Ende 2024 arrangiert zu haben, unter dieser Order befinden sich allerdings keine 737-Max-Maschinen.