Brenntag setzt sich gegen Aktivisten durch
Brenntag setzt sich gegen Aktionärsaktivisten durch
Ridinger ist neuer Aufsichtsratschef – Primestone-Vertreter greift Abstimmungsergebnisse an – Antrag auf Sonderprüfung abgeschmettert
Brenntag hat sich in der Hauptversammlung gegen die Forderungen aktivistischer Investoren durchgesetzt. Allerdings musste bis zuletzt gebangt werden, nachdem der Vertreter von Primestone der Versammlungsleiterin Formfehler vorgeworfen hatte. Einen Antrag auf Sonderprüfung hatten die Aktionäre zuvor verworfen.
ab Düsseldorf
Es war ein klassischer Proxy Fight, den sich Brenntag mit zwei aktivistischen Investoren geliefert hat und der Konzern ging am Ende als Sieger vom Platz. Beide Aufsichtsratskandidaten, die der Chemielogistiker aufgestellt hatte, erreichten bei einer Präsenz von fast 83% des Grundkapitals mit 62,7% respektive 61,8% die erforderliche einfache Mehrheit. Die übrigen Tagesordnungspunkte wurden mit jeweils mehr als drei Vierteln der Stimmen angenommen.
Das war nicht unbedingt zu erwarten, nachdem die einflussreichen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis die Kandidaten von Primestone Capital unterstützt hatten. Rechtsanwalt Alexander Herzog von der Frankfurter Sozietät Broich, der in der Hauptversammlung die Interessen von Primestone vertrat, wollte die Niederlage nicht akzeptieren. Er warf der Versammlungsleiterin vor, das Abstimmungsportal verfrüht geschlossen zu haben, und gab daher zu allen Tagesordnungspunkten Widerspruch zu Protokoll. Nach einer mehr als 20-minütigen Pause stellte Aufsichtsratschefin Doreen Nowotne fest, dass es keine Anhaltspunkte für Formfehler gebe, und schloss die virtuelle Versammlung.
Brenntag hatte sich letztlich den Kampf um jede einzelne Aktionärsstimme auf die Fahne geschrieben und dazu in der Hauptversammlung noch einmal alles gegeben. So setzte die scheidende Aufsichtsratsvorsitzende gleich zu Beginn den Ton. Es handele sich um eine sehr wichtige Hauptversammlung, in der es um nicht weniger als die Zukunft des Unternehmens gehe. Mit der Wahl der vom Unternehmen vorgeschlagenen Kandidaten werde sichergestellt, dass die eingeleitete Transformation zur Wertsteigerung des Unternehmens fortgesetzt werde.
Zur Wahl gestellt hatten sich Richard Ridinger, der dem Aufsichtsrat seit 2020 angehört und die Nachfolge Nowotnes an der Aufsichtsratsspitze antritt, sowie Suja Chandrasekaran. „Ich kann mir ein Gelingen der Transaktion ohne Richard Ridinger nicht vorstellen“, hatte Nowotne den Aktionären vor der Abstimmung mit auf den Weg gegeben.
Nowotne legte noch einmal dar, warum der eingeschlagene Kurs dringend fortgesetzt werden müsse. Das Unternehmen befinde sich jetzt in einer erfolgskritischen Phase. Christian Kohlpaintner sei 2020 geholt worden, um die grundlegende Transformation des Unternehmens anzustoßen. Die erste Phase sei 2022 abgeschlossen worden. Nun gelte es den eingeschlagenen Pfad fortzusetzen. Dafür sei Kontinuität – gerade auch im Aufsichtsrat – erforderlich, warb Nowotne. Der Umbau der Organisation in zwei operativ selbständige Einheiten sei äußerst komplex, dabei sei eine schrittweise Vorgehensweise entscheidend. Andernfalls gebe es Erfolg nur auf dem Papier, aber nicht in der Realität.
Zugleich hob Nowotne hervor, dass
die Transformation des Unternehmens nur gelinge, wenn die Interessen aller Beteiligten und Betroffenen berücksichtigt würden. „Ohne Stakeholder Value gibt es keinen Shareholder Value“, wandte sich Nowotne gegen eine
von kurzfristigen Interessen geleitete Strategie.
Auch Vorstandschef Christian Kohlpaintner ging in seiner Rede in die Offensive und erläuterte, wie es zu dem verunglückten Übernahmeversuch von Univar kam und warum sich Brenntag letztlich zum Abbruch der Gespräche entschlossen habe. „Wir haben diese Entscheidung getroffen. Auf Basis der von uns entwickelten Kriterien. Ich sage das in aller Klarheit, weil manchmal zu lesen und zu hören ist, Meinungen Dritter oder gar der Druck von außen hätten hier einen vermeintlichen Sinneswandel herbeigeführt. Dem war nicht so“, machte der CEO den Punkt.
Steilvorlage
Diese Steilvorlage ließ Herzog nicht auf sich sitzen. Man habe die Ausführungen Kohlpaintners, die Univar-Übernahme betreffend „mit Interesse zur Kenntnis genommen“, sagte der Rechtsanwalt und reklamierte den Abbruch der Verhandlungen als Erfolg von Primestone. Doch sei es trotz aller Bemühungen nicht gelungen, weitere Veränderungen anzustoßen. „Dem Aufsichtsrat fehlt es an Aufgeschlossenheit, es gibt eine Wagenburgmentalität in der Führung“, so der Vorwurf von Herzog. Der letztlich abgeblasene Übernahmevorstoß des Rivalen Univar rief aber auch die Verbraucherzentrale für Kapitalanleger auf den Plan. Der Verein beantragte eine Sonderprüfung zum Univar-Prozess. Die Abstimmung darüber wurde mit 82,8% der Stimmen abgelehnt.