Boohoo.com, der Lockdown und die Sweatshops

Zulieferer des Online-Modehändlers zahlen angeblich weniger als den gesetzlichen Mindestlohn

Boohoo.com, der Lockdown und die Sweatshops

hip London – Der britische Online-Modehändler Boohoo.com hat nach Berichten über die erschreckenden Zustände in den Textilfabriken von Leicester angekündigt, einen seiner Zulieferer genauer unter die Lupe zu nehmen. Die “Sunday Times” hatte zuvor berichtet, die Beschäftigten eines Lieferanten der Boohoo-Marke Nasty Gal könnten lediglich mit 3,50 bis 4,00 Pfund die Stunde rechnen. Der Mindestlohn liegt bei 8,72 Pfund. Ein Undercover-Reporter des Blatts hatte bei einem Betrieb angeheuert, der auf dem Firmenschild den Namen Jaswal Fashions führte, und die Zustände vor Ort beschrieben. Die Aktie von Boohoo.com geriet dadurch stark unter Druck. Man versuche, die Identität der Firma zu ermitteln, hieß es von Boohoo.com.Über die Stadt in den East Midlands wurden zuletzt erneut Ausgangsbeschränkungen verhängt, nachdem die Zahl der Neuinfektionen stark gestiegen war. Sie wird von der Textilbranche dominiert. Die Mehrheit ihrer Beschäftigten gehört ethnischen Minderheiten an. Gut ein Drittel kam nicht in Großbritannien zur Welt. Sie stammen aus Bangladesch, Indien, Pakistan oder Somalia. Zuletzt arbeiteten dort auch vermehrt Menschen aus Osteuropa. Immer wieder werden Vorwürfe wie moderne Sklaverei und Menschenhandel erhoben. Die National Crime Agency ermittelt. Arbeiten ohne DistanzWie aus einem Bericht der Initiative “Labour Behind The Label” hervorgeht, arbeiteten die Fabriken von Leicester wegen der guten Auftragslage bereits während des vorangegangenen Lockdowns ohne Unterbrechung. Es gebe neben Heimarbeit rund 1 000 Unternehmen, zumeist kleine Betriebe in heruntergekommenen Gebäuden mit schlechter Belüftung. Es sei schlicht “nicht vorstellbar”, dass in solchen Firmen bei voller Auslastung die Vorgaben zur sozialen Distanzierung und angemessene Covid-19-Schutzmaßnahmen befolgt wurden. Man habe zudem von Mitarbeitern gehört, die zur Weiterarbeit angehalten wurden, obwohl sie sich bereits infiziert hatten. Größter Auftraggeber sei Boohoo.com. Die Organisation geht davon aus, dass das Unternehmen bis zu vier Fünftel der Produktion von Leicester abnimmt. Stundenlöhne zwischen 2 und 3 Pfund seien bei Lieferanten für Boohoo und anderen E-Commerce-Unternehmen üblich.”ESG wird in Umfragen unter Verbrauchern zwar stets als sehr wichtig bezeichnet, wir haben allerdings selten beobachtet, dass sich solche Enthüllungen negativ auf die Umsätze ausgewirkt hätten”, schrieben die Analysten von Peel Hunt unter Verweis auf zahllose Fernsehberichte über die Beschaffungskette von Primark. Verbraucher orientierten sich am Preis. “Wir haben den Verdacht, dass Investoren weniger tolerant sein werden”, schrieben die Aktienexperten des Brokers. Boohoo.com habe im vergangenen Jahr bereits einen “Sustainability Director” ernannt. Das Unternehmen verfolge gegen Zulieferer, die seine Standards missachteten, eine harte Linie.Der Liberum-Analyst Wayne Brown forderte Boohoo.com dazu auf, Führungsstärke zu zeigen und die immer wieder auftretenden Probleme ein für alle Mal anzugehen. Eine unabhängige Untersuchung, nach deren Abschluss Strukturen für eine verbesserte Compliance geschaffen werden, könnte dem Unternehmen helfen, künftig schlechte Nachrichten zu vermeiden.