Boss-Aktionäre bewegt Soziales statt Strategie
Von Isabel Gomez, StuttgartSeit vor gut einem Jahr die Probleme des Modekonzerns Hugo Boss offensichtlich wurden, hat sich der Kurs der Aktie fast halbiert. Umso erstaunlicher, dass auf der Hauptversammlung am Donnerstag die überarbeitete Strategie des bisherigen Finanzvorstands und künftigen Vorstandschefs Mark Langer nur eine Nebenrolle für die Aktionäre spielte.Langer legte sich mächtig ins Zeug, sprach von “starken Marken mit großer Strahlkraft”, lobte die Mitarbeiter für ihren Einsatz und ihre Unterstützung bei der Umsetzung erster Schritte seiner Strategie. Er machte gleichzeitig keinen Hehl daraus, dass sich Boss “in einem Jahr der Konsolidierung” befinde. Einsparungen, Preisanpassungen in China und die weltweite Schließung von Läden, die das Ergebnis zu sehr verwässern, werden auch 2016 den Umsatz belasten. Gleichzeitig will Boss in digitale Vertriebswege und ein kundenorientierteres Marketing investieren, um den Anschluss an die Konkurrenz zu halten. Langer skizzierte sein Vorhaben und stimmte die Aktionäre auf schmerzhafte Veränderungen ein. “Das ist zwar nicht sexy, das ist aber richtig und wichtig”, sagte er und bekam Applaus. Den erhielt auch der Aufsichtsrat für die Entscheidung, Langer zum Chef zu machen. Allein: Die Wortmeldungen der Aktionäre und ihrer Vertreter ließen darauf schließen, dass diese ganz andere Sorgen haben.Trotz der mauen operativen Entwicklung im vergangenen Jahr und einer Gewinnhalbierung im ersten Quartal stand etwa für Andreas Schmidt von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) fest: “Boss ist ein gesundes Unternehmen, solide und gut positioniert.” Filippo Siciliano von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und ein weiterer Privatanleger bemängelten dagegen, dass die Qualität der Boss-Anzüge nachgelassen habe, und hakten nach, ob die Umsatzrückgänge nicht zuletzt daran gelegen haben könnten, was Langer entschieden verneinte. Fokus auf IndienDen Großteil der Aussprache zwischen Aktionären und Vorstand nahmen jedoch soziale Themen ein. Langer und Vertriebsvorstand Bernd Hake mussten sich mehrfach dem Vorwurf stellen, sie billigten unfaire Arbeitsbedingungen in ihren Werken und bei Zulieferern in Indien und der Türkei. Siciliano fragte, wie Boss mit der Ausbeutung indischer Mitarbeiter umgehe. “Befragungen bei Zulieferfirmen in Bangalore haben ergeben, dass Boss dort keine existenzsichernden Löhne zahlt”, legte Gisela Burckhardt von der Frauenrechtsorganisation Femnet nach.Langer verwies auf den Beitritt zum 2014 gegründeten Bündnis für nachhaltige Textilien, in dem Boss gemeinsam mit anderen Unternehmen Transparenz über den Umgang mit Arbeitsbedingungen schaffen wolle. Auch mit der Fair Labor Association arbeite man zusammen an Lösungen gegen missbräuchliche Arbeitspraktiken. “Wir sehen uns in einem Prozess, uns gezielt solchen Allianzen anzuschließen, mit denen wir die Nachhaltigkeit der Lieferkette verbessern können”, sagte Langer. Es ist ein weiterer Prozess, dem sich der neue Vorstandschef neben der Optimierung von Marketing und Vertrieb offenbar widmen muss. ——–Die Aktionärskritik zeigt: Hugo Boss hat nicht nur Baustellen in Vertrieb und Marketing.——-