Branche gut gestimmt trotz virtueller Gamescom
Von Sebastian Schmid, FrankfurtViele Branchen kämpfen dieses Jahr angesichts des wirtschaftlichen Einbruchs in Folge der Coronavirus-Pandemie mit Unterauslastung ihrer Kapazitäten, Umsatzschwund und Liquiditätsabfluss – für einige geht es ums nackte Überleben. In der Videospielebranche brummt das Geschäft hingegen. Der japanische Traditionskonzern Nintendo weitet die Produktionskapazitäten für seine Konsole Nintendo Switch kräftig aus und hat im jüngsten Quartal ein Rekordergebnis erzielt. Gebremst wird das Wachstum der Super-Mario-Erfinder allerdings von Engpässen bei Zulieferern. Nintendos Erfolg ist mitnichten ein Einzelfall. Der Branchenumsatz im wichtigen US-Markt ist in den ersten sieben Monaten des Jahres laut Marktforschungsunternehmen NPD um gut ein Fünftel auf 26 Mrd. Dollar gewachsen (siehe Grafik).Die Stimmung unter den Ausstellern der jährlich stattfindenden Kölner Spielemesse Gamescom dürfte also durchaus positiv sein, obwohl sie dieses Jahr rein virtuell stattfindet. Vergangenes Jahr war mit 373 000 noch ein Besucherrekord aufgestellt worden. Allerdings reflektiert die diesjährige, rein virtuelle Messe Gamescom Now nicht nur aufgrund der weiterhin verbotenen Großveranstaltungen den Zeitgeist. Online-Spiele wachsen weiter überproportional und auch die Zahl der Spiele, die auf physischen Medien gekauft wird, dürfte weiter zurückgehen. So bietet Sony die neue Playstation 5 erstmals entweder mit oder ohne Bluray-Laufwerk an. Auf Smartphones und am PC wird schon länger auf Downloads oder neuerdings auch verstärkt Streaming (Cloud-Gaming) gesetzt. Letzteres verspricht, dass auch auf leistungsschwachen Geräten anspruchsvolle Spiele gespielt werden können. Angesichts stetig steigender Konsolenpreise dürfte das Interesse daran zunehmen. Noch sind die Preise für Sonys Playstation 5 und Microsofts XBox Series X nicht verkündet worden. Aus gewöhnlich gut informierten Kreisen wird allerdings für beide ein Preis um 500 Euro kolportiert. Das wäre ein drastischer Aufschlag um mehr als 50 % zu den Vorgänger-Geräten. In Konkurrenz zu GoogleAn dem Trend zum Cloud-Gaming will nun auch die Deutsche Telekom partizipieren, die mit Magenta-Gaming pünktlich zur Gamescom einen eigenen Dienst an den Start gebracht hat. Für Abonnenten ist der Dienst in einer dreimonatigen Testphase zunächst kostenlos. Dann verlangt die Telekom 6,95 Euro pro Monat und liegt damit etwa 3 Euro unter führenden Anbietern wie Googles Stadia, das etwa ein Jahr Vorsprung und einen größeren Spielekatalog aufweist. Außerdem gibt es Stadia bereits in Apples Appstore, so dass Googles Dienst auf iPhone und iPad verfügbar ist. Das ist – zumindest zum Start – mit Magenta-Gaming noch nicht möglich.Ein Vorteil der Bonner ist derweil, dass sie die Leitungen, über die die Spiele gestreamt werden, bestens kennen. Daher darf man annehmen, dass der Dienst diese von Beginn an optimal nutzt. Zumal die Telekom einen einjährigen Betatest, der bei der vorjährigen Gamescom lanciert worden war, mit einer fünfstelligen Anwenderzahl vorgeschaltet hatte. Wirklich attraktiv für eine größere Zahl von Videospielern wird das Angebot laut Experten ohnehin erst mit dem Ausbau des 5G-Netzes. Dieses lässt dank deutlich geringerer Latenzen eine unmittelbarere Spielerfahrung zu. Bis dahin kann die Telekom dann auch noch den Spielekatalog erweitern und dafür sorgen, dass auch Apples mobile Geräte unterstützt werden.Eine Studie von Global Market Insights erwartet, dass der weltweite Cloud-Gaming-Umsatz von knapp 1 Mrd. Dollar im Jahr 2018 auf rund 8 Mrd. Dollar zulegen wird. Auch das wäre allerdings nur ein Bruchteil des dreistelligen Milliardenumsatzes, den Videospiele weltweit jährlich erzielen.