Chemiedistribution

Kräftemessen bei Brenntag

Brenntag liefert sich mit Aktionärsaktivisten ein Kräftemessen. In der Hauptversammlung am 15. Juni kommt es zum Showdown.

Kräftemessen bei Brenntag

Showdown auf der Hauptversammlung von Brenntag

Aktivisten auf Wahlkampftour – Stimmrechtsberater mischen mit und offenbaren unterschiedliche Sicht auf den Kapitalmarkt

Von Annette Becker, Düsseldorf

Die Hauptversammlung von Brenntag dürfte eines der turbulentesten Aktionärstreffen in diesem Jahr werden. Das Management des Chemiedistributeurs kreuzt die Klingen mit Aktionärsaktivisten, die eine zügige Zerschlagung fordern. Auch die Proxy Advisors sind uneins.

In der Hauptversammlung von Brenntag am 15. Juni geht es nicht nur um die Wahl zweier Aufsichtsratsmitglieder, sondern letztlich um die Zukunft des Unternehmens. Mit Gegenanträgen hat der britische Aktionärsaktivist Primestone die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, obwohl der Investor nur mit gut 2% an Brenntag beteiligt ist. Auf den Zug aufgesprungen ist der Hedgefonds Engine Capital, der sich der Forderung nach einer Aufspaltung des Konzerns anschließt.

Gemeinsam treiben die aktivistischen Investoren den Vorstand vor sich her. Dabei ist es ihnen gelungen, die einflussreichen Stimmrechtsberater Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis auf ihre Seite zu ziehen. Das überrascht insofern, als sich die Stimmrechtsberater üblicherweise nicht den Vorschlägen von Aktionärsminderheiten anschließen, die häufig kurzfristige Interessen verfolgen. Ivox – wiewohl Tochtergesellschaft von Glass Lewis – empfiehlt in der Aufsichtsratsfrage dagegen, mit dem Unternehmen zu stimmen. Das liegt daran, dass Ivox anderen Richtlinien folgt und vereinfacht ausgedrückt „die deutsche Brille“ aufhat.

Beide Seiten befinden sich seit Wochen auf Wahlkampftour, um bei den (Mit-)Aktionären für die eigene Sicht der Dinge zu werben. Die deutschen Investoren hat Brenntag dabei klar hinter sich gebracht. Zudem unterstützen dem Vernehmen nach auch einige große angelsächsische Kapitalsammelstellen den deutschen Dax-Wert. Allerdings gibt es auch viele kleinere US-Vermögensverwalter und -Pensionsfonds, die sich den Empfehlungen von ISS und Glass Lewis anschließen müssen. Der Ausgang des Rennens entscheidet sich womöglich wirklich erst in der Hauptversammlung.

Besser nicht überhastet

Hierzulande wirbt Flossbach von Storch, die ihre Beteiligung erst kürzlich auf über 5% aufgestockt hat, öffentlich für Brenntag und deren Wahlvorschläge: „Die Kandidaten des Unternehmens, Suja Chandrasekaran und Richard Ridinger, erfüllen aufgrund ihrer Erfahrung und Fachkompetenz das Anforderungsprofil besser als die von Primestone vorgeschlagenen Gegenkandidaten, Joanna Dzubiak und Geoff Wild“, erklärt der Kölner Vermögensverwalter.

Dabei bestreitet Flossbach von Storch gar nicht, dass die geforderte Aufspaltung des Unternehmens einer Überlegung wert ist. „Wir sind keineswegs gegen die Teilung des Unternehmens in zwei selbständige Geschäftseinheiten; dafür müssen aber zunächst die Hausaufgaben gemacht werden“, sagt Portfoliomanager Jonas Nahry im Gespräch mit der Börsen-Zeitung und warnt: „Eine überhastete Aufspaltung würde eher schaden als nutzen.“

In das gleiche Horn bläst die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW): „Das Agieren und die Forderungen erscheinen allein kurzfristig getrieben und zugleich mit der Gefahr verbunden, dass bei Brenntag Werte vernichtet werden“, sagt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler und verweist darauf, dass Brenntag vor einiger Zeit einen Strategieprozess in die Wege geleitet habe, an dessen Ende auch eine Aufspaltung des Konzerns stehen könne. Ganz klar bezieht auch Ivox Stellung: „Da die Wahl des vom Emittenten vorgeschlagenen Kandidaten Richard Ridinger unkritisch betrachtet werden kann und kein Richtlinienverstoß vorliegt, ergibt sich automatisch eine Ablehnung von Gegenanträgen“, heißt es im Proxy Paper. Kritisch gesehen wird auch, dass Primestone die Verkürzung der Amtszeit für die neuen Aufsichtsräte auf zwei Jahre vorschlägt. „Dies lässt Zweifel an der langfristigen Orientierung aufkommen“, begründet Ivox.

„Sollte via Ad-hoc-Antrag eine Zufallsmehrheit erzwungen werden, über die Gegenkandidaten zuerst abzustimmen, sollte dies sehr kritisch gesehen werden“, ergänzt der Stimmrechtsberater und nimmt damit Bezug auf die Ankündigung von Primestone, zu versuchen, dass über die eigenen Kandidaten zuerst abgestimmt wird. Hierfür erforderlich ist ein Quorum von 10% des in der Hauptversammlung vertretenen Kapitals.

Nur wenige deutsche Investoren

Üblicherweise wird in Hauptversammlungen nur dann über Gegenanträge zu einzelnen Tagesordnungspunkten abgestimmt, wenn die vom Unternehmen auf die Tagesordnung gesetzten Punkte zuvor keine Mehrheit finden. Daher hatte ISS in dem „Special Situations Research“ explizit dazu aufgerufen, an der virtuellen Hauptversammlung teilzunehmen, um gegen die Kandidaten von Brenntag zu stimmen. Nur dann sei gewährleistet, für die Kandidaten von Primestone stimmen zu können.

Laut Glass Lewis halten die 20 größten Aktionäre knapp 50% des Grundkapitals in Händen, auf deutsche Investoren entfallen dabei jedoch nur etwa 6%. Neben zahlreichen Gesprächen mit Aktionären hat Brenntag zuletzt auch Kontakt zu den Stimmrechtsberatern gesucht. Während ISS mit dem Management sprach, ohne dass das entscheidende Kandidatenthema zur Sprache kam – und nur für diesen Tagesordnungspunkt gab ISS eine Stimmempfehlung ab –, lehnte Glass Lewis das Gesprächsangebot ab. Das Hauptargument von Brenntag gegen die Aufspaltung lautet, dass das Spezialitätengeschäft derzeit noch nicht selbständig agieren kann. Mit einer verfrühten Aufspaltung werde riskiert, zwei dysfunktionale Einheiten zu schaffen.

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